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Dr. Walter Schmid
1 Ausnahmsweise überträgt die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit das Urheberrecht an Studierende zurück. In diesem Fall ist
der/die Studierende Rechtsinhaber/in.
Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
empfiehlt diese Bachelor-Arbeit
besonders zur Lektüre!
SETZT DIE ERLEBNISPÄDAGOGIK DER SOZIALEN ARBEIT IN
DER SCHULE DIE KRONE AUF?
Die Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispädagogik im
Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der
Deutschschweiz
Bachelor-Arbeit der Hochschule Luzern Soziale Arbeit
August 2012
Studienrichtung Soziokulturelle Animation
BB/TZ08-1 & BB/TZ08-2
Autorenschaft:
Yasmin Fässler Susanne Kunz Ivo Richner
Ausbildungsgang Soziokulturelle Animation
Kurs BB/TZ08-1 & BB/TZ08-2
Yasmin Fässler, Susanne Kunz, Ivo Richner
Setzt die Erlebnispädagogik der Sozialen Arbeit in der Schule die Krone
Die Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
der Deutschschweiz
Diese Bachelor-Arbeit wurde eingereicht im August 2012 in 4 Exemplaren zur Erlangung des vom Fach-hochschulrat der Hochschule Luzern ausgestellten Diploms für Soziokulturelle Animation.
Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie enthält die persönliche Stellung-nahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren.
Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung Bachelor.
Vorwort der Schulleitung
Die Bachelor-Arbeit ist Bestandteil und Abschluss der beruflichen Ausbildung an der Hochschule Luzern,
Soziale Arbeit. Mit dieser Arbeit zeigen die Studierenden, dass sie fähig sind, einer berufsrelevanten Frage-
stellung systematisch nachzugehen, Antworten zu dieser Fragestellung zu erarbeiten und die eigenen Ein-
sichten klar darzulegen. Das während der Ausbildung erworbene Wissen setzen sie so in Konsequenzen
und Schlussfolgerungen für die eigene berufliche Praxis um.
Die Bachelor-Arbeit wird in Einzel- oder Gruppenarbeit parallel zum Unterricht im Zeitraum von zehn
Monaten geschrieben. Gruppendynamische Aspekte, Eigenverantwortung, Auseinandersetzung mit forma-
len und konkret-subjektiven Ansprüchen und Standpunkten sowie die Behauptung in stark belasteten Situa-
tionen gehören also zum Kontext der Arbeit.
Von einer gefestigten Berufsidentität aus sind die neuen Fachleute fähig, soziale Probleme als ihren Gegen-
stand zu beurteilen und zu bewerten. Soziokulturell-animatorisches Denken und Handeln ist vernetztes,
ganzheitliches Denken und präzises, konkretes Handeln. Es ist daher nahe liegend, dass die Diplomandin-
nen und Diplomanden ihre Themen von verschiedenen Seiten beleuchten und betrachten, den eigenen
Standpunkt klären und Stellung beziehen sowie auf der Handlungsebene Lösungsvorschläge oder Postulate
formulieren.
Ihre Bachelor-Arbeit ist somit ein wichtiger Fachbeitrag an die breite thematische Entwicklung der profes-
sionellen Sozialen Arbeit im Spannungsfeld von Praxis und Wissenschaft. In diesem Sinne wünschen wir,
dass die zukünftigen Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren mit ihrem Beitrag auf fachliches
Echo stossen und ihre Anregungen und Impulse von den Fachleuten aufgenommen werden.
Luzern, im August 2012
Hochschule Luzern, Soziale Arbeit
Leitung Bachelor
ABSTRACT
Die Soziale Arbeit in der Schule ist ein wachsendes Handlungsfeld der Sozialen Arbeit. Mit ihren drei Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung stärkt sie die Schüler-schaft in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung und unterstützt sie in Problemlösungs-prozessen. Die Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode, die durch das Er-möglichen von Erlebnissen, deren Reflexion und den Transfer in den Alltag non-formale Bil-dungsprozesse fördert. Die Arbeit zeigt auf, dass die Wirkungen und Ziele der Erlebnispäd-agogik mit denen der Sozialen Arbeit in der Schule vergleichbar sind. Darauf aufbauend wird der Frage nachgegangen, welches Chancen und Grenzen von erlebnispädagogischem Han-deln in der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz sind. Erste Überlegungen zur Einführung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule wurden in Deutschland gemacht. Diese bilden mit den theoretischen Grundlagen zur Sozialen Arbeit in der Schule und zur Erlebnispädagogik das Fundament für den dritten Teil der Arbeit. In diesem werden die in Deutschland gemachten Erfahrung auf die Deutschschweiz übertragen, mögliche Wir-kungen in den drei Funktionen, geeignete Rahmenbedingungen sowie Chancen und Gren-zen für eine Implementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit der Schule aufge-zeigt. Dabei wird sichtbar, dass die Erlebnispädagogik eine Methode darstellt, welche sehr gut zur Sozialen Arbeit in der Schule passt und sehr umfassend in den Funktionen Präventi-on, Früherkennung sowie Behandlung eingesetzt werden kann. Sie bringt einen Mehrwert für die Lehrpersonen, die Schulsozialarbeitenden und die Schülerschaft und setzt damit der So-zialen Arbeit in der Schule die Krone auf.
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1.1 Ausgangslage
1.2 Zielsetzungen und Fragestellungen
1.3 Adressatinnen und Adressaten
1.4 Aufbau der Arbeit
2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
2.1 Historische Annäherung
2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule
2.3 Definition von Sozialer Arbeit in der Schule
2.4 Anspruchsgruppen und Zielsetzungen der Sozialen Arbeit in der Schule
2.5 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil
2.6 Funktionen und Methoden in der Sozialen Arbeit in der Schule
2.6.1 Prävention
2.6.2 Früherkennung
2.6.3 Behandlung
2.6.4 Methodenvielfalt anhand der Funktionen
2.7 Rahmenbedingungen und Strukturen
2.7.1 Trägermodelle
2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule
2.7.3 Personelle Rahmenbedingungen
2.7.4 Finanzielle Rahmenbedingungen
2.7.5 Räumliche Rahmenbedingungen
2.7.6 Zusammenarbeit und Vernetzung
2.8 Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule
2.9 Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation
3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3.1 Historische Annäherung und Begrifflichkeiten
3.2 Definition von Erlebnispädagogik
3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik
3.4 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil
3.4.1 Arbeitshaltungen
3.4.2 Kompetenzprofil Fachperson Erlebnispädagogik
3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten
3.7 Wirksamkeit der Erlebnispädagogik
3.8 Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation
4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
4.1 Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland
4.2 Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
4.4 Einsatzmöglichkeiten
4.5 Chancen und Grenzen
5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITWERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
5.1 Ziele und Zielgruppen von Volksschule, Sozialer Arbeit in der Schule und
Erlebnispädagogik im Vergleich
5.2 Arbeitshaltungen der Sozialen Arbeit in der Schule im Vergleich mit der
Erlebnispädagogik
5.3 Erlebnispädagogik in der Prävention, Früherkennung und Behandlung
5.3.1 Prävention
5.3.2 Früherkennung
5.3.3 Behandlung
5.4 Rahmenbedingungen und Strukturen für die Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
5.4.1 Trägermodelle
5.4.2 Erlebnispädagogik in den Kooperationsmodellen der Sozialen Arbeit und der
5.4.2 Personelle Rahmenbedingungen und erforderliche Kompetenzen
5.4.3 Finanzielle Rahmenbedingungen
5.4.4 Räumliche Rahmenbedingungen
5.4.5 Zusammenarbeit und Vernetzung
5.5 Zusammenspiel der Wirksamkeit Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispädagogik 63 5.6 Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispädagogik im Handlungsfeld der Sozialen
Arbeit in der Schule der Deutschschweiz
6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
7. LITERATURVERZEICHNIS
Die gesamte Arbeit wurde von Yasmin Fässler, Susanne Kunz und Ivo Richner gemeinsam verfasst.
Abb. 1: Zielsetzungen, selbst erstellt, S. 2 Abb. 2: Kontinuum Prävention, Früherkennung, Intervention (Kurt Gschwind & Uri Ziegele,
2010, S.12), abgeändert, S. 13
Abb. 3: Die Begrifflichkeiten der Prävention (Martin Hafen, 2007, S.85), S. 14 Abb. 4: Beratungsformen und -settings (Sabine Ader & Ursula Tölle, 2011, S.207), S. 18 Abb. 5: Verknüpfung Kontinuum und Methodenmatrix (Kurt Gschwind & Uri Ziegele, 2012c,
S. 1-2), selbst erstellt, S. 19
Abb. 6: Wirkungskreis (Florian Baier & Rahel Heeg, 2011, S.101), selbst erstellt, S. 24 Abb. 7: Arbeitsfelder und Berufsfelder Sozialer Arbeit (Gregor Husi & Simone Villiger, 2012,
Abb. 8: Erlebnispädagogische Aktivitäten im Vergleich (Bernd Heckmair & Werner Michl,
2012, S. 236-241), gekürzt, S. 37
Abb. 9: Ziele von Volksschule Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispädagogik im
Vergleich (Gesetz über die Volksschulbildung Kanton Luzern/ Kurt Gschwind & Uri Ziegele, 2012a, S. 1/ Matthias Drilling, 2009, S. 120-121/ Bernd Heckmair & Werner Michl, 2012, S. 115), selbst erstellt, S. 50
Abb. 10: Arbeitshaltungen im Vergleich (Kurt Gschwind & Uri Ziegele, 2012a, S. 1/ Bernd
Heckmair & Werner Michl, 2012, S. 112-114), selbst erstellt, S. 53
Abb. 11: Verknüpfung Kontinuum und Aktivitäten der Erlebnispädagogik (Kurt Gschwind &
Uri Ziegele, 2012c, S. 1-2/ Bernd Heckmair & Werner Michl, 2012, S. 236-241), S. 55
Abb. 12: Kompetenzprofil der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule im
Vergleich (Hans-Peter Hufenus, 1991, S. 84/ Avenir Social, 2012a, S. 4), selbst er-stellt, S. 62
Abb. 13: Wirkungen der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule im
Vergleich (Florian Baier & Rahel Heeg, 2001, S. 97-101/ Michael Jagenlauf, 1992, S. 56-57/ Janne Fengler, 2009), selbst erstellt, S. 63
Abb. 14: Klassenklima und internalisierende Auffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern
(Ludwig Bilz, 2008, S. 189), S. 66
Alle auf dem Titelblatt und bei den Kapitelüberschriften verwendeten Abbildungen sind von der Autorenschaft selbst fotografiert und erstellt.
Die vorliegende Arbeit wurde von drei Studierenden des Studiengangs Soziokulturelle Ani-
mation verfasst. Im Rahmen des Studiums kam die Autorenschaft (Yasmin Fässler, Susanne
Kunz & Ivo Richner) immer wieder mit verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit
in Berührung. Während des Besuchs des Moduls „Soziale Arbeit in der Schule" setzte sich
die Autorenschaft intensiv mit diesem Handlungsfeld auseinander. Die Vielfältigkeit dieses
Berufsfeldes hat sofort fasziniert. Aus diesem Grund war schon früh klar, dass die Bachelor-
Arbeit das Thema Soziale Arbeit in der Schule vertiefen würde. Im Rahmen des Leistungs-
nachweises des Moduls „Soziale Arbeit in der Schule" sollte eine Forschungsrecherche zu
einem frei wählbaren Thema durchgeführt werden. Nach einem Fachgespräch mit einem
Dozenten und der Tatsache, dass die Erlebnispädagogik keinen inhaltlichen Einzug in das
Studium fand, haben sich Susanne Kunz und Ivo Richner entschieden, eine Literaturrecher-
che zum Thema Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit der Schule zu machen. Es stellte
sich schnell heraus, dass der Deutschschweiz die Erlebnispädagogik nur selten als Methode
in der Sozialen Arbeit der Schule angewandt wird. Es gibt in Deutschland bereits Überlegun-
gen zu diesem Thema. Diese können aber nicht eins zu eins auf die Deutschschweiz über-
tragen werden. Interessant war die Feststellung, dass die Ausbildung in Soziokultureller
Animation fast alle Kompetenzen vermittelt, welche in der Sozialen Arbeit der Schule ver-
langt werden. Durch den starken Fokus auf Gruppenprozesse, Partizipation und Prävention,
aber auch Projektarbeit vermittelt das Studium viele Kompetenzen, welche auch für die Er-
lebnispädagogik relevant sind. Diese Gründe haben die Autorenschaft dazu bewogen, die
vorliegende Bachelor-Arbeit zu verfassen. Hinzu kommt, dass die gesamte Autorenschaft
sich einen späteren Berufseinstieg in die Soziale Arbeit der Schule oder die Erlebnispädago-
gik vorstellen kann. Um auch den Studiengang Soziokulturelle Animation angemessen zu
würdigen, wird in dieser Arbeit die Sozialen Arbeit in der Schule sowie die Erlebnispädagogik
und die damit verbundene Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation thematisiert.
Danksagung
Für die Unterstützung bei der Umsetzung dieser Arbeit möchte sich die Autorenschaft bei
allen Beteiligten herzlich bedanken. Ohne die tatkräftige Unterstützung der Fachpersonen
aber auch der Familien sowie Partnerinnen und Partner der Autorenschaft hätte diese Arbeit
nicht in diesem Umfang verfasst werden können. Im Speziellen möchte sich die Autoren-
schaft bei folgenden Personen bedanken:
• Anita Glatt für die Unterstützung und Begleitung während des Bachelorkolloquiums
• Kurt Gschwind und Uri Ziegele für die sehr aufschlussreichen Fachpool-Gespräche
und die theoretischen Inputs
• Frowin Betschart für das tolle Interview
• Anja Mainzenbach, Katja Schweri, Evelyne Oechslin für das Gegenlesen und Korri-
gieren der Arbeit
• Und bei allen Personen, die uns sonst in irgendeiner Form unterstützt haben.
TEIL A: 1. EINLEITUNG
1. EINLEITUNG
In diesem ersten Kapitel wird die Ausgangslage beschrieben, auf wel-cher der Inhalt der folgenden Arbeit aufbaut. Weiter werden die Ziel-setzungen und Fragestellungen vor-gestellt, welche die Arbeit verfolgt. Zuletzt gibt die Einleitung einen kur-zen Einblick in den Ablauf, um einen möglichst umfassenden Überblick zu erhalten.
TEIL A: 1. EINLEITUNG
1.1 Ausgangslage
In der Deutschschweiz wird seit Mitte der neunziger Jahre Soziale Arbeit in der Schule kontinuierlich eingeführt. Seit etwa 2005 steckt die Soziale Arbeit in der Schule in einer Profilierungsphase. Es entsteht eine zunehmende Ver-netzung der Praxis. Auch Fachfragen und Arbeitskonzepte werden intensiv diskutiert (Florian Baier, 2011, S.67). Eine einheitliche Definition für das Handlungsfeld Soziale Arbeit in der Schule existiert noch nicht. Vielmehr gibt es verschiedenste Definitionen, welche die Schwerpunkte unterschiedlich setzen. Erlebnispädagogik ist eine Methode, welche in der Sozialen Arbeit seit Jahren Anwendung findet. Erlebnispädagogische Aktivitäten in der Sozialen Arbeit in der Schule sind in der Schweiz aber noch nicht verbreitet. In Deutschland gibt es bereits verschiedene Publikationen zu diesem Thema. So können laut Sandro Jahnke (2005): „(. .) erlebnispädagogische Aktivitäten (. .) alltagsre-levante Erfahrungs- und Handlungsräume mit „Ernstcharakter" bieten, die fest eingebunden in den Schulalltag und in Kooperation mit der JH [Jugendhilfe] einen wertvollen Beitrag zur Einzelfallhilfe, zur Prävention und zur Entlastung des Schulsystems und der Lehrer [sic!] leisten" (S.125). Nach Bernd Nödl und Magdalene Schmid (2011) steht dabei nicht Wissensvermittlung, sondern er-lebnis- und handlungsorientiertes Lernen im Vordergrund. Emotionen und das Erleben des eigenen Körpers spielen bei diesen Aktivitäten eine wesentliche Rolle und sind daher eine geeignete Methode, um in der Sozialen Arbeit in der Schule non-formale Bildungsprozesse zu ermöglichen. (S. 277-278) Aus diesen Gründen wird in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass die Erlebnispädagogik vermehrt Einzug in die Soziale Arbeit in der Schu-le der Deutschschweiz halten wird. Diese Arbeit untersucht, welche Chancen und Grenzen sich für die Methode Erlebnispädagogik im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz ergeben. Auch die struktu-rellen Voraussetzungen für die Implementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule werden unter die Lupe genommen. Aus der Aus-gangslage lassen sich die Zielsetzungen und Fragestellungen ableiten.
1.2 Zielsetzungen und Fragestellungen
Die folgenden Zielsetzungen und Fragestellungen prägen den Aufbau der
vorliegenden Arbeit.
Abb. 1: Zielsetzungen, selbst erstellt
TEIL A: 1. EINLEITUNG
Um diese Ziele zu erreichen, gliedert sich die Arbeit nach bestimmten Frage-stellungen. Die Arbeit geht der folgenden, übergeordneten Frage nach:
Welches sind die Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispädagogik im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz?
Um diese Frage beantworten zu können, ergeben sich für das Teilziel I fol-gende Unterfragen:
• Welche theoretischen Ansätze existieren in der Deutschschweiz für
Soziale Arbeit in der Schule?
• Welches sind die Ziele von Sozialer Arbeit in der Schule?
• Welches sind die Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule?
• Welche Rahmenbedingungen und Strukturen sind für die Soziale Ar-
beit in der Schule der Deutschschweiz relevant?
Für das Teilziel II können verschiedene Unterfragen gestellt werden:
• Was wird unter Erlebnispädagogik verstanden?
• Welche Ziele verfolgt die Erlebnispädagogik?
• Welche Wirkung kann Erlebnispädagogik erzielen?
Zuletzt kann für das Teilziel III folgende Unterfrage formuliert werden:
• Welches sind die Rahmenbedingungen und strukturellen Vorausset-
zungen für eine Implementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule der Deutschschweiz?
1.3 Adressatinnen und Adressaten
Die Arbeit richtet sich an die Fachpersonen der Sozialen Arbeit im Allgemei-nen und an die Schulsozialarbeitenden im Speziellen. Sie soll den Dialog so-wie die Professionsentwicklung des neuen Handlungsfeldes Soziale Arbeit in der Schule anregen. Den Erlebnispädagogen und Erlebnispädagoginnen kann mit der vorliegenden Arbeit ein neues Handlungsfeld nähergebracht werden. Selbstverständlich ist diese Arbeit auch für all jene gedacht, die sich für einen der beiden Aspekte interessieren. Speziell für Soziokulturelle Animatoren und Animatorinnen liefert diese Arbeit wertvolle Informationen bezüglich berufsrelevanter Aspekte.
1.4 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in die Einleitung (Teil A), den theoretischen Hauptteil mit den Kapiteln 2 bis 4 (Teil B), in die Verknüpfung der Schwerpunkte des Hauptteils im Kapitel 5 (Teil C) und in den Schlussteil (Teil D) gegliedert. Ausgegangen wird in Kapitel 2 von der Frage, welche theoretischen Ansätze in der Deutschschweiz für das Handlungsfeld der Soziale Arbeit in der Schule existieren. Zuerst werden die historischen Veränderungen der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz beschrieben. Für die weitere Auseinander-setzung mit der Definition und den Zielsetzungen der Sozialen Arbeit in der Schule ist die Vertiefung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule wichtig. Nachdem die Anspruchsgruppen und Zielsetzungen beleuchtet wor-den sind, werden die Arbeitshaltungen und das Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit in der Schule vertieft. Einen Schwerpunkt dieser Arbeit bilden die Funk-tionen Prävention, Früherkennung und Behandlung. Wichtig für die Implemen-tierung von Sozialer Arbeit in die Schule sind die vorherrschenden Rahmen-bedingungen und Strukturen. Ebenso von Bedeutung ist die Wirksamkeit, wel-che die Soziale Arbeit in der Schule erbringt. Zum Schluss des Kapitels wird die Berufsrelevanz für die Soziokulturellen Animation geklärt.
TEIL A: 1. EINLEITUNG
Das dritte Kapitel geht den Fragen des Teilziels II nach, was unter der Metho-de der Erlebnispädagogik verstanden wird, welches die Ziele und die Wirkun-gen der Erlebnispädagogik sind. Auch dieses Kapitel beginnt, um ein umfas-sendes Verständnis von Erlebnispädagogik zu erhalten, mit der historischen Annäherung. Danach wird die Erlebnispädagogik definiert. Die folgenden Un-terkapitel stützen sich auf die ausgewählte Definition. Es folgen die Zielgrup-pen und Ziele der Erlebnispädagogik, die Arbeitshaltungen mit dem Kompe-tenzprofil, sowie die Modelle und die Vertiefung in verschiedene erlebnispäd-agogische Aktivitäten. Ebenso wie im Kapitel zuvor ist die Wirksamkeit der Erlebnispädagogik von Bedeutung. Auch im dritten Kapitel wird die Berufsre-levanz für die Soziokulturellen Animation beleuchtet. Das vierte Kapitel thematisiert das in Deutschland bereits diskutierte und an gewissen Orten schon angewandte Konzept der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule. Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Erlebnispädagogik werden aufgezeigt. Um die Hauptfrage, welches die Chancen und Grenzen der Methode Erleb-nispädagogik im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz sind, aufzuzeigen, werden die Kapitel 2 und 3 (Teil B) im Ka-pitel 5 (Teil C) unter Zuhilfenahme des Vergleiches mit Deutschland (Kapitel 4) verknüpft. Zu Beginn werden die Zielsetzungen und Zielgruppen der Volks-schule, der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik mitein-ander verglichen, um zu eruieren, ob die Erlebnispädagogik als Methode in der Sozialen Arbeit in der Schule angewandt werden kann. Ebenso werden die Arbeitshaltungen verglichen. Die weiteren Unterkapitel thematisieren die Funktionen, die Rahmenbedingungen und Strukturen und die Wirksamkeit. Um die Richtigkeit der Interpretationen beurteilen zu können und um ein rea-les Bild von Erlebnispädagogik als Methode im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule zu erhalten, wurde ein Interview mit Frowin Betschart ge-führt. Frowin Betschart ist Schulsozialarbeiter in der Sekundarschule Hausen am Albis und kann mit den Schülerinnen und Schülern erlebnispädagogisch arbeiten. Das Interview wird im Kapitel 5 unterstützend beigezogen und befin-det sich im Anhang. Der Abschluss des Kapitels 5 bildet das Unterkapitel Chancen und Grenzen der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule und beantwortet somit die zu Beginn der Arbeit gestellte Hauptfrage. Die im Kapitel 5 angeschnittenen Vertiefungen zu Gesundheitsförderung, Er-weiterung des Sozialraums und der Gruppendynamik werden im Kapitel 6 (Teil D) als neue Fragestellungen aufgeworfen, um Anstösse für den Dialog und die Professionsentwicklung des noch neuen Handlungsfeldes Soziale Arbeit in der Schule zu geben. Weiter beinhaltet dieses Kapitel Schlussfolge-rungen für die Soziale Arbeit in der Schule. Die in dieser Arbeit vertieften Inhalte beziehen sich auf die Deutschschweiz. Es lässt sich nicht klar feststellen, welche Autoren sich mit ihrer Literatur auf die ganze Schweiz und welche sich nur auf die Deutschschweiz beziehen. So stützen sich beispielsweise Baier und Heeg (2011) in ihrem Buch „Praxis und Evaluation von Schulsozialarbeit" auf Forschungsdaten aus der Schweiz. Aus welcher Region der Schweiz die evaluierten Standorte stammen, geht aber nicht hervor. Auf dem Portal Schulsozialarbeit.ch werden keine Standorte von Sozialer Arbeit in der Schule in der französischen- oder italienischsprachigen Schweiz aufgeführt.
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER
DEUTSCHSCHWEIZ
Bevor die geschichtliche Entwicklung der Sozialen Ar-beit in der Schule erörtert wird, ist eine Begriffsdefinition notwendig. In der Literatur zur Sozialen Arbeit in der Schule werden keine einheitlichen Begrifflichkeiten verwendet. In der Fachliteratur wird mit Begriffen „Soziale Arbeit in der Schule" oder mit „Schulsozialarbeit" hantiert. Manche Werke bedienen sich gar beider Begriffe. Der Begriff „Schulsozialarbeit" wird dem Handlungsfeld der Schul-sozialarbeitenden nicht gerecht, wie Uri Ziegele (Fach-poolgespräch vom 2. April 2012) feststellt. Er empfiehlt den Begriff „Soziale Arbeit in der Schule", da dieser die drei Teilbereiche der Sozialen Arbeit, die Sozialarbeit, die Sozialpädagogik und die Soziokulturelle Animation impliziert. Daher wird in der ganzen Arbeit der Begriff „Soziale Arbeit in der Schule" verwendet. So wird ge-währleistet, dass der Blickwinkel offen ist und nicht wie beim Begriff „Schulsozialarbeit" der Fokus zu stark auf Behandlung gelegt wird. Zitate werden in der Original-fassung belassen. Wenn in der Arbeit Fachpersonen der Sozialen Arbeit in der Schule erwähnt werden, dann wird der Begriff „Schulsozialarbeitende" verwendet, zum einen weil dies die gängigste Bezeichnung für die Fachpersonen ist, zum anderen weil es der Lesefreundlichkeit dient.
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
2.1 Historische Annäherung
Baier (2011) stellt fest, dass die Soziale Arbeit in der Schule das am schnell-sten wachsende Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe ist (S. 61). Seit Mitte der neunziger Jahre wird an immer mehr Standorten in der Deutsch-schweiz Soziale Arbeit in der Schule praktiziert. In seinem Buch „Die Schulsozialarbeit kommt an!" äussert Urs Vögeli-Mantovani (2005), dass die Vorreiter Sozialer Arbeit in der Schule zwei Pro-jekte bildeten, welche in der Berufsschule Wattwil (1987) und an der Primar-schule Böwisli in Bülach (1998) durchgeführt worden waren (S. 64). In der Bestandesaufnahme der Schulsozialarbeit in der Deutschschweiz erwähnen Esther Christen und Simone Pfeiffer (1999), dass 1998 insgesamt 16 Schul-sozialarbeitprojekte an 34 Standorten durchgeführt wurden (S. 23). Nach Vö-geli-Mantovani (2005) konnten im Jahr 2003 bereits 113 Standorte von Sozia-ler Arbeit in der Schule gezählt werden (S. 67). Baier (2011) schätzte, dass es im Schuljahr 2010/2011 ungefähr 450 Schulsozialarbeitende an etwa 1100 Schulen geben wird (S. 62). Die Gründe für die Einführung von Sozialer Arbeit in der Schule sind vielfältig. Zum einen sind dies nach Christen und Pfeiffer (1999) die durch die Schulre-form entstandenen neuen Anforderungen und Probleme und die Zunahme von komplexen Problematiken wie Suchtmittelkonsum oder Jugendgewalt. Der Umgang mit diesen Thematiken führte bei den Lehrpersonen zu einer zeitli-chen und fachlichen Überlastung. Daher wurde nach einer Möglichkeit ge-sucht, den neuen Herausforderungen zu begegnen. (S. 11) Zudem kann nach Martin Hafen (2005) die Familie immer weniger zur Kinder-erziehung beitragen. Die individualisierten Lebensentwürfe der Eltern und die Verschlechterung der ökonomischen Situation der Familie führen zu Haushal-ten, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind. Die Schule wird vermehrt in ihrer Erziehungssituation gefordert. Da die Politik nicht in der Lage ist, die er-forderlichen Mittel zur Erweiterung des schulischen Arbeitsfeldes zur Verfü-gung zu stellen, sucht die Schule Kontakt zu den Einrichtungen der ausser-schulischen Erziehung wie den Fachbereichen der Sozialen Arbeit. (S. 44-45) Der Anstoss zur Einführung von Sozialer Arbeit in der Schule kann nach Baier (2011) sowohl von den Schulen oder dem Bildungsdepartement, als auch von der Sozialverwaltung kommen. Über die Einführung von Sozialer Arbeit in der Schule wird in der Schweiz auf lokaler Ebene, also auf der Ebene der Ge-meinden entschieden. Dadurch entstehen lokal unterschiedliche Strukturen bezüglich Trägerschaft, Rahmenbedingungen und Praxis. Die Schulpolitik jedoch liegt in der Verantwortung der Kantone. Die grosse Vielfalt von ver-schiedenen Arbeitsbereichen führt zu Diskussionen. Die Soziale Arbeit in der Schule befindet sich zurzeit in einer inhaltlichen Profilierungsphase. (S. 63-65) Diese Phase beinhaltet auch, dass verschiedene Konzepte der Sozialen Ar-beit in der Schule diskutiert werden. Um eine Grundlage für die konzeptionelle Ausrichtung der Definitionen zu schaffen, werden im nächsten Kapitel der Bil-dungs- und Erziehungsauftrag der Schule beleuchtet.
2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule
Die Grundlagen des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schweiz sind in der Bundesverfassung geregelt. So besagt Artikel 61a16 Abs. 1: „Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeit für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz." Für den Bildungs- und Erziehungsauftrag sind laut der BV Art. 62 Abs. 1 die Kantone zuständig. Daher werden diese Ziele im Volksschulgesetz der jewei-ligen Kantone geregelt. Die Ziele der Volksschule der einzelnen Kantone sind vergleichbar. In dieser Arbeit werden die Ziele der Volksschule des Kantons Luzern verwendet.
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Der Paragraph 5 des Gesetzes der Volksschulbildung des Kantons Luzerns gibt Einblick in die Ziele der Volksschule. Der Paragraph befindet sich im An-hang A. Wie im historischen Rückblick beleuchtet, sind die Anforderungen an die Volksschule durch den gesellschaftlichen Wandel und die Schulreform gestie-gen. Dies veranschaulichen die Ziele der Volksschule des Kantons Luzern deutlich. Gemäss Niklas Luhmann (1997) erfüllt die Schule zum einen die Funktion der Erziehung, zum anderen die Funktion der sozialen Selektion (zit. in Hafen, 2005, S. 45). Hafen (2005) ergänzt, dass die Selektion in der Schule vor allem in Form von Noten und Zeugnissen stattfindet. Mit dieser Selektion können die Möglichkeiten für einen späteren Berufseinstieg bei schwachen Schülerinnen und Schülern stark eingeschränkt werden. (S. 45) Obwohl die Schule aufgrund von gesellschaftlichen Erziehungsdefiziten immer mehr die Verantwortung von psychosozialer Erziehung mittragen muss, ist sie gemäss Hafen (2005) nicht bereit, sich auf die Impulse der Disziplinen der Sozialen Arbeit einzulassen. Hafen (2005) hebt drei mögliche Gründe heraus: die Organisationsform der Schule, die Paradoxie von Gleichheit und Un-gleichheit und die Koppelung des Schulsystems mit Politik und Wirtschaft. (S.61-62) In der Organisationsform der Schule werden die Lehrpersonen mit einem Lehrauftrag eingestellt. Die Leistungen der Schüler und Schülerinnen werden direkt der betreuenden Lehrperson zugeschrieben. Daher versuchen sich Lehrpersonen nach aussen abzuschirmen und lassen sich oft nicht nachhaltig von den Anregungen anderer Fachkräfte inspirieren. Zudem haben Lehrper-sonen und die Fachkräfte der Sozialen Arbeit andere Ausbildungen und damit verbunden andere Reflexionstheorien sowie eine andere Entlöhnung, was die Abgrenzungstendenzen verstärkt. Solange die Soziale Arbeit Schülerinnen und Schüler berät, die Probleme haben, welche sich negativ auf die Schullei-stungen auswirken, sind die Lehrpersonen zur Kooperation bereit. Bringt die Soziale Arbeit aber Vorschläge zu Veränderungen in der Schule selbst, zum Beispiel in Form von präventiven Bemühungen, stösst sie auf Widerstand. Das Tagesgeschäft der Lehrpersonen lässt kaum Raum für zusätzliche Sit-zungen, Workshops oder Weiterbildungen. (S. 62-64) Der zweite Grund stellt die Paradoxie von Gleichheit und Ungleichheit dar. Sie bezieht sich auf die beiden unterschiedlichen Funktionen der Schule, die Se-lektion und die Erziehung. Die beiden Funktionen lösen eine Paradoxie aus. Durch die Erziehung soll die Schule Gleichheit schaffen. Durch die Selektion schafft die Schule aber Ungleichheit. Die Lehrpersonen sind der Funktion Er-ziehung auf Grund ihrer pädagogisch-humanistischen Ausbildung zugeneigter als der Funktion Selektion. Lehrkräfte müssen aber laut Lehrplan selektiv handeln und Noten geben. Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Schule über-nehmen auch Erziehungsaufgaben. Sie tangieren damit aber die Erziehungs-arbeit der Lehrpersonen, ohne sich um die Selektionsfunktion der Schule kümmern zu müssen. Dies erschwert die Zusammenarbeit der Lehrpersonen mit der Sozialen Arbeit in der Schule. (S. 64-67) Zuletzt ist das Schulsystem mit dem System der Wirtschaft und der Politik gekoppelt. Die Schule kann ihre Erziehungstätigkeit nicht frei nach pädagogi-schen Grundsätzen gestalten, da sie auch den anderen beiden Systemen verpflichtet ist. Daher erweisen sich Reformen in der Schule als schwierig, auch wenn sie aus pädagogischer Sicht sinnvoll wären. Die Politik muss Haushaltsdefizite jedes Jahr neu legitimieren und Reformen kosten Geld. Ein auf Integration ausgerichtetes Schulsystem ist längerfristig aber kostengünsti-ger als ein Schulsystem, welches die Selektionsfunktion aufrechterhält. Denn in einem Schulsystem mit Selektionsfunktion muss nach der obligatorischen
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Schulpflicht mit Folgekosten aufgrund von Arbeitslosigkeit und Krankheit ge-rechnet werden, für die der Sozialstaat aufkommen muss. (S. 67-68) Die systemische Betrachtung der Schule sowie die Ziele, welche die Volks-schule verfolgt, haben Einfluss auf die Formulierung der verschiedenen Defini-tionen der Sozialen Arbeit in der Schule.
2.3 Definition von Sozialer Arbeit in der Schule
Nun werden die in der Schweiz bekanntesten Definitionen der Sozialen Arbeit in der Schule benannt, um einen Einblick in die Vielfalt der Definitionen zu erhalten. Durch Vergleiche wird die für diese Arbeit optimale Definition her-ausgearbeitet. Die Definition von Sozialer Arbeit in der Schule von Matthias Drilling (2009) wird in der deutschsprachigen Schweiz zurzeit am häufigsten verwendet. Es ist auch die Definition, welche der SchulsozialarbeiterInnen Verband zur Erar-beitung des Berufsbildes der Schulsozialarbeit gewählt hat.
Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe,
das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form koope-
riert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im
Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie be-
friedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen
zur Lösung von persönlichen und/oder sozialen Problemen zu fördern.
Dazu adaptiert Schulsozialarbeit Methoden und Grundsätze der Sozia-
len Arbeit auf das System Schule. (S. 95)
Nach Drilling (2009) ist die Soziale Arbeit in der Schule also ein eigenständi-ges Handlungsfeld, welches mit der Schule kooperiert und die Kinder und Ju-gendlichen als Zielgruppe hat. Die Hauptaufgabe ist die Begleitung im Pro-zess des Erwachsenwerdens und die Unterstützung der Zielgruppe in ihrer Lebensbewältigung. Nach Vögeli-Mantovani (2005) soll die Soziale Arbeit in der Schule die Schule im Bildungs- und Erziehungsauftrag unterstützen. Im Gegensatz zu der Defini-tion von Drilling soll hier die Soziale Arbeit in das System Schule integriert werden.
Schulsozialarbeit ist die organisatorische, kooperative und auf Dauer
angelegte Integration einer zusätzlichen, eigenständigen fachlichen
Kompetenz und Dienstleistung in die Institution Schule, um die Umset-
zung eines umfassend verstandenen Bildungs- und Erziehungsauf-
trags der Schule mit erweiterten, den Problemen und Umständen der
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Lernenden und Heranwachsenden angepassten Mitteln und Aktivitäten
zu unterstützen. (S. 24)
Karsten Speck (2006) vergleicht in seinem Buch „Qualität und Evaluation in der Schulsozialarbeit: Konzepte, Rahmenbedingungen und Wirkungen" ver-schiedene aktuelle Definitionen der Schulsozialarbeit und leitet aus seinen Erkenntnissen eine eigene komplexe Definition ab:
Unter Schulsozialarbeit wird im Folgenden ein Angebot der Jugendhilfe
verstanden, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am
Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich verein-
barten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge
Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen
Entwicklung zu fördern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen
zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und LehrerInnen
bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz
zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen
Umwelt beizutragen. Zu den sozialpädagogischen Angeboten und Hil-
fen der Schulsozialarbeit gehören insbesondere die Beratung und Be-
gleitung von einzelnen SchülerInnen, die sozialpädagogische Grup-
penarbeit, die Zusammenarbeit mit und Beratung der LehrerInnen und
Erziehungsberechtigten, offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitan-
gebote, die Mitwirkung in Unterrichtsprojekten und in schulischen
Gremien sowie die Kooperation und Vernetzung mit dem Gemeinwe-
Auffällig bei dieser Definition ist jedoch, dass Speck bei der Ausformulierung der Definition den Fokus auf Sozialpädagogik legt. Laut Heinz-Hermann Krü-ger (2011) kann unter dieser Disziplin auch die Soziale Arbeit verstanden werden. Unter Sozialpädagogik subsumiert sich in Deutschland sowohl die Armenfürsorge und Sozialarbeit als auch ausserfamiliäre und ausserschuli-sche Erziehung, Jugendhilfe, Heimerziehung, Drogenarbeit und die Unterstüt-zung alter Menschen. (S. 28) Die letztgenannte Definition kommt von Kurt Gschwind und Uri Ziegele (2012a). Laut Gschwind und Ziegele fehlt es der Sozialen Arbeit in der Schule an einer differenzierten Definition. Die folgende Definition legt den Schwer-punkt auf die Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung und
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
versucht, eine Verdeutlichung von relevanten Methoden zu erreichen und ein Kompetenzprofil zu erstellen.
Soziale Arbeit in der Schule ist ein an die Schule strukturell variabel
gekoppeltes, eigenständiges und schulerweiterndes Handlungsfeld der
Sozialen Arbeit, das von beiden professionalisierten und organisierten
Subsystemen der Sozialen Hilfe bzw. Erziehung gemeinsam gesteuert
wird. Sie unterstützt sowohl die (bio)psychosoziale Entwicklung und In-
tegrität als auch die gesellschaftliche Inklusion ihrer Anspruchsgruppen
und wirkt an einer (nachhaltigen) Schulentwicklung mit. Dabei bedient
sich Soziale Arbeit in der Schule lebensweltnah und niederschwellig,
systemischorientiert, partizipativ, ressourcen- und prozessgeleitet in-
nerhalb der (verhaltens- und verhältnisbezogenen) Funktionen Präven-
tion, Früherkennung und Behandlung ihrer personen-, gruppen-, orga-
nisations und sozialraumspezifischen Methoden der Sozialen Arbeit (S.
Diese Definition erscheint im Herbst 2012 in einer Publikation im interact Ver-lag Luzern. In Deutschland ist die Jugendhilfe im Sozialgesetzbuch VIII Art. 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes umfassend geregelt. In der Schweiz existiert kein Gesetz für Jugendhilfe. Zwar sind in der Bundesverfassung Art. 41 Sozialziele definiert. Aus dem Absatz 4 geht jedoch hervor, dass: „(. .) aus den Sozial-zielen keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können". Somit ist Jugendhilfe in der Schweiz, wenn überhaupt, auf kantonaler Ebene geregelt. Dadurch entsteht eine Uneindeutigkeit in der Be-griffswahl, was die Definition von Drilling (2009) und Speck (2006) schwammig und für die Schweiz nicht allgemeingültig macht. Die aktuellste Definition liefert Gschwind und Ziegele (2012a). Aus ihrer Defi-nition lassen sich bereits relevante Methoden und ein Kompetenzprofil ablei-ten. Ihre Definition ist sehr umfassend und wird dem kantonal unterschiedlich geregelten Schulsystem der Schweiz gerecht. Die weitere Arbeit baut daher auf der Definition von Gschwind und Ziegele (2012a) auf.
2.4 Anspruchsgruppen und Zielsetzungen der Sozialen Arbeit
in der Schule
Die Soziale Arbeit in der Schule kennt verschiedene Anspruchsgruppen. Je nach Zielgruppe variieren die erwünschten Ergebnisse und somit auch die Tätigkeiten, welche die Soziale Arbeit in der Schule ausübt. Drilling (2009) unterscheidet sechs verschiedene Zielgruppen. Diese sind die Schülerinnen und Schüler, die Lehrpersonen, die Schule mit all ihren Mitarbei-
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
tenden, die Eltern, Helferorganisationen und die Öffentlichkeit (S. 120-121). Die Zielgruppen von Drilling (2009) entsprechen den Anspruchsgruppen in der Definition von Gschwind und Ziegele (2012a). Anspruchsgruppen sind alle Personen, die in irgendeiner Form mit der Sozialen Arbeit in der Schule in Kontakt kommen können. Gschwind und Ziegele (2012a) verbinden ihre Definition zugleich mit einer Zielsetzung: „Sie [Soziale Arbeit in der Schule] unterstützt sowohl die (bio)psychosoziale Entwicklung und Integrität als auch die gesellschaftliche Inklusion ihrer Anspruchsgruppen (. .)" (S. 1). Diese Definition beinhaltet in sehr prägnanter Form alle Punkte, die Drilling auf die verschiedenen Zielgrup-pen projiziert. Dadurch, dass Gschwind und Ziegele (2012a) den Begriff „An-spruchsgruppen" verwenden, ermöglichen sie den Schulsozialarbeitenden einen offenen Handlungsspielraum, ohne sie bereits in der Definition auf eine bestimmte Zielgruppe einzuschränken. Um ein konkretes Bild von den Zielgruppen der Sozialen Arbeit in der Schule zu erhalten, wird der Begriff „Anspruchsgruppen" auf die Zielgruppen und Ziel-setzungen von Drilling (2009) heruntergebrochen. Drilling spricht bei seinen Zielgruppen von Eltern. Der Begriff „Erziehungsbe-rechtigte" ist jedoch viel umfassender. Laut dem Gesetz der Volksschulbildung des Kanton Luzern Paragraph 18 sind Erziehungsberechtigte: „(. .) Eltern und andere Personen, die nach Massgabe des Schweizerischen Zivilgesetz-buchs berechtigt sind, Kinder bei Entscheiden in schulischen Belangen zu vertreten". Aus den verschiedenen Anspruchsgruppen ergeben sich nach Drilling (2009) folgende Zielsetzungen:
• Zielsetzungen für Schüler und Schülerinnen
Die Soziale Arbeit in der Schule fördert die individuelle und soziale Entwicklung der Persönlichkeit. Die Soziale Arbeit in der Schule stärkt und unterstützt die Problemlö-sungs- und Sozialkompetenz der Schülerinnen und Schüler. Die Soziale Arbeit in der Schule unterstützt die Schüler und Schülerin-nen im Konfliktfall und in Krisensituationen.
• Zielsetzungen für Lehrpersonen
Die Soziale Arbeit in der Schule unterstützt die Lehrpersonen im Kon-fliktfall und in der Präventionsarbeit.
• Zielsetzungen für die Schule
Die Soziale Arbeit in der Schule leistet einen Beitrag zur Förderung ei-ner positiven Schulhauskultur.
• Zielsetzungen für Erziehungsberechtigte
Die Soziale Arbeit in der Schule unterstützt die Erziehungsberechtigten in Krisensituationen.
• Zielsetzungen für Helferorganisationen
Die Soziale Arbeit in der Schule arbeitet mit Helferorganisationen zu-sammen oder vermittelt Schülerinnen und Schülern bei Bedarf an Hel-ferorganisationen weiter.
• Zielsetzungen für die Öffentlichkeit
Die Soziale Arbeit in der Schule informiert die Öffentlichkeit periodisch
über ihre Dienstleistungen und Tätigkeiten. (Drilling, 2009, S. 120-121)
Aus der Definition, den genannten Zielen und den verschiedenen Anspruchs-gruppen lassen sich Arbeitshaltungen der Sozialen Arbeit in der Schule ablei-ten.
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
2.5 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil
Drilling (2009) betont, dass um Hilfestellungen anbieten zu können, der Auf-bau einer Beziehung zwischen der Sozialen Arbeit in der Schule und den An-spruchsgruppen die Grundlage bildet (S. 107). Um eine solche Beziehung aufbauen zu können, sind verschiedene Arbeits-haltungen wichtig. Laut Gschwind und Ziegele (2012a) „(. .) bedient sich Soziale Arbeit in der Schule lebensweltnah und niederschwellig, systemorientiert, partizipativ, res-sourcen- und prozessgeleitet innerhalb der (verhaltens- und verhältnisbezo-genen) Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung (. .)" (S. 1). Was unter lebensweltnah, systemorientiert, partizipativ, ressourcen- und pro-zessgeleitet im Kontext der Sozialen Arbeit in der Schule verstanden wird, erklären die nächsten Abschnitte. Lebensweltnah bedeutet nach Klaus Grunwald und Hans Thiersch (2005), dass sich die Soziale Arbeit in der Schule an ihren Adressaten und Adressa-tinnen orientiert, die alle individuell sind, verschiedene Handlungsmuster mit-bringen und durch unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen geprägt sind. Dadurch können die Lebensweltmöglichkeiten und Schwierigkeiten, wie sie mit Alltag erfahren werden, von der Sozialen Arbeit in der Schule ganzheit-lich erkannt werden. (S. 1136) Schülerinnen und Schüler meldeten bei der Evaluation der Schulsozialarbeit von Baier und Heeg (2011) zurück, dass sie es als positiv empfinden, wenn die Schulsozialarbeitenden in den Pausen anwesend sind. Für die Schüler-schaft ist es so viel einfacher, mit den Schulsozialarbeitenden in Kontakt zu kommen. Diese formlose Kontaktpflege fördert den Abbau von Schwellen ebenso, wie im Schulhaus räumlich integriert und schnell verfügbar zu sein. (S. 94-96) Ziel einer niederschwelligen Sozialen Arbeit in der Schule ist es also, die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme gering zu halten. Gemäss Drilling (2009) soll das Denken der Schulsozialarbeitenden system-orientiert und nicht ausschliesslich auf das Individuum bezogen sein. Ziel der Sozialen Arbeit in der Schule ist es, sich förderlich mit den Systemen Familie und Schule auseinanderzusetzen und sie in ihre Arbeit einzubinden (S. 111-112). Vögeli-Mantovani (2005) stellt dazu fest, dass es wichtig ist, bei der Su-che nach Lösungen immer auch andere Rollenträger und -trägerinnen im Sy-stem, wie Eltern, Lehrpersonen oder Schulkameraden und -kameradinnen zu berücksichtigen. Das Umfeld der Einzelnen soll für eine tragfähige Lösung in den Prozess mit einbezogen werden (S. 33). Das Lexikon der Sozialpolitik definiert Partizipation als „(. .) Teilnahme einer Person oder Gruppe an Entscheidungsprozessen oder an Handlungsabläufen, die in übergeordneter Struktur stattfinden" (Christoph Rehmann-Sutter, 2003, S. 222). Nach Maria Lüttringhaus (2000) beginnt Partizipation bereits auf der Stufe der Information. Weitere Stufen sind die Mitwirkung in Form von Mit-sprache oder Mitarbeit, der Mitentscheid und die Selbstverwaltung (S. 44). Ziel der Sozialen Arbeit in der Schule ist es also, ihre Anspruchsgruppen an Entscheidungen und Prozessen auf unterschiedlichen Partizipationsstufen teilhaben zu lassen. Eine wichtige Arbeitshaltung nach Drilling (2009) ist es, die Fähigkeiten und Ressourcen der Schülerinnen und Schüler zu erkennen. Die schulischen Lei-stungen sind in einem Setting der Sozialen Arbeit in der Schule nicht von Be-deutung. Wichtig ist es den Lern- und Leistungsort Schule zu einem Lebens-
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
und Erfahrungsraum zu erweitern, in dem die Stärken der Anspruchsgruppen hervorgehoben und erst in zweiter Linie die bestehenden Probleme angegan-gen werden. So erleben die Anspruchsgruppen und vor allem die Heranwach-senden ihre positiven Seiten und können ihr Selbstwertgefühl stärken. (S. 106-107) Der Grund des Erstkontaktes mit der Sozialen Arbeit in der Schule ist meist nicht derselbe wie in weiterführenden Beratungsgesprächen. Um den wahren Beweggrund für den Erstkontakt zu erkennen, braucht es viel Fingerspitzen-gefühl und viel Zeit. Verhaltensänderungen können nicht in Kürze gesche-hen.1 Daher ist bei Beratungen der Sozialen Arbeit in der Schule nicht das Ergebnis zentral sondern der Prozess. (S. 108-109) Der SchulsozialarbeiterInnen Verband und der Berufsverband der Sozialarbei-tenden Avenir Social (2010a) haben konkrete Vorstellungen, mit welchen Kompetenzen und Grundlagen Schulsozialarbeitende ausgestattet sein müs-sen, um im Handlungsfeld Soziale Arbeit in der Schule professionell agieren und die entsprechenden Arbeitshaltungen umsetzen zu können. Schulsozial-arbeitende müssen einen Abschluss in Sozialer Arbeit auf Tertiärstufe nach-weisen können, zudem sollten sie bereits über Berufserfahrung in der Sozia-len Arbeit verfügen. Sie sollten Erfahrung im Umgang mit Kindern und Ju-gendlichen sowie eine spezifische Weiterbildung in der Beratung mitbringen. Zudem sollten Schulsozialarbeitende über folgende weitere Berufskompeten-zen verfügen: Erfahrung im Bereich Prävention, Erfahrung in Kriseninterven-tionen, Erfahrung in Projektarbeit, Wissen im Kinder- und Jugendschutz, Er-fahrung in interkultureller Arbeit sowie Kenntnisse über die vorliegende Bil-dungslandschaft. (S. 4) Die Arbeitshaltungen werden in den grundlegenden Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule umgesetzt. Diese sind die personen-, gruppen-, organisa-tions- und sozialraumspezifischen Methoden. Nach Gschwind und Ziegele (2012a) orientieren sich die Arbeitshaltungen und Methoden entlang der Funk-tionen Prävention, Früherkennung und Behandlung. Auf diese wird im folgen-den Unterkapitel näher eingegangen.
2.6 Funktionen und Methoden in der Sozialen Arbeit in der
Laut Gschwind und Ziegele (2010) gibt es in der Sozialen Arbeit in der Schule drei relevante Funktionen, welche sich auf einem Kontinuum von Prävention, Früherkennung und Behandlung bewegen. Abb. 2: Kontinuum Prävention, Früherkennung, Behandlung (Gschwind & Ziegele, 2010, S.12), abgeändert
1 vgl. Transtheoretisches Modell von James O. Prochaska in Knoll, Nina; Scholz, Urte & Rieckmann, Nina (2005). Einführung in die Gesundheitspsychologie. München: Ernst Reinhardt Verlag. Laut Prochaska kommt eine Person nach sechs Monaten in das Stadium des Aufrechterhaltens der neuen Verhaltensweise. Aber erst nach fünf Jahren besteht kein Verlangen mehr das alte Verhaltensmuster wieder auszuüben. (S. 54-56)
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Von Behandlung wird gesprochen, wenn ein aktuelles Problem durch Inter-ventionsversuche behoben, entschärft oder minimiert wird. Unter Prävention wird eine Ursachenbehandlung verstanden, die versucht, mögliche, zukünftige Probleme bei nicht definierten Personen zu verhindern. (S. 12-13) Unter Be-handlung wird in dieser Arbeit nicht eine Behandlung im medizinischen Sinne, sondern eine Behandlung mit dem zentralen Aspekt der Problembehandlung verstanden. Gschwind und Ziegele (2010) nehmen zur Beschreibung der Abgrenzung der beiden Begriffe ein Beispiel zur Hilfe. So sind gleich wie bei der Gesundheit und Krankheit auch die Prävention und Behandlung keine sich ausschliessen-den Funktionen. Vielmehr bewegen sie sich auf einem Kontinuum, was be-deutet, dass jede Behandlung auch präventive Wirkungen und jede Präventi-on auch immer behandelnde Aspekte beinhaltet. (S. 13) Zu den zwei Funktionen Prävention und Behandlung kommt noch die Früher-kennung als Metafunktion dazu. Gschwind und Ziegele (2010) verstehen unter Früherkennung das Strukturieren und Systematisieren von sozialen Beobach-tungen in einem sozialen System (S. 13). Martina Helfenstein, Karin Krieg und Colette Mettler (2008) gehen in ihrer Bestandesaufnahme der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz davon aus, dass viele Stellen der Sozialen Arbeit in der Schule Prävention, Früherkennung und Behandlung in ihren Konzepten erwähnen und Lehrpersonen wie auch Sozialarbeitende sich eine gleichwertige Aufteilung der drei Funktionen wünschen. Dennoch nehmen heutzutage noch immer die individuelle Beratung und die interdisziplinäre Fallarbeit den grössten Teil des Arbeitspensums ein. (S. 39) Die Bestandes-aufnahme stützt sich auf 231 ausgefüllte Fragebogen von Schulsozialarbei-tenden aus der Deutschschweiz. Kurt Gschwind, Pia Gabriel-Schärer und Martin Hafen (2008) merken zusätz-lich an, dass die Schulen ihre Probleme mit einer rein behandelnden Form von Sozialer Arbeit in der Schule nicht nachhaltig in den Griff bekommen. Die Gründe für die Probleme der Schulen sind weit vielschichtiger, als dass sie nur bei der Schülerschaft und/oder ihren Eltern liegen. Vielmehr sind die Ur-sachen bei der Organisation Schule und ihrem System selbst zu suchen.2 (S. 45) Im Verlaufe dieses Unterkapitels werden nun die drei Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung nach Hafen (2007) genauer erörtert, um im Kapitel 5 die Möglichkeiten für erlebnispädagogisches Handeln in den einzel-nen Funktionen aufzuzeigen. Um einen ersten Überblick zu schaffen, werden die verwendeten Begriffe in einer Tabelle dargestellt (S. 85). Abb. 3: Die Begrifflichkeiten der Prävention (Hafen, 2007, S.85)
2 vgl. Kapitel 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Hafen (2007) geht davon aus, dass insbesondere die Unterscheidung in Pri-märprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention nach Gerald Ca-plan (1964) und die Unterscheidung in universelle, selektive und indizierte Prävention nach Robert Gordon (1987) relevant sind (S. 76). Für Hafen (2007) sind diese Begrifflichkeiten aber zu wenig treffend, worauf er eine Neudefinie-rung vorschlägt. In dieser verzichtet er auf die Unterscheidungskette nach Caplan (1964) und Gordon (1987) und spricht nur noch von den drei Funktio-nen Prävention, Früherkennung und Behandlung. (S. 83-84) Aufgrund dieser neueren Begriffsdefinition und der weitgehenden Übereinstimmung mit den von Ziegele und Gschwind (2010) verwendeten Begrifflichkeiten, werden die Begriffe nach Caplan (1964) und Gordon (1987) nicht weiter thematisiert.
2.6.1 Prävention
Unter Prävention versteht Hafen (2007) die Verhinderung eines zukünftigen
Problems. Dabei gibt sich die Prävention auf der funktionalen Ebene die para-
doxe Aufgabe, noch nicht vorhandene Probleme zu verhindern. Auf der opera-
tionalen Ebene sucht die Prävention nach Einflussfaktoren, um zukünftige
Probleme zu erkennen und diese anzugehen. (S. 61)
Im Gegensatz zur Behandlung, bei der sich ein gesellschaftlich unerwünschter
Zustand verfestigt hat und durch Interventionsversuche in einen erwünschten
Zustand überführt oder zumindest eine Verschlimmerung verhindert werden
soll, wird bei der Prävention der momentane Zustand als positiv wahrgenom-
men. Die Intervention soll bewirken, dass dieser Zustand so erhalten bleibt.
Dies macht die ganze Paradoxie der Prävention deutlich. Es geht also darum,
einen im Moment als positiv beurteilten Zustand so zu beeinflussen oder zu
verändern, dass er auch in Zukunft positiv bleibt. Um dieses Paradoxum auf-
zulösen, werden für die gegenwärtige Situation Risikofaktoren und/oder feh-
lende Schutzfaktoren für die zu verhindernden Probleme bestimmt. (S. 62-63)
Mit Risikofaktoren sind an dieser Stelle Faktoren gemeint, welche die Auftre-
tenswahrscheinlichkeit von Störungen begünstigen. Risikofaktoren können
zum Beispiel sozioökonomische Faktoren, familiäre Belastungen oder geneti-
sche Dispositionen sein. Schutzfaktoren vermindern im Gegensatz zu Risiko-
faktoren die Auftretenswahrscheinlichkeit von Störungen. Sie stärken Res-
sourcen, beziehungsweise ermöglichen deren Aneignung. Beispiele für
Schutzfaktoren können ein positives Selbstbewusstsein, ein gutes Sozialver-
halten, aktive Stressbewältigung oder auch stabile Beziehungen zu Bezugs-
personen sowie familiärer Zusammenhalt sein. (Mareike Grünbeck, 2009, S.7)
Eine Aufgabe der Schule ist es, eine positive Lernatmosphäre zu schaffen.
Dafür müssen Probleme angegangen oder verhindert werden. Deshalb geht
es im Kontext der Schule in Bezug auf diese Aufgabe vor allem darum,
Schutzfaktoren zu stärken und Risikofaktoren zu beseitigen. Aufgrund der
hohen Relevanz von sozialen Einflussfaktoren, wie beispielsweise dem Schul-
klima oder der Art des Unterrichtens, darf sich eine nachhaltige Prävention
allerdings nicht darauf beschränken, gelegentliche gesundheitsfördernde Tage
oder Informationslektionen zum Thema Suchtmittel oder Gewalt durchzufüh-
ren. Die Prävention muss auch wesentlichen Einfluss auf das System Schule
und dessen sozialen Strukturen nehmen. (Gschwind et al., 2008, S. 45) Hafen
(2007) merkt an, dass es wichtig ist, herauszufinden, ob sich präventive Aktivi-
täten direkt an die Personen richten, bei denen ein bestimmtes Problem ver-
hindert werden soll oder ob mit den präventiven Aktivitäten das soziale Sy-
stem so verändert wird, dass eine gesundheitsförderliche Umwelt entsteht (S.
195). Dieses Beispiel bezeichnet die Unterscheidung von Verhaltens- bezie-
hungsweise Verhältnisprävention.
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Verhaltensprävention
Gemäss Gschwind und Ziegele (2010) sind mit personenorientierten,
verhaltenspräventiven Massnahmen Interventionen gemeint, die allfäl-
lige Problemursachen direkt bei der Zielgruppe anzugehen versuchen
(S. 13). Nach Hafen (2007) ist mit Verhaltensprävention gemeint, dass
„(. .) mit den präventiven Massnahmen versucht wird, bei bestimmten
Individuen (der Zielgruppe) gewisse Verhaltensweisen wie Rauchen,
Gewalt oder Suizid zu verhindern" (S.195). Mit Präventionsmassnah-
men wird beim Individuum eine Irritation erzeugt. Verhaltensänderun-
gen können nur durch eine Irritation des psychischen Systems des In-
dividuums ausgelöst werden. Weil das psychische System eines Indi-
viduums in der Systemtheorie als eigenständig gilt, kann es sich folg-
lich nur selber irritieren. Verhaltensprävention kann also einzig versu-
chen, Anlass für eine Eigenirritation zu bieten.
Im Gegensatz zur behandelnden Intervention, bei welcher ein Problem
bekannt ist, werden in der Prävention Risiko- oder Schutzfaktoren für
eine Zielgruppe bestimmt, um so das Problem adressierbar zu ma-
chen. Unklar dabei ist aber, ob das einzelne Individuum ein mögliches
Problem überhaupt entwickeln wird. Das heisst, dass die Anspruchs-
gruppen nicht trennscharf definiert sind und somit Risikogruppen be-
stimmt werden müssen. (S. 197-201)
Verhältnisprävention
Laut Gschwind und Ziegele (2010) sind mit Verhältnisprävention im
Kontext der Schule settingorientierte Massnahmen gemeint, die sich
an die Umwelt, sprich an die sozialen Systeme der Lebenswelt der
Zielgruppe richten (S. 13). Nach Hafen (2007) umfasst die Verhältnis-
prävention soziale Strukturen, welche in Zusammenhang mit dem Pro-
blem gestellt werden und so durch präventive Massnahmen verändert
werden sollen. Es geht also um die Stärkung von Schutzfaktoren und
die Verminderung von Risikofaktoren in einem sozialen System. Auch
hier kann die Ursachenbehandlung nicht direkt erfolgen. Es können nur
Irritationsanlässe bereitgestellt werden, von denen man sich erhofft,
dass sie eine Eigenirritation auslösen. (S. 201-202)
2.6.2 Früherkennung
Gemäss Hafen (2007) geht es bei der Früherkennung darum, Massnahmen
zu ergreifen, um Anzeichen für ein zu verhinderndes Problem in ihrem An-
fangsstadium zu erkennen, um die Wirkungschancen der folgenden Behand-
lung zu vergrössern. So ist beispielsweise die wachsende verbale Aggression
eines Jugendlichen als Hinweis für drohende Gewaltanwendung zu beobach-
ten. Die Früherkennung ist somit eine diagnostische Massnahme, die „Fälle"
von „nicht-Fällen" unterscheidet. Die Aufdeckung eines Falles führt zwangs-
läufig zur Frühbehandlung. Das heisst konkret, es werden Beobachtungen
gemacht. Wird ein Problem erkannt, kommt es zur Frühbehandlung (Seite der
Behandlung). Wird kein Problem erkannt, gibt es keine weiteren behandeln-
den Massnahmen. Ist der momentane Zustand wünschenswert, soll er so bei-
behalten werden und zieht somit präventive Massnahmen nach sich. Die
Früherkennung wird weder der Prävention, noch der Behandlung zugeordnet,
sondern als Metafunktion auf einem Kontinuum beschrieben. (S. 70-71)3
Früherkennung zielt laut Gschwind und Ziegele (2010) im Kontext Schule auf
eine Strukturierung von Beobachtungen in einem sozialen System ab. Diese
kann auf den Ebenen der Beobachtung, des Austausches der Beobachtungen
3 vgl. Abbildung 2
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
sowie dem Einleiten von früh behandelnden Massnahmen eine Systematisie-rung leisten. (S. 13) Zentral ist laut Gschwind et al. (2008) deshalb eine Sensibilisierung der betei-ligten Personen und vor allem der Lehrpersonen. Wichtig ist die Einrichtung von Kommunikationsgefässen und eine Klärung der Faktoren, auf die bei den Beobachtungen geachtet werden muss (z.B. Regelverstösse, respektloser Umgang, sinkende Schulleistungen, etc.). (S. 45) Grundsätzlich lässt sich durch Gschwind und Ziegele (2010) festhalten, dass Früherkennung im Kon-text Schule vor allem durch die Lehrpersonen durchgeführt werden soll, da sie am Häufigsten mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt stehen und so zusätzlich Verantwortung abgeben können. Wichtig dabei ist auch, dass sich die bei der Früherkennung beteiligten Fachpersonen im Klaren sind, dass die Systematisierung und der Austausch von Beobachtungen bedürfnis- und res-sourcenorientiert sein sollen und keine Stigmatisierung der Zielgruppe erfol-gen darf. (S. 14) Laut Charlotte Kläusler-Senn und Sibylle Brunner (2008) ist das Ziel der Früh-erkennung die „(. .) Entwicklungsförderung unter Einbezug des Umfeldes" (S. 23). Zielgruppen können laut Kläusler-Senn und Brunner (2008) gefährdete Jugendliche und ihnen nahe stehende Personen, zum Beispiel die Eltern sein. Ein Vorteil von Früherkennung ist der zielgerichtete Einsatz von Ressourcen, verbunden mit der Möglichkeit nach frühen, geeigneten Behandlungen. Wich-tig ist, wie oben erwähnt, eine Stigmatisierung zu vermeiden, einen von Ach-tung und Würde geprägten Umgang mit der Zielgruppe und dessen Umfeld zu finden und den Schutz der Persönlichkeit zu gewährleisten. (S. 23)
2.6.3 Behandlung
Zentraler Handlungsansatz der Sozialen Arbeit in der Schule ist laut Gschwind
und Ziegele (2010) in der Behandlungsfunktion noch immer die individuelle
Beratung und Begleitung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Lehr-
personen. Dabei soll der Handlungsspielraum der Anspruchsgruppen mit spe-
zifischen Gesprächstechniken und einer neutralen, respektvollen und offenen
Haltung erweitert werden. Es soll ressourcen- und lösungsorientiert gehandelt
werden. (S. 15)
Hafen (2007) versteht unter dem Begriff Behandlung das Beheben eines ma-
nifesten, gegenwärtigen Problems. Dieses soll durch eine Intervention beho-
ben oder entschärft werden oder zumindest gleich bleiben. Im Kontext der
Sozialen Arbeit ist es wichtig zu verstehen, dass der Behandlungsbegriff in der
Regel für Probleme eingesetzt wird, die einer negativen gesellschaftlichen
Bewertung unterliegen. (S. 57-58) Den Begriff Intervention versteht Hafen als
Versuch, kommunikativ in Denkprozesse einzugreifen, um Veränderungen in
einem System zu bewirken. (S. 29)
Gemäss Gschwind und Ziegele (2010) ist die Einzel(fall)hilfe noch immer eine
der wichtigsten Methoden in der Sozialen Arbeit in der Schule. Das heisst,
dass Schulsozialarbeitende einzelne Kinder, Jugendliche, Erziehungsberech-
tigte aber auch Lehrpersonen in individuellen Problemlagen beraten, begleiten
und unterstützen. Dies geschieht, indem sie systemische Lösungsprozesse
unterstützen oder gegebenenfalls an andere Fachstellen weiterleiten. Mittels
sozialpädagogischer Gruppenarbeit und durch vielfältige Interaktionen kann in
Schulklassen das Wohlbefinden der Schülerschaft gesteigert werden, wobei
auch andere soziale Gegebenheiten thematisiert werden können. Dadurch
und durch einen hohen Partizipationsgrad können zudem die Selbst- und So-
zialkompetenz gefördert werden. (S. 14) Hierbei sollen laut Hans Pfaffenber-
ger (2007) Grundwerte und Ziele wie Selbstbestimmung, Selbsterfahrung,
Selbstverwirklichung, Emanzipation, Mündigkeit, Partizipation und Demokrati-
sierung Einzug finden (zit. in Astrid Hedtke-Becker & Jochen Peter, 2009,
S.182).
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
In Bezug auf die Beratung der Anspruchsgruppen ist es wichtig, adressaten-gerechte und der Situation angemessene Arbeitsmethoden beziehungsweise Gesprächstechniken zu verwenden. So können beispielsweise Lehrpersonen nicht gleich wie Kinder oder Jugendliche beraten werden. Auch können Erzie-hungsberechtigte nicht gleich wie Lehrpersonen beraten und unterstützt wer-den. Deshalb muss laut Sabine Ader und Ursula Tölle (2011) eine Beratung situationsadäquat stattfinden. Bei einer Einzelfallberatung in einer familiären Belastungssituation muss methodisch anders vorgegangen werden, als wenn mit Jugendlichen ein Projekt zur Stärkung sozialer Kompetenzen geplant wird. Wichtig dabei sind die Grundhaltungen der beratenden Person. Immer wieder erwähnt wird die personenbezogene, non-direktive Gesprächsführung nach Carl Rogers (1942). Die drei Aspekte Echtheit, Empathie und Akzeptanz ma-chen eine professionell beratende Person aus. Zudem sind neben fachlichen Leitlinien immer auch das persönliche Menschenbild, die selbst definierte Rol-le und der Status, welcher der Zielgruppe zugerechnete wird, entscheidend für eine gelingende Beratung. (S. 213) Im Folgenden wird eine Übersicht über mögliche Beratungsformen und -settings im System der Schule zur Veran-schaulichung bereitgestellt, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Bera-tungsformen der Schulsozialarbeitenden gelegt werden soll.
Abb. 4: Beratungsformen und -settings (Ader & Tölle, 2011, S. 207)
2.6.4 Methodenvielfalt anhand der Funktionen
Wie im Abschnitt 2.6.3 Behandlung beschrieben, sind die Einzel(fall)hilfe und
die soziale Gruppenarbeit immer noch zwei der klassischen Methoden der
Sozialen Arbeit. Die Dritte ist die Gemeinwesenarbeit.
In der Gemeinwesenarbeit wird in Zusammenarbeit mit Betroffenen versucht,
die Lebensqualität in einem Gemeinwesen zu steigern und die bestehenden
Probleme vorzubeugen. Durch Mitwirkung setzt sich die Bevölkerung des
Gemeinwesens selber für die Verbesserung ihrer Lebensqualität ein (Lüttring-
haus, 2001, S. 263). Diese drei klassischen Methoden können nach Gschwind
und Ziegele (2012b) in der Sozialen Arbeit in der Schule entlang der drei
Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung auf personen-, grup-
pen-, organisations- und sozialraumbezogene Methoden aufgebrochen wer-
den. Dies ergibt ein vielfältiges Methodenrepertoire. Die folgende
Grafik soll veranschaulichen, wie viele verschiede Handlungsmethoden in der
jeweiligen Funktion angewandt werden können. Die Methoden wurden der
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Methodenmatrix von Gschwind und Ziegele (2012c) entnommen, welche sich zur Ansicht im Anhang B befindet.
Abb. 5: Verknüpfung Kontinuum und Methodenmatrix (Gschwind & Ziegele, 2012c, S. 1-2), selbst erstellt Neben dem vielfältigen Methodenrepertoire gibt es laut Gschwind und Ziegele (2012b) Schlüsselmethoden zu berücksichtigen. Dies sind die Situationsana-lyse, Hypothesenbildung, zielorientierte Konzeption und Methodenwahl sowie Evaluation (S.1). Diese Schlüsselmethoden lassen sich durch die Arbeitshaltung der Prozess-orientierung in der Sozialen Arbeit in der Schule begründen. Da in einer Bera-tung nicht das Ergebnis zentral ist, sondern der Prozess, braucht es die Schlüsselmethoden, um diesen Prozess zu ermöglichen. Ein konkretes Mo-dell, welches zur Hilfe gezogen werden kann, um einen solchen Prozess ent-lang der Schlüsselmethoden zu planen, ist das Luzerner Phasenmodell der allgemeinen normativen Handlungstheorien. Dieses Modell befindet sich zur Einsicht im Anhang C. Die Soziale Arbeit in der Schule sollte sich stetig auf dem Kontinuum von Prä-vention, Früherkennung und Behandlung bewegen. In der heutigen Praxis, in welcher der Fokus noch immer auf der Behandlung liegt, ist es wichtig eine Verschiebung in Richtung Prävention zu erreichen.
2.7 Rahmenbedingungen und Strukturen
Um erfolgreich Soziale Arbeit in der Schule zu betreiben, braucht es verschie-dene Rahmenbedingungen und Strukturen, welche in diesem Unterkapitel aufgezeigt werden. Dabei werden Aspekte wie die Trägerschaft, finanzielle und personelle Voraussetzungen, die Vernetzung und Kooperation mit ande-ren Gremien aber auch die Kooperationsmodelle der Schule mit der Sozialen Arbeit beschrieben.
2.7.1 Trägermodelle
Laut Vögeli-Mantovani (2005) gibt es drei Trägermodelle der Sozialen Arbeit
in der Schule. (S. 37-38) Diese sind, ergänzt durch Helfenstein et al. (2008),
erstens die Schulgemeinde und Schulleitung, zweitens die Jugendsekretariate
und die Abteilung Soziales der Gemeinde sowie drittens freie, gemischte Trä-
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
ger und die Vormundschaftsbehörden. (S. 22) Grundsätzlich sind alle Träger-schaften möglich und auch erprobt, wobei jedes Trägermodell Vor- und Nachteile hat. So ist laut Vögeli-Mantovani (2005) beim Trägermodell durch die Schulinstanz die Soziale Arbeit in der Schule strategisch, wie auch operativ, von der Schule abhängig. Dies bewährt sich nur so lange, bis Unstimmigkeiten, Interessens- und andere Konflikte auftauchen. In diesem Moment stehen sich durch die Subordination der Sozialen Arbeit unter die Schule zwei ungleiche Konflikt-partner gegenüber. (S. 37) Dass dieses Modell von den Schulsozialarbeiten-den wenig bevorzugt wird, zeigt auch die Studie von Helfenstein et al. (2008). In dieser wird aufgezeigt, dass nur rund die Hälfte aller von der Schule ange-stellten Schulsozialarbeitenden mit diesem Modell zufrieden sind. Die meisten würden sich zumindest eine fachliche Begleitung einer anderen Behörde wün-schen. Trotzdem ist dies immer noch das meist angewandte Modell in der Schweiz. (S.24) Im Trägermodell durch die Jugendsekretariate oder die Abteilung Soziales der Gemeinde besteht laut Vögeli-Mantovani (2005) die Schwierigkeit darin, ein geeignetes Kooperationsmodell zu finden. Diese werden im anschliessenden Unterkapitel behandelt. Allerdings bietet diese Art der Trägerschaft den Vor-teil, dass sich zwei gleich starke Partner gegenüberstehen. Durch die fachli-che und institutionelle Rückendeckung, welche die Soziale Arbeit in der Schu-le in diesem Modell erhält, wird auch einer Vereinnahmung durch die Schule entgegengewirkt. Zudem erhalten die Schulsozialarbeitenden hier eine fachli-che, unabhängige Begleitung durch die Sozialbehörde oder die Jugendsekre-tariate. (S. 38) Helfenstein et al. (2008) merken dazu an, dass dieses Träger-schaftsmodell ebenfalls oft Anwendung findet, im Gegensatz zum schulischen Träger jedoch von den Schulsozialarbeitenden bevorzugt wird. So geben rund 90% der in diesem Modell tätigen die Schulsozialarbeitenden an, mit diesem Trägermodell zufrieden zu sein. Die gemischte Trägerschaft oder die Trägerschaft durch andere Institutionen ist in der Schweiz laut Vögeli-Mantovani (2005) ebenfalls sehr verbreitet, dies aufgrund des noch neuen Arbeitsfeldes. Dieses Modell kommt vor allem bei Einführungsprojekten zum Zug, da bereits zu einem frühen Zeitpunkt alle wichtigen Träger integriert sind. (S. 38) Allerdings ist die Zufriedenheit mit die-sem Modell gemäss Helfenstein et al. (2008) nur bei etwas mehr als einem Drittel der Schulsozialarbeitenden. Ebenfalls wünscht sich fast ein Drittel einen Wechsel zu einem anderen Träger, meist zur Sozialbehörde. Rund ein Drittel, der an der Studie Teilnehmenden konnten diese Frage nicht beantworten. Hierbei ist aber auffällig, dass sich niemand für einen Wechsel zur Vormund-schaftsbehörde ausgesprochen hat. So haben auch von den zwölf bei der Vormundschaftsbehörde angestellten Schulsozialarbeitenden zehn ausge-sagt, dass sie mit dem bestehenden System unzufrieden sind. (S. 25) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die meisten Schulsozial-arbeitenden von der Sozialbehörde getragen werden möchten. Dabei kann eine administrative Anstellung bei der Schule vorteilhaft sein, wobei die fachli-che Begleitung durch die Sozialbehörde oder externe Fachstellen gewährlei-stet werden sollte. (Helfenstein et al. 2008, S. 25) Baier und Heeg (2011) be-stätigen dies mit der Begründung, dass diese Art der Trägerschaft am besten mit der fachlichen Herkunft übereinstimmt. Allerdings gibt es die „richtige" Trä-gerschaft nicht, denn eine gute Steuerung hängt nicht primär von der Struktur, sondern viel mehr von der Qualität ab. Es geht also nicht primär um das Trä-germodell, sondern vor allem um die Trägerkompetenz. Diese ist in jedem Trägermodell unterschiedlich gegeben und muss dem jeweiligen Standort der Sozialen Arbeit in der Schule angepasst werden. (S. 37-38)
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule
Abgeleitet von den möglichen Trägermodellen werden hier die Möglichkeiten
der Kooperation von Schule und Sozialer Arbeit aufgezeigt. Hafen (2005) stellt
dazu fest, dass in den letzten Jahren das Bedürfnis nach einem Engagement
der Sozialen Arbeit in der Schule ständig gewachsen ist. Allerdings erweist
sich die Kooperation der beiden Systeme Schule und Soziale Arbeit nicht im-
mer als einfach (S. 69). Auch in Bezug auf die Ausgestaltung und Implemen-
tierung von Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule muss die
Kooperation von Schule und Sozialer Arbeit geklärt werden. Soziale Arbeit in
der Schule kann nicht in jedem Kooperationsmodell gleich gut funktionieren.
Aus diesem Grund werden nun die in der Literatur am meisten beschriebenen
Modelle kurz erklärt, um später den Bezug zur Implementierung der Erlebnis-
pädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule machen zu können. Je nach
Literatur und Autor werden verschiedene Begriffe für die Kooperationsmodelle
verwendet, diese ähneln sich jeweils stark oder werden sogar deckungsgleich
verwendet.4 Der Einfachheit halber werden in dieser Arbeit das integrative,
das additive und das subordinative Modell nach Hafen (2005) verwendet.
Nicht weiter wird hier auf das von Hafen (2005) ebenfalls benannten Modelle
der sozialpädagogischen Schule eingegangen, da dies kein wirkliches Koope-
rationsmodell ist, sondern eher die Ausgestaltung der schulischen Funktion
selber betrifft (S. 69).
Integratives Modell
Mit dem integrativen Modell wird nach Hafen (2005) eine Kooperation
umschrieben, bei welcher Fachkräfte der Sozialen Arbeit aktiv in die
Organisation Schule eingebunden werden. Die Schulsozialarbeitenden
sind nicht nur an der Schule angestellt, sondern können und dürfen
sich auch aktiv am Schulentwicklungsprozess beteiligen. (S. 73) Speck
(2006) benennt dieses Modell als partnerschaftlich und meint damit
auch, dass eine intensive und gleichberechtigte Kooperation von
Lehrpersonen und Schulsozialarbeitenden stattfindet, wobei gemein-
same Projekte und Problemlösungsprozesse möglich sind. Um dies zu
erreichen, braucht es aber einige Voraussetzungen. So muss neben
der Kommunikation und Interaktion auch ein besonderes Augenmerk
auf eine klar definierte Kooperationsstruktur gelegt werden. (S. 28) Zu-
dem müssen laut Hafen (2005) die Ausbildungs-, Status- und Lohnun-
terschiede der beiden Disziplinen ausgeglichen und ein gegenseitiges
Verständnis für die unterschiedlichen Disziplinen und für pädagogi-
sches Arbeiten geschaffen werden. Gelingt dies, bietet dieses umfas-
sende Modell viele Vorteile. Da nicht nur die psychosoziale Erziehung
stärker gewichtet wird, sondern auch die Kernkompetenzen der Sozia-
len Arbeit, die Prävention und die Behandlung von Problemen syste-
matisch in die Schule eingegliedert werden können. (S. 73-75)
Additiv-kooperatives Modell
Beim additiv-kooperativen Modell bleibt die Organisation Schule in ih-
ren Strukturen unverändert. Das heisst, dass sie nur von Fall zu Fall
mit der Sozialen Arbeit kooperiert (Hafen, 2005, S. 76). Vögeli-
Mantovani (2005) umschreibt dieses Modell folgendermassen: „Schule
und Sozialarbeit bleiben getrennte, autonome Institutionen die punktu-
ell und bei Bedarf eine Kooperation auf Zeit eingehen" (S. 35). Nach
Hafen (2005) bedeutet dies für die Schule die Möglichkeit, die Soziale
Arbeit gezielt in die Schule zu holen und gewisse Aufgaben auszula-
gern. Diese Kooperation ist formal am einfachsten umzusetzen, da die
4 vgl. Hafen, 2005; Vögeli- Mantovani, 2005; Speck, 2006
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Strukturen der Sozialen Arbeit wie auch der Schule aufrechterhalten
werden können und sie sich nicht gegenseitig anpassen müssen. So
kann die Soziale Arbeit die Schule mit ihren spezifischen Massnahmen
unterstützen und ergänzen. Ebenfalls bietet dieses Modell den Vorteil,
dass relativ einfach präventive oder gesundheitsfördernde Projekte
umgesetzt werden können, ohne dass dies eine höhere Belastung der
Lehrpersonen zur Folge hat. Allerdings ist die Soziale Arbeit bei die-
sem Modell nur Gast in der Schule, was zur Folge hat, dass umfang-
reiche Strukturänderungen in der Schule fast nicht möglich sind, da die
Schule alleine über die Aktivitäten und Aufgaben bestimmen kann. (S.
76) Zudem ist dieses Modell nach Vögeli-Mantovani (2005) nicht auf
Kontinuität und Nachhaltigkeit ausgerichtet, da keine langfristige Bin-
dung mit der Sozialen Arbeit eingegangen wird (S. 35).
Subordinatives Modell
Von Subordination der Sozialen Arbeit unter die Schule ist laut Hafen
(2005) die Rede, wenn die Einbindung der Sozialarbeitenden aus-
schliesslich nach den Bedürfnissen und Wünschen der Schule ge-
schieht. Das heisst, dass die Soziale Arbeit einerseits vollständig in die
Schule eingebunden ist und anderseits wenig Handlungsspielraum hat.
In der Praxis ist es dementsprechend so, dass die Soziale Arbeit von
Seiten der Schulleitung oder der Lehrpersonen einen klaren Behand-
lungsauftrag erhält und nur diesen ausführen kann. Auch wenn neben
der Behandlung von herausfordernden Schülern ausnahmsweise auch
einmal ein Präventionsauftrag an die Fachpersonen der Sozialen Ar-
beit getragen wird, fehlt die Möglichkeit der Eigeninitiative. Da die Res-
sourcen meist knapp bemessen sind und der Auftrag zur Veränderung
struktureller Massnahmen fehlt, kann nicht verhältnispräventiv gearbei-
tet werden. (S. 77) Zudem werden bei diesem Modell laut Vögeli-
Mantovani (2005) die Potentiale der Sozialen Arbeit in der Schule nicht
ausgeschöpft und es entsteht eine „Zweiklassengesellschaft", was ei-
niges an Konfliktpotential in sich birgt (S. 36).
2.7.3 Personelle Rahmenbedingungen
An dieser Stelle wird die Frage nach der Höhe der Stellenprozente in Bezug
zur Anzahl Schüler und Schülerinnen behandelt. Der Berufsverband der Sozi-
alarbeitenden Avenir Social (2010b) geht davon aus, dass 400 Schüler und
Schülerinnen ein Pensum von 100 Stellenprozenten benötigen, wobei die
Mindestanstellung bei 50% liegen muss. Dadurch ist gewährleistet, dass die
Funktion Prävention nicht zu kurz kommt. (S. 6) Diese Vorgabe des Arbeits-
pensums in Bezug zur Anzahl der Schülerinnen und Schüler wird laut Helfen-
stein et al. (2008) nur sehr selten eingehalten (S. 28). Dies hat zur Folge, dass
die Soziale Arbeit in der Schule noch immer ihren grössten Teil der Arbeitszeit
für die behandelnde Intervention, also „Feuerwehrübungen" aufwendet.
2.7.4 Finanzielle Rahmenbedingungen
Laut Speck (2009) ist es wichtig, genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu
stellen. Mit finanziellen Mitteln sind hier Gelder gemeint, welche die Kosten im
Bereich der Infrastruktur zum Beispiel Raummiete oder Arbeits- und Ver-
brauchsmaterial decken, aber auch Projektmöglichkeiten und Weiterbildungen
sowie Supervision zulassen. (S. 89-90)
2.7.5 Räumliche Rahmenbedingungen
Wichtig ist es zu klären, wie die Soziale Arbeit in der Schule räumlich statio-
niert ist. Der SchulsozialarbeiterInnen Verband (2007) fordert hier, dass die
Räumlichkeiten zentral, gut zugänglich und in unmittelbarer Nähe des Schul-
hauses oder direkt in der Schule angesiedelt werden müssen. Wichtig ist
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
auch, dass die Schulsozialarbeitenden weitere Räumlichkeiten der Schule, wie beispielsweise die Turnhalle frei nutzen können (S. 5).
2.7.6 Zusammenarbeit und Vernetzung
Da die Soziale Arbeit in der Schule ein noch junges Arbeitsfeld ist, muss sie
sich gemäss Baier und Heeg (2011) zuerst im Spektrum der anderen Angebo-
te und Dienste positionieren. Das heisst, sie muss ein gewinnbringendes und
ergänzendes Angebot sein, das nicht durch bereits bestehende Institutionen
im Unterstützungssystem abgedeckt wird. Aus diesem Grund ist es von hoher
Bedeutung, sich mit lokalen Unterstützungsangeboten vertraut zu machen und
sich zu vernetzen. Das heisst wiederum, dass gemeinsame Möglichkeiten von
Prozessabläufen, Kooperationen und Arbeitshaltungen entwickelt werden
können, um so eine ganzheitliche Betreuung im Versorgungssystem zu errei-
chen ohne dass dies doppelspurig geschieht. Im Speziellen ist die Zusam-
menarbeit mit den Lehrpersonen zu erwähnen. Die Lehrpersonen sind zu ei-
nem grossen Teil die Verbindung zu den Kindern und Jugendlichen und ha-
ben gerade in Bezug auf die Früherkennung eine massgebende Funktion. Die
Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit in der Schule und der Schule selbst baut
laut Baier und Heeg auf zwei wesentlichen Grundlagen auf. Zum Einen, dass
sich die Lehrpersonen in Bezug zur Einzelfallarbeit als kooperativ verstehen
und zum Anderen, dass sie das Angebot der Sozialen Arbeit in der Schule
kennen. (S. 31-34)
Konkrete Beispiele von Vernetzungspartner und -partnerinnen nennt hier Ave-
nir Social (2010b) in ihren „Qualitätsrichtlinien für die Schulsozialarbeit". Ne-
ben der bereits erwähnten Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen, wird auch
eine enge Zusammenarbeit mit der Schulleitung und dem Hauswartungsper-
sonal gefordert. Zudem ist die Vernetzung mit anderen Fachstellen wichtig,
um wie bereits erwähnt, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und Schnittstellen
zu klären. Fachstellen können in diesem Zusammenhang die Jugend- und
Familienberatung, der Kinder- und Jugendpsychologische Dienst, der Schul-
psychologische Dienst oder auch die Vormundschaftsbehörde sein. Zudem
müssen innerhalb der Gemeinde Vernetzungsgefässe mit Vereinen, Kirchen
und der Jugendarbeit geschaffen werden. (S. 10)
2.8 Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule
Der Trend, die sozialen Dienstleistungen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen ist auch im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule angelangt. Dies dient vor allem der Professionalisierung des noch jungen Handlungsfeldes (Baier & Heeg, 2011, S. 97). Laut Baier und Heeg (2011) müssen bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sein, um eine Wirkung zu erzielen. Als eine Grundvoraussetzung wird die Be-kanntheit des Angebotes der Sozialen Arbeit in der Schule genannt. Weiter ist wichtig, dass die Nutzung des Angebotes der Sozialen Arbeit in der Schule generell möglich und für die Anspruchsgruppen sinnstiftend ist. Zuletzt ist wichtig, dass zwischen der Sozialen Arbeit in der Schule und ihren An-spruchsgruppen das Vertrauen aufgebaut und ein Arbeitsbündnis vereinbart ist. (S. 127) Charles Landert (2002) analysierte die Soziale Arbeit in der Schule in der Stadt Zürich und stellte fest, dass „(. .) die Wirksamkeit der Schulsozialarbeit in Bezug auf den beruflichen Alltag der Lehrpersonen, das Schul- und kolle-giale Klima, die Situation der betroffenen Kinder sowie zunehmend eines Quartiers so auffällig sind, dass der Projektstatus der Schulsozialarbeit aufge-geben werden konnte" (S. 13). Baier und Heeg (2011) analysierten die Soziale Arbeit in der Schule an fünf verschiedenen Standorten. Von der Schülerschaft wurden insgesamt 1537
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
Fragebögen ausgefüllt. Zudem wurden weitere relevante Beteiligte befragt (S. 13-15). Zusammenfassend sagen Baier und Heeg (2011) aus, dass sich durch das Einführen von Sozialer Arbeit in der Schule das Schulklima positiv verändert hat. Auch das Wohlbefinden der Schülerinnen, Schüler und der Lehrpersonen konnte gesteigert werden. Der Umgang der Schülerschaft und der Lehrperso-nen mit sozialen und persönlichen Problemen hat sich verbessert. Die Lehrkräfte sagen aus, dass durch das Einführen von Sozialer Arbeit in der Schule ihre persönliche Handlungsfähigkeit gesteigert werden konnte. Zudem gaben sie an, dass durch die Implementierung der Soziale Arbeit in der Schu-le Probleme bearbeitet werden können, die bisher unbehandelt blieben. Durch diese beiden Veränderungen erhalten die Lehrpersonen neue Impulse, um die eigene Arbeit zu gestalten. (S. 97-101) Diese Positivspirale der Implementie-rung der Sozialen Arbeit in der Schule soll der unten abgebildete Wirkungs-kreis veranschaulichen. +
Schule mit Sozialer Arbeit in der Schule + + Abb. 6: Wirkungskreis (Baier & Heeg, 2011, S.101), selbst erstellt Wird die Schülerschaft befragt, die selbst noch keine direkte Erfahrung mit der Sozialen Arbeit in der Schule gemacht hat, bewertet diese die blosse Existenz von Sozialer Arbeit in der Schule bereits als positiv (S. 111). Unfreiwillige Projekte, wie Projekte zu Prävention, bei welchen die Schülerin-nen und Schüler mitmachen müssen, zeigen nur dann Wirkung, wenn die Schüler und Schülerinnen den vermittelten Inhalt für sich als sinnvoll betrach-ten. Daher muss in der Sozialen Arbeit in der Schule darauf geachtet werden, dass keine unfreiwilligen Beratungssettings entstehen (S. 122).
2.9 Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation
Wie zu Beginn des zweiten Kapitels erwähnt, wird der Begriff Schulsozialar-beit dem Handlungsfeld der Schulsozialarbeitenden nicht gerecht. Der Begriff „Soziale Arbeit in der Schule" impliziert automatisch die drei Berufsfelder So-zialarbeit, Soziokulturelle Animation und Sozialpädagogik. Die nächsten Ab-schnitte gehen der Frage nach, ob und wie die Soziokulturelle Animation dem Handlungsfeld Soziale Arbeit in der Schule gerecht werden kann. Gemäss Gabi Hangartner (2010) weist die Soziokulturelle Animation vier Funktionen auf. Dies sind die Vernetzungs- und Kooperationsfunktion, die
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
partizipative Funktion, die präventive Funktion und die integrative Funktion, welche sich über die verschiedenen Tätigkeitsfelder und Teilbereiche der So-ziokulturellen Animation erstrecken (S. 287). Unter der Vernetzungs- und Ko-operationsfunktion versteht Hangartner (2010), dass mittels Kooperation die unterschiedlichen Anspruchsgruppen, welche es für eine erfolgreiche Zusam-menarbeit braucht, miteinbezogen und aktiviert werden. Die partizipative Funktion macht es sich zu ihrer Aufgabe, gesellschaftliche Gruppierungen ohne Möglichkeiten zur politischen Partizipation Stimme zu verschaffen. Die präventive Funktion versucht gesellschaftliche Probleme früh wahrzunehmen, zu thematisieren und zu kommunizieren. Durch genaues Hinschauen und Analysieren wird versucht eine Negativspirale zu verhindern. Die integrative Funktion sieht die Beziehungsarbeit innerhalb der Lebenswelt der Gruppie-rungen und die Vermittlung zwischen deren Lebenswelten sowie dem System als ihre Aufgabe. Durch die verschiedenen Funktionen ergeben sich Prinzipien der Soziokulturellen Animation. Sie soll nahe am Lebensumfeld und an der Lebenswelt der Menschen sein, informellen Charakter haben, flexibel und bedürfnisorientiert sein, möglichst wenig Hindernisse und Blockaden aufwei-sen und an Kultur und Gewohnheiten der Zielgruppen anknüpfen. (S. 287-288) Wie die Funktionen und Prinzipien in der Praxis umgesetzt werden, zeigt das Forschungsprojekt von Gregor Husi und Simone Villiger (2012) auf, welches theoretische Reflexionen und Forschungsergebnisse zur Differenzierung So-zialer Arbeit bietet. Laut den Forschungsergebnissen von Husi und Villiger (2012) ist eine häufige Tätigkeit Soziokultureller Animatorinnen und Animato-ren die Projektarbeit. Die Projekte sind meist partizipativ gestaltet und freiwil-lig. Soziokulturelle Animatoren und Animatorinnen praktizieren ein ressour-cenorientiertes Vorgehen und sind sich einen fördernden Umgang mit Kin-dern, Jugendlichen und Erwachsenen gewohnt. Sie haben ihren Blick nicht nur auf dem Individuum, sondern auch auf den vorherrschenden Strukturen. Sie versuchen, die gesellschaftlichen Entwicklungen zu erfassen. Zudem be-sitzen sie ein grosses Methodenrepertoire, um auf Wünsche und Bedürfnisse der Anspruchsgruppenschaft eingehen zu können. Die Soziokulturellen Ani-matoren und Animatorinnen kennen verschiedene Milieus und Gruppen und damit verbunden deren Eigendynamik. Sie müssen sich zudem im Bereich der Politik auskennen und wissen, wie eine Analyse des Umfeldes gemacht wird. Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren handeln prozessorientiert, be-dürfnisorientiert und in unterschiedlichen Parteilichkeiten. (S. 67-96) Nach der Definition von Gschwind und Ziegele (2012a) handelt die Soziale Arbeit in der Schule: „(. .) lebensweltnah und niederschwellig, systemischori-entiert, partizipativ, ressourcen- und prozessgeleitet innerhalb der (. .) Funk-tionen Prävention, Früherkennung und Behandlung (. .)" (S. 1). All diese Ar-beitshaltungen und die Funktionen kann die Soziokulturelle Animation in der Theorie, wie auch in der Praxis abdecken, wie Hangartner (2010) sowie Husi und Villiger (2012) aufzeigen. Im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule müssen die Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren über per-sonen-, gruppen-, organisations- und sozialraumspezifische Methoden verfü-gen. Auch hier bringen die Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren das nötige Werkzeug für das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule mit. Die Soziokulturellen Animatoren und Animatorinnen sind sowohl in Coa-ching, Mediation, Krisenintervention, interdisziplinärer Zusammenarbeit, Tria-ge, Projektarbeit oder Vernetzung geübt, um nur einige konkrete Methoden zu nennen. Eine Stärke der Soziokulturellen Animation ist nach Husi und Villiger (2012) der geübte Umgang mit Kindern und Erwachsenen (S. 70). Durch die-se Stärke können, im Gegensatz zur Sozialarbeit, welche sich stark auf die Erwachsenen fokussiert, alle Anspruchsgruppen der Sozialen Arbeit in der Schule angesprochen werden (Husi & Villiger, 2012, S. 73). Einen klaren Vor-
TEIL B 2. SOZIALE ARBEIT IN DER SCHULE DER DEUTSCHSCHWEIZ
teil weist die Soziokulturelle Animation zudem gegenüber der Sozialarbeit und der Sozialpädagogik auf. Gemäss den Befragten aus der Sozialen Arbeit in Husi und Villiger (2012) liegt der Vorteil in der Methodenkompetenz auf der Ebene der Partizipation und in der Fachkompetenz auf der Ebene der Politik (S. 73). Der Paragraph 5 des Gesetzes der Volksschulbildung des Kanton Luzerns sagt aus: „Die Volksschule weckt das Interesse und den Willen, sich auf allen Ebenen an der Gestaltung eines dem Gemeinwohl dienenden Staa-tes zu beteiligen" (Abs. 2f). Genau hier setzt laut Hangartner (2010) die parti-zipative Funktion an. Einzig in der systemisch-lösungsorientierten Kurzzeitberatung weisen die So-ziokulturellen Animatoren und Animatorinnen ein Defizit auf. Das Kompetenz-profil, das Avenir Social und der SchulsozialarbeiterInnenverband davon zeichnen, erfordert eine spezifische Weiterbildung in der Beratung5. Mit dieser Weiterbildung bringt die Soziokulturelle Animation aber alle Anforderungen mit, die benötigt werden, um im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule professionell agieren zu können.
Abb. 7: Arbeitsfelder und Berufsfelder Sozialer Arbeit (Husi & Villiger, 2012, S. 46) Wie die Grafik nach Husi und Villiger (2012) aufzeigt, ist die Soziale Arbeit in der Schule heute in einer Schnittmenge von Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Soziokultureller Animation zu suchen. In der Schweiz gibt es nach wie vor Arbeitsfelder, die traditionellerweise einem bestimmten Berufsfeld zugeordnet werden können. Eine solche Zuordnung wird jedoch immer schwieriger, da die Arbeitsfelder zunehmend Mischverhältnisse aufzeigen (S. 46). 5 vgl. Kapitel 2.5 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
Als Erstes wird dem Begriff der Erlebnispädagogik aus der Perspektive der Geschichte und der Definition nach-gegangen. Eine allgemeingültige Definition von Erlebnis-pädagogik gibt es bislang nicht. Es werden verschiedene Definitionen auf ihre Gemeinsamkeiten geprüft. Dann folgt eine Argumentation, warum eine bestehende Definition er-weitert wird. Die Ziele und Zielgruppen werden aus der Definition abgeleitet. Bei den Arbeitshaltungen wird auf das Kom-
petenzprofil einer Fachperson für Erlebnispädagogik ein-gegangen. Die verschiedenen Modelle und eine Auflistung von Aktivitäten zeichnen ein konkretes Bild von Erleb-nispädagogik. Die Wirkungen werden anhand von Begriffen wie Selbstkonzept, Handlungsorientiertes Lernen sowie Transfer untersucht und entsprechend in der Literatur verortet. In diesem Kapitel wird auch der Berufsrelevanz der Erlebnispädagogik für die Soziokulturelle Animation nach-gegangen.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3.1 Historische Annäherung und Begrifflichkeiten
Als Begründer der Erlebnispädagogik wird Kurt Hahn (1924) genannt. In der
ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelte er die so genannte Erleb-
nistherapie (zit. in Torsten Fischer & Jörg Ziegenspeck, 2008), mit der er ge-
gen den „(. .) Verfall der körperlichen Tauglichkeit, Verfall der Sorgsamkeit,
Verfall der persönlichen Initiative, Krise der Demokratie und Verfall der
Selbstbeherrschung (. .)" (S. 241) bei Jugendlichen ankämpfen wollte. In
seinen Schulen sollte das „(. .) soziale Lernen in der Lebensgemeinschaft
aus Lehrern und Schülern [sic!] (. .)" (S. 231) die Schüler und Schülerinnen
zu verantwortungsbewussten Staatsbürger und Staatsbürgerinnen erziehen.
Dabei wählte Hahn (1924) bewusst Standorte im ländlichen Raum, fernab von
Zerrissenheit und Unruhe der Industriestädte. (zit. in Fischer & Ziegenspeck,
2008, S. 226-232)
Die Verbindung von Erlebnis und Erziehung entwickelte zur selben Zeit auch
Waltraut Neubert (1928) unter dem Begriff der Erlebnispädagogik. Die Aus-
einandersetzung mit der gegenständlichen Umwelt löst nach Neubert (1928)
im Menschen Gefühle aus, die als Ausdruck des Erlebens bereits als Lerner-
fahrungen gelten. (Fischer & Ziegenspeck, 2008, S. 233)
Während der Zeit des Nationalsozialismus kam die pädagogische Arbeit um
Hahn (1924) zum Erliegen, denn Hahn (1924) wurde selber als deutscher Ju-
de angefeindet und emigrierte 1933 nach England. Dort gründete er im ähnli-
chen Stil wie zuvor in Deutschland die Salem-Schule, die sogenannte Out-
ward Bound School, die auf reges Interesse stiess. Diese Schule verfolgte die
erlebnis- und handlungsorientierte Charakterbildung, indem die Jugendlichen
sich während 20 bis 30 Tagen an einem abgelegenen Ort, wo die Schulen
stationiert waren, in natursportlichen Aktivitäten, wagnisreichen Rettungsdien-
sten und Expeditionen übten. (Fischer & Ziegenspeck, 2008, S. 233-251)
Auf der ganzen Welt verbreitete sich dank des Kolonialismus das Konzept der
Outward Bound-Schule. Im Zuge des Kulturexportes, womit versucht wurde,
die Kolonien an England zu binden, wurde auch die Outward Bound-Idee nach
Afrika, Malaysia und in weitere Länder gebracht. (Fischer & Ziegenspeck,
2008, S. 252-255)
Im Laufe der Jahre sind weitere Konzepte und Modelle zur Erziehung von
jungen Menschen entstanden, die sich das „Erlebnis" zu Nutzen machen. So
ist dies zum Beispiel bei der Abenteuerpädagogik geschehen. Schon am Na-
men lässt sich vermeintlich eine inhaltliche Ähnlichkeit zur Erlebnispädagogik
zuschreiben. Dass dem jedoch nicht so ist, belegen Bernd Heckmair und
Werner Michl (2012) folgendermassen: „(. .) weil das Abenteuer pädagogisch
nicht planbar und auch nicht als Ereignis mit vollkommen offenem Ausgang
eingeplant werden sollte" (S. 113). Eine differenzierte Begriffsabgrenzung
auch zur Freizeitpädagogik ziehen Heckmair und Michl (2012) in ihrem Kapitel
„ „Where the action is" – Zum Verhältnis von Erlebnis und Erziehung" (S.112-
117).
Heckmair und Michl (2012) verorten den Begriff Erlebnis in der Psychologie.
Deren gegensätzlichste Theorien sind der Behaviorismus (Verhalten) und die
Tiefenpsychologie (inneres Erleben). Indem die Erlebnispädagogik den Men-
schen im Aussen, in seinem sichtbaren Verhalten herausfordert, ihn in neue
Situationen hineinmanövriert und anschliessend mittels Reflexion das innere
Erlebte sichtbar macht, hält sie dem inneren und äusseren Erleben die Waa-
ge; sie gibt dem Eindruck Ausdruck. (S. 113-114)
Der Begriff Erlebnispädagogik wird im folgenden Unterkapitel definiert.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3.2 Definition von Erlebnispädagogik
Je nach Modell und Autorenschaft sind unterschiedliche Definitionen im Um-lauf. Allerdings weisen sie bemerkenswerte Gemeinsamkeiten auf. Anhand von drei Definitionen wird aufgezeigt, was die Gemeinsamkeiten und Unter-schiede sind und darauf aufbauend wird eine bestehende Definition erweitert. Die am häufigsten in der Fachliteratur genannte Definition ist die folgende von Heckmair und Michl (2012): „Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode und will durch ex-emplarische Lernprozesse, in denen junge Menschen vor physische, psychi-sche und soziale Herausforderungen gestellt werden, diese in ihrer Persön-lichkeitsentwicklung fördern und sie dazu befähigen, ihre Lebenswelt verant-wortlich zu gestalten" (S. 115). Gleich anschliessend an diese Definition wünschen sich die beiden Autoren den weiteren Diskurs: „(. .) [Sie] fordern alle Kritiker auf, diese Definition wei-terzuentwickeln oder eine diskutable neue vorzulegen" (S. 115). Mart Rutkowski (2010) hat auf diese, bereits in früheren Publikationen er-schienene Aufforderung von Heckmair und Michl (2007) reagiert: „Erlebnispädagogik ist eine auf Ziele hin ausgerichtete, aber prozessorientier-te, ganzheitliche pädagogische Intervention mit Medien, welche Ereignisse ermöglichen, die sich stark vom Alltag der Adressaten unterscheiden" (S. 17). Rutkowski (2010) hat diese Definition anhand eines Vergleiches bereits be-stehender Definitionen erzeugt. Namentlich stützt er sich auf Andreas Bedacht (1994), Tom Senninger (2000) und Diethelm Wahl (1998), welcher den „Aspekt des Ausdrucks erlebter Eindrücke" hinzufügt. (zit. in Rutkowski, 2010, S. 13-18) In der Schweiz gibt es drei grosse Schulen für Erlebnispädagogik. Bei allen wurde nachgefragt, nach welcher Definition sie arbeiten. Das planoalto-Institut in St. Gallen hat als Einziges geantwortet. Sie arbeiten mit der systemischen Erlebnispädagogik. Diese Form von Erlebnispädagogik wurde von Astrid Ha-biba Kreszmeier und Andrea Zuffellato (2007) entwickelt, aufbauend auf der kreativ-rituellen Prozessgestaltung von Astrid Habiba Kreszmeier und Hans-Peter Hufenus (2000).6 Die kreativ-rituelle Prozessgestaltung vereint die vier Felder der Naturerfahrungen, Kreativtechniken, szenische Arbeit und rituelle Gestaltung in sich und fügt der physischen, konkreten Umwelt eine metapho-rische, eine energetische und eine spirituelle Dimension hinzu. Die systemi-sche Erlebnispädagogik ist einzigartig, da sie Haltungen der systemischen Praxis und Theorie aufnimmt und mit Handlungslernen, metaphorischer Arbeit sowie initiatorischer Naturerfahrung verbindet. (S. 44) Die Definition der systemischen Erlebnispädagogik nach Kreszmeier & Zuffel-lato (2007) lautet:
Erlebnispädagogik bezeichnet Praxis und Theorie der Leitung und Be-
gleitung von Lernprozessen mit handlungsorientieren Methoden. Er-
lebnispädagogik fördert den Menschen in seiner Sozial- und Selbst-
kompetenz über primäre, sinnliche Erfahrungen, über das Lernen
6 vgl. Kreszmeier, Astrid Habiba & Hufenus, Hans-Peter (2000). Wagnisse des Lernens. Aus der Praxis der kreativ-rituellen Prozessgestaltung. Bern: Haupt.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
durch Handeln, über die Kraft der Metaphern und über die direkte Re-
flexion. Sie öffnet mit ihren handlungsorientierten Methoden und Spiel-
formen einen anderen, unbekannten (Lebens-)Raum, der aus sich
heraus verlangt, das „Alte", scheinbar Sicherheit gebende, zu prüfen,
neue Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln sowie versteckte
Ressourcen und Fähigkeiten ans Licht zu bringen und einzusetzen.
Erlebnispädagogik setzt die reformpädagogischen Forderungen nach
Ganzheitlichkeit, Naturverbundenheit und Praxisbezug, Menschennähe
und Gesellschaftsfähigkeit in der Praxis um.
Erlebnispädagogik entstand und entsteht immer dort, wo Erzieher, Be-
gleiter, Therapeuten, die ein ganzheitliches Menschenbild und Ver-
ständnis von Lernen hatten, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in
ihrem Entwicklungsprozess begleiten wollen oder sollen. Wo es nicht
ausschliesslich um stoffliche Lerninhalte, sondern um persönliche
Wachstumsprozesse geht, wo alternative Lernräume und neue Lern-
felder erschlossen werden.
Systemische Erlebnispädagogik nimmt Haltungen und Grundannah-
men systemischer Praxis und Theorie auf und verbindet sie mit Hand-
lungslernen, Lernen durch Erleben und metaphorischer Arbeit sowie
mit initiatorischer Naturerfahrung. Dazu erweitert sie das handlungsori-
entierte Methoden-Repertoire. (S. 44)
Alle Definitionen beschreiben Erlebnispädagogik als eine handlungsorientierte Methode, wie Lernen gestaltet werden kann. Sie beschreiben das Lernen als ganzheitlich, als etwas Notwendiges, wollen die Teilnehmenden in der aktuel-len, durch die Leitung herbeigeführten Situation bestehen. Rutkowski (2010) nennt dies die „(. .) Intervention mit Medien, welche Ereignisse ermöglichen, die sich stark vom Alltag der Adressaten [sic!] unterscheiden" (S. 17). Heck-mair und Michl (2012) sprechen von physischen, psychischen und sozialen Herausforderungen (S. 115). Kreszmeier und Zuffellato (2007) beschreiben „(. .) einen anderen, unbekannten (Lebens-)Raum, der aus sich heraus ver-langt, das „Alte", scheinbar Sicherheit gebende, zu prüfen, neue Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln sowie versteckte Ressourcen und Fähigkeiten ans Licht zu bringen und einzusetzen" (S. 44). Die Teilnehmenden kommen ins Handeln und können auf bewährte Strategien zurückgreifen oder aber neue entwickeln. Nicht-Handeln kann auch als Handeln angesehen werden
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
nach Paul Watzlawick's Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren".7 Um diese neuen Strategien geht es. Durch anschliessende Reflexion verhilft die Erlebnispädagogik den Teilnehmenden, die neuen Strategien in ihren Alltag zu transferieren. Bei den Definitionen von Heckmair und Michl (2012) sowie Rutkowski (2010) wird die Reflexion über das Gelernte allerdings nicht aus-drücklich erwähnt, anders als bei der Aussage von Kreszmeier und Zuffellato (2007), welche mit ihrem Ansatz die Teilnehmenden durch die direkte Reflexi-on fördern (S. 44). Durch die Reflexion entstehen neue Konzepte, welche die Teilnehmenden bei ihrer Lebensbewältigung unterstützen. Dies ist das eigent-liche erklärte Ziel der Erlebnispädagogik. Heckmair und Michl (2012) nennen es „(. .) [die Teilnehmenden] in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und sie befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten" (S. 115). Rut-kowski (2010) spricht allgemein von einer „(. .) auf Ziele hin ausgerichtete, (. .) ganzheitliche pädagogische Intervention" (S. 17) und nach Kreszmeier und Zuffellato (2007) wird der Mensch innerhalb seines persönlichen Wachstums-prozesses in seiner Sozial- und Selbstkompetenz gestärkt (S. 44). Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die Definition von Heckmair und Michl (2012), ändert sie aber leicht ab, indem das Wort „junge" in Klammern gesetzt wird. Es wäre denkbar, auch mit den Lehrpersonen erlebnispädagogisch zu arbeiten (z.B. teambildende Massnahmen im Rahmen der Schulentwicklung). Der Hauptfokus bleibt aber auf den Schülern und Schülerinnen, deshalb wird das Wort „junge" nicht ganz entfernt. Zusätzlich wird der Satz „Durch gezielte Reflexion wird das Erlebte zur Erfah-rung und ermöglicht den Transfer in den Alltag" angehängt. Damit soll die Wichtigkeit der Reflexion verdeutlicht werden:
Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode und will
durch exemplarische Lernprozesse, in denen (junge) Menschen vor
physische, psychische und soziale Herausforderungen gestellt werden,
diese in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und sie dazu befähi-
gen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten. Durch gezielte Refle-
xion wird das Erlebte zur Erfahrung und ermöglicht den Transfer in den
Alltag. (nach Heckmair & Michl, 2012, S. 115, leicht abgeändert und
Aus dieser Definition leiten sich nun die Zielgruppen und Ziele ab.
3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik
Über die Zielgruppe sind sich die im Abschnitt 3.2 zitierten Autoren und Auto-rinnen uneinig. So sprechen Heckmair und Michl (2012) von jungen Men-schen, Rutkowski (2010) schlicht von den Adressaten und Kreszmeier und Zuffellato (2007) von Menschen und später von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
7 vgl. Paul Watzlawick et al. (1982)
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf die oben erweiterte Definition und spricht im weiteren Verlauf aus oben genannten Gründen von (jungen) Men-schen. Um die Ziele aufzuzeigen, wird die Definition aufgeschlüsselt. Erlebnispäd-agogik hat somit zum Ziel:
• (junge) Menschen vor physische, psychische und soziale Herausforde-
rungen zu stellen
• (junge) Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern
• ihre Zielgruppe zu befähigen, um die eigene Lebenswelt verantwortlich
• Erlebnisse zu Erfahrungen werden zu lassen
Aus diesen Zielen können Arbeitshaltungen abgeleitet werden. Diese werden im nächsten Unterkapitel dargestellt. Matthias D. Witte (2002) formulierte folgende Grundbedingungen des erleb-nispädagogischen Settings:
• „die unfertige Situation,
• die Ernsthaftigkeit und Unausweichlichkeit,
• die Körperlichkeit,
• die Überschaubarkeit,
• die Unmittelbarkeit des Erlebens" (S. 48)
Janne Fengler (2009) nennt ähnliche und fügt folgende Merkmale hinzu: Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit, Herausforderung / Grenzerfahrung, pädagogisches Arrangement (S. 26). Bei beiden Aufzählungen fehlt aber die Reflexion als ausdrücklich genanntes Stichwort. Dass dies ein wichtiger Be-standteil der Erlebnispädagogik ist, wird im Abschnitt 3.5 Wirksamkeit deutlich.
3.4 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil
Im ersten Teil dieses Unterkapitels werden die Arbeitshaltungen aus den oben genannten Zielen abgeleitet. Im zweiten Teil wird auf das Kompetenzprofil einer Fachperson für Erlebnispädagogik eingegangen.
3.4.1 Arbeitshaltungen
Um Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit, die eige-
ne Lebenswelt verantwortlich zu gestalten und zu fördern, sind verschiedene
Arbeitshaltungen grundlegend. Definitionsgemäss ist die Erlebnispädagogik
eine handlungsorientierte Methode, die durch exemplarische Lernprozesse
und gezielte Reflexion mit ihren Zielgruppen arbeitet.
Handlungsorientiert bedeutet, dass die Handlung und nicht der Denkvorgang
im Zentrum steht. Heckmair und Michl (2012) beschreiben dies so, dass Er-
ziehung auch immer als Handlung oder Erfahrungsangebot zu verstehen sei.
Der Grad der Bewusstheit der Handlung sei aber durch das pädagogische
Setting sehr wohl beeinflussbar und somit zur Erziehung nutzbar. Der Begriff
„Erfahrungslernen" wird ebenfalls aufgeführt und meint jene Lerneffekte, die
nicht unbedingt pädagogisch angeleitet sind. Indem ein Kind von sich aus die
Welt erforscht, erschliesst es sich selber neue Lebens- und Lernfelder (Jean-
Jacques Rousseau, 1975, zit. in Heckmair & Michl, 2012). Mit diesen beiden
Blickwinkeln sei die Betrachtung der Erlebnispädagogik gut gewährleistet. (S.
112)
Der exemplarische Lernprozess steht dafür, dass Ereignis und Ausdruck des
Erlebten gleich gewichtet werden. Heckmair und Michl (2012) sprechen von
einer erlebnispädagogischen Waage (S.114). In der linken Waagschale liegt
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
das von den Pädagogen und Pädagoginnen vermittelte Ereignis, in der rech-ten Waagschale liegen Erfahrung, Reflexion und Transfer. Die Mitte, das Standbein der Waage steht für die Persönlichkeit des Individuums, das diese Eindrücke sehr subjektiv zu einem Erlebnis verarbeitet. Ziel ist es, diese Waa-ge im Gleichgewicht zu halten. Sonst rutsche man entweder in die Freizeit- und Ferienpädagogik oder in die Selbsterfahrung ab. „Erlebnispädagogik ta-riert also das Gleichgewicht von Eindruck und Ausdruck aus". (S.114) Die gezielte Reflexion wird eingesetzt, um das Ereignis beziehungsweise das subjektive Erlebnis zu einer Erfahrung werden zu lassen, die möglichst nach-haltig ist. (Heckmair & Michl, 2012, S. 114)
3.4.2 Kompetenzprofil Fachperson Erlebnispädagogik
Heckmair und Michl (2012) vergleichen verschiedene Ansätze und stellen fest,
dass es drei tragende Säulen von Fachlichkeit gibt, die in beinahe allen Mo-
dellen vorkommen: die technisch-instrumentelle Kompetenz, die sozialpäd-
agogische Kompetenz und die Persönlichkeit. (S. 273-278) Da diese Begriffe
jedoch vieles beinhalten, soll hier der Katalog von Hufenus (1991) zitiert wer-
den, wie es auch die beiden genannten Autoren in ihrem Werk tun. Dieser ist
differenzierter und konkreter.
Hufenus (1991) stellt folgende Anforderungen an eine Fachperson der Erleb-
nispädagogik zusammen:
• Wissen um die Wirkungszusammenhänge in der Erlebnispädagogik
• Wissen um die spezifischen gruppendynamischen Faktoren
• Wissen über den betreffenden erlebnispädagogischen Raum
• Wissen und Können im Bereich Reiseorganisation
• Erfahrung und Fähigkeiten bezüglich Krisenmanagement
• Fähigkeiten zum Selbstmanagement unter extremen Bedingungen
• projektspezifisches praktisches Können
• Führungsfähigkeiten in partnerschaftlichen Strukturen
• positive Haltung gegenüber Land, Natur und Einheimischen
• starke und eindeutige, aber einfühlsame Haltung gegenüber Jugendli-
• Identifikation mit dem pädagogischen Auftrag
• natürliche Autorität (S. 85)
Leitende von erlebnispädagogischen Aktivitäten „sollten über eine integrierte Handlungskompetenz verfügen, welche sich aus Wissen, Können und Haltung zusammensetzt" (Hufenus, 1991, S. 84). Je nach Theorie sieht diese Handlungskompetenz anders aus, deshalb wer-den im nächsten Unterkapitel verschiedene Modelle kurz vorgestellt.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3.5 Modelle
Es existieren unterschiedliche Modelle der Erlebnispädagogik. Die bekannte-sten drei nach der „Evolutionstheorie" von Stephen Bacon (1987) sind in Heckmair & Michl (2012) aufgearbeitet und werden anschliessend kurz skiz-ziert. Sie spiegeln in ihren Unterschieden den Prozess von der Erlebnisthera-pie nach Hahn (1924) bis zur heutigen Erlebnispädagogik. Teilweise bauen sie aufeinander auf.
Das Modell The Mountains Speak for Themselves
Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, dass Erlebnisse (in der
Natur) grundsätzlich prägenden Charakter besitzen. Auf Reflexion wird
verzichtet. So hat die Leitung vor allem die Funktion des Organisie-
rens, des Führens und der Sorge um die Sicherheit inne. Dieses Mo-
dell wurde in den 60er Jahren von England in die USA importiert.
(Heckmair & Michl, 2012, S. 67)
Das Modell Outward Bound plus
Dieses Modell baut auf dem ersten auf, schliesst aber die Reflexion
des Erlebten mit ein. Dies soll das Erlebnis zur Erfahrung werden las-
sen und damit den Transfer in den Alltag gewährleisten. Von Mitte der
70er bis Anfang der 80er Jahre fand dieses Modell weite Verbreitung.
(Heckmair & Michl, 2012, S. 67)
Das Metaphorische Modell nach Stephen Bacon (1987)
Durch die Arbeit mit Metaphern (Analogie zur Lebenswirklichkeit), Ar-
chetypen und dem tiefenpsychologischen Verständnis nach Carl Gu-
stav Jung sollen die Erlebnisse im Unterbewussten wirken. Es findet
keine Reflexion statt. (Heckmair & Michl, 2012, S. 67).
Bacon (1998) greift auch auf die Verhaltenstherapie zurück: „Das alte
Verhalten A (. .) darf nicht zum Erfolg führen und soll durch einen un-
bewussten Vergleich mit dem erfolgreichen Verhalten B ausgemerzt
werden" (zit. in Michl, 2009, S. 71).
Simon Priest (1994) hat das metaphorische Modell von Bacon aufge-
nommen und weiterentwickelt. Er arbeitet weiterhin mit möglichst
passgenauen Metaphern, die die Lebenswelt der Teilnehmenden ab-
bilden, die tiefenpsychologischen Bezüge lässt er allerdings komplett
weg. (zit. in Heckmair & Michl, 2012, S. 70) Kritisch bewertet wird bei
diesem Modell, dass die Leitung vorgängig die Lernziele formuliert und
den Kurs danach designt. Die Teilnehmenden würden laut Heckmair
und Michl (2012) zu sehr auf das erwünschte Verhalten hingesteuert.
(S. 70)
Die unterstützende Prozessbegleitung nach Priest (1994)
Auf der Basis von vier Programmtypen hat Priest (1994) sechs Hand-
lungsmodelle definiert. Damit macht er den Versuch, bisherige Theori-
en rund um die Erlebnispädagogik oder eben die „unterstützende Pro-
zessbegleitung" miteinander zu verknüpfen und zu vergleichen.
Die vier Programmtypen sind Freizeit und Erholung, Bildung, Training sowie Therapie. Innerhalb dieser vier Typen wird mit den folgenden sechs Handlungsmodellen gearbeitet. Diese werden nun kurz vorge-stellt:
1. Handlungslernen pur: Die Leitung arrangiert eine Situation
in der Natur. Der Prozess wird nicht reflektiert. Es wird von der automatischen Wirkung der Erlebnisse ausgegangen.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
2. Kommentiertes Handlungslernen: Die Leitung arrangiert ei-
ne Situation in der Natur und beobachtet den Prozess. An-schliessend gibt sie Anregungen und Tipps zur Verände-rung.
3. Handlungslernen durch Reflexion: Im Gegensatz zum
kommentierten Handlungslernen werden hier die Teilneh-menden aktiv in die Reflexion mit einbezogen.
4. Direktives Handlungslernen: Die Leitung arrangiert und
steuert die Situation sowie den Prozess durch einleitende Erklärungen und Fragen. Die Reflexion wird somit in den Prozess hineingesteuert.
5. Metaphorisches Handlungslernen: Hier werden die Teil-
nehmer vorgängig in die Aktion eingeführt. Die Analogie zum Lebensalltag wird deutlich gemacht.
6. Indirekt Metaphorisches Handlungslernen: Das Setting wird
durch die Leitung so gestaltet, dass die Teilnehmenden das gewünschte Verhalten zeigen. (zit. in Heckmair & Michl, 2012, S. 117-122)
Der Vollständigkeit halber seien hier noch zwei weitere Modelle erwähnt. Zum einen die „systemische Erlebnispädagogik", welche am planoalto-Institut in St. Gallen (CH) gelehrt wird und das „City Bound".
Die systemische Erlebnispädagogik nach Kreszmeier und Zuffel-
lato (2007)
Sie baut auf der kreativ-rituellen Prozessgestaltung von Kreszmeier &
Hufenus (2000) auf und integriert zusätzlich zu den erlebnispädagogi-
schen systemische Ansätze.
City Bound
Das Modell stützt sich auf erlebnispädagogische Grundlagen wie Her-
ausforderung, Aktion und Reflexion, Ganzheitlichkeit, etc. Das Hand-
lungsfeld wird von der Natur in die Stadt verlegt. Heckmair und Michl
(2012) nennen es auch „(…) eine Variante der urbanen Erlebnispäd-
agogik" (S. 220).
Um das Bild der Erlebnispädagogik noch klarer werden zu lassen, werden im nächsten Unterkapitel einige konkrete Aktivitäten beschrieben.
3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten
Die Erlebnispädagogik wird als Methode verstanden. Um Verwirrung vorzu-beugen, wird in dieser Arbeit für die praktischen Ausführungen der Erlebnis-pädagogik konsequent das Wort „Aktivitäten" verwendet. Nach Michl (2009) lassen sich im Moment vier Aktionsfelder innerhalb der Erlebnispädagogik unterscheiden:
• Natursport und Wildnispädagogik • Problemlösungsaufgaben und kooperative Abenteuerprojekte • künstliche Anlagen (zum Beispiel Hochseilgärten) • Übungen zu Vertiefung, Selbsterfahrung und Therapie (S. 81)
Je nach Aktivität kann mit Einzelpersonen und/oder Gruppen gearbeitet wer-den, wobei sich die Aktivitäten nicht in Kategorien „Einzelpersonen" oder „Gruppen" einteilen lassen. Auch die Selbsterfahrung kann in eine Gruppena-tivität eingebaut werden. Der grundsätzliche Unterschied liegt im Fokus, den die erlebnispädagogische Aktivität im Blick hat. Dieser kann auf die Einzelper-son gerichtet sein, wenn es beispielsweise darum geht, die Selbstsicherheit zu
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
stärken. Anhand der Aktivität Problemlösungsaufgabe lässt sich dies gut dar-
stellen. Die Aufgabe kann so gestaltet werden, dass es alle Teilnehmerinnen
und Teilnehmer benötigt, um sie zu lösen. Die Einzelnen erfahren dabei, dass
sie wichtig sind. Dies stärkt sie in ihrem Selbstbewusstsein. Gleichzeitig, in
diesem Beispiel quasi ein Nebeneffekt, hat diese Aktivität teambildende Ei-
genschaften. Nach Heckmair und Michl (2012) werden „(. .) bestehende Be-
ziehungen zwischen Jugendlichen und Pädagogen [sic!]
aufgegriffen, intensi-
viert und bekommen so eine neue Qualität" (S. 116). Erlebnispädagogische
Aktivitäten würden eingesetzt „(. .) um bestimmten Zielen wie etwa Steige-
rung des Selbstwertgefühls, Förderung des Gemeinschaftsgefühls oder der
Einübung von Selbstverantwortung näher zu kommen" (S. 116). Allerdings
sind dem individuellen Prozess innerhalb der Gruppe auch Grenzen gesetzt.
Es ist kaum möglich, eine schwierige Familiengeschichte im Klassenverband
aufzuarbeiten. Dafür ist Einzelbearbeitung nötig.8
Durch die Gruppenkonstellation ergeben sich weitere Möglichkeiten für einen
gezielten Fokus. Kennt sich die Gruppe bereits und besteht auch im Alltag,
wie das beispielsweise bei einer Schulklasse der Fall ist, bieten sich teambil-
dende oder auch Rollenmuster aufbrechende Aktivitäten an. Dazu kann auch
die Position der Lehrperson mit einbezogen werden und damit mit dem Klas-
senverband als Ganzes gearbeitet werden. Kennen sich die Gruppenmitglie-
der noch nicht, kann der Fokus auf das Sozialverhalten gelegt werden; wie
geht der oder die Teilnehmende auf fremde Personen zu?
Heckmair und Michl (2012) meinen dazu, „(. .) dass die Erlebnispädagogik
zur zwischenmenschlichen Begegnung und Beziehung beiträgt, weil sie durch
die oft notwendige persönliche Nähe neue Sichtweisen der Fremd- und
Selbstwahrnehmung eröffnet, weil bisher feste Einstellungen und Urteile ins
Wanken kommen" (S.116).
Die Aufgabe der Fachperson in Erlebnispädagogik ist es nun, aus dem perso-
nellen Setting sowie dem gewünschten Fokus eine Aktivität zu entwerfen, be-
ziehungsweise mehrere Aktivitäten so miteinander zu verknüpfen, dass der
Fokus erlebbar und als veränderbar erfahren wird.
Erlebnispädagogische Aktivitäten gibt es viele. Heckmair und Michl (2012)
versuchen einen Vergleich zwischen elf verschiedenen Aktivitäten zu ziehen,
indem sie diese anhand ausgewählter Kriterien miteinander vergleichen. Die-
ser Vergleich sei hier angefügt, um einen konkreten Eindruck des Tuns und
Wirkens der Erlebnispädagogik zu bieten.
Aktivität
Lern- und Erfahrungsmöglich-
keiten
„sich auf die Spitze trei-
Einsam und gemeinsam; eigenen
ben"; Rhythmus des Ge-
Rhythmus finden; Gehen und
hens; Freiheit, überall
Meditation; Naturbeobachtung;
hingehen zu können
Zeit und Musse für sich, andere und Natur entwickeln
Klettern und Absei-
„der Schwerkraft Paroli
Mut, Vertrauen und Verantwor-
bieten", Vertrauen zum
sichernden Partner; Wi-
nung; Eigenrhythmus finden; in-
derstände bearbeiten,
tensive Rückmeldungen der Tast-
hohe psychische Heraus-
und Gleichgewichtssinne; Ver-
trauen in die eigene Leistungsfä-higkeit
Schneeschuh- und
Die Stille des Winter ent-
Der Kälte die wärmende Bewe-
decken; langsames,
gung des Köpers entgegensetzen;
gleichmässiges Gehen in
den eigenen Rhythmus finden;
unverspurtem Gelände
Kampf mit dem Schnee, Genuss an der Bewegung
8 vgl. Frowin Betschart, Anhang E4
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
Höhlenerkundung
„Sich im Dunkeln vertie-
Gruppe bedeutet Geborgenheit;
fen"; andere Wahrneh-
Schulung der Wahrnehmung;
mung; Herausforderung
Sinne und Sinnfragen; Erleben
und Reden über physische und psychische Belastung
„Spielerische" Einheit
„alles oder nichts"; Flucht nach
zwischen Körper, Boot
vorn; vorausschauendes Denken;
und Wasser; Entschei-
Wahrnehmen und Handeln eng
dungs- und Handlungs-
verbunden; Einzelkämpfer
Schlauchbootfahren/ Alle in einem Boot;
„Gruppe und Boot besie-
teilung; Flucht nach vorne; Kampf
gen"; die Wildheit des
gegen das Element Wasser;
Rhythmus zwischen Action und Ausruhen
„Land und Leute erfah-
Gruppenerfahrung steht im Vor-
ren"; Lob des Fahrrads;
dergrund; eine Landschaft kennen
Einzel- und Gemein-
lernen; Natur erleben
„den Wind in den Händen
Teamwork ist alles; Rollenvertei-
halten"; das Zusammen-
lung; nicht nachgeben – sich Wind
spiel der Crew; auf en-
und Wetter entgegenstellen;
Rücksicht und Toleranz auf eng-stem Raum
Problemlösungs-
Abenteuer in „Pillenform";
Sich auf einzelne Sinne konzen-
ernsthaft über sich und
trieren, intensiv wahrnehmen (bei
andere etwas erfahren
einfachen Initiativübungen)
Stationäre Seilgär-
Der Ernstcharakter über-
Überwindung, Entscheidungen
wiegt. Konzentration und
treffen, Herausforderungen an-
Überwindung sind not-
nehmen, Risiko abschätzen, Mut,
wendig. (Selbst-) Ver-
Vertrauen, Verantwortung als
trauen und Verantwortung Sichernder und Selbstverantwor-sind zentrale Themen.
tung bei der Selbstsicherung,
Balance und Gleichge-
wicht: die Situation und
zung und Abhängigkeit, Kommu-
das Leben in den Griff
nikation, Kooperation
Im „Dickicht der Städte";
„was man schon immer mal tun
die Stadt neu entdecken,
wollte, aber sich noch nie getraut
ungewöhnliche Perspek-
hat"; mit Tabus spielen; die Fas-
tiven eröffnen, überra-
saden des Alltages durchschauen
schende Ein- und Aus-blicke
Abb. 8: Erlebnispädagogische Aktivitäten im Vergleich (Heckmair und Michl, 2012, S. 236-241), gekürzt Interessanterweise kommen die beiden Autoren zu dem Schluss, dass sich „(. .) eine wesentliche Wirkung aus dem weniger offiziellen und alltäglichen Beiprogramm [ergibt]. Tatsächlich sind die weniger spektakulären Erlebnisse, wie zusammen kochen, biwakieren, am Lagerfeuer sitzen, zusammen einkau-fen oder über die Erlebnisse während der Fahrt erzählen, wichtig und prägend (. .)". (S. 232) Es ist also wichtig, dass Erlebnispädagogen und Erlebnispäd-agoginnen nicht nur spezifisch erlebnispädagogische Aktivitäten beherrschen, sondern auch grundsätzlich das Leben im Freien beziehungsweise dem er-lebnispädagogischen Raum anzuleiten und vorzuleben wissen. Im Anschluss an die Arbeitshaltungen, die Qualifikation der Fachperson, die Modelle und Aktivitäten wird nun im nächsten Unterkapitel auf die Wirksamkeit der Erleb-nispädagogik eingegangen.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
3.7 Wirksamkeit der Erlebnispädagogik
Die Wirksamkeit der Erlebnispädagogik wurde lange angezweifelt. Michl (2009) hat in seinem Kapitel „Von der Praxis zur Forschung: Wie wirkt Erleb-nispädagogik?" verschiedene Studien, welche die Wirksamkeit von Erlebnis-pädagogik untersucht haben, zusammengefasst. Einige werden hier kurz vor-gestellt. Die Studie von Fengler (2009) wird genauer beschrieben. Im An-schluss werden die Wirkungen in einer Aufzählung zusammengefasst. Nach Michl (2009) braucht es drei Grundlagen, um Wirkungen in der Erlebnis-pädagogik zu erzielen oder aufzuzeigen. (S. 50) Diese werden in den näch-sten drei Abschnitten behandelt. Es sind die Reflexionsmethoden und Trans-fer sowie die empirischen Studien und das metaphorische Lernen. Bei Reflexionsmethoden und Transfer zeigt Michl (2009) einen Teil der grossen Fülle von Reflexionsmethoden auf. Dazu gehören unter anderem Auswertungen in der Gruppe, Einzelbewertungen, Fragebögen und Gesprä-che. Der Autor weist darauf hin, dass die Erlebnispädagogik sehr viele Metho-den zur Reflexion selber kreiert hat. Zum Transfer nennt er den folgenden, im Bereich der Frage nach der Wirkung oft kritischen Einwand: zwar würden Teilnehmende ihren Lernzuwachs oft als gross einstufen, dies sei aber kein Beweis, dass das Gelernte auch im Alltag umgesetzt werde. (S. 51-54) So zählt Michl (2009) einige Kontrollmethoden, zum Beispiel Lerntagebuch, Mentoring oder Folgetrainings auf und reagiert auf kritische Stimmen, die sol-che Reflexionsmethoden als zu kurz greifend bewerten. Infolgedessen bezieht er die Vorbereitung stärker mit ein. Indem er die Erwartungen bei den Teil-nehmenden abfragt, für jede Aktion Ziele formuliert, dazu ein ganzheitliches Kursdesign erstellt, die geeigneten Pädagoginnen und Pädagogen auswählt und zuletzt passende Rahmenbedingungen sucht, flicht er einen so genann-ten roten Faden aus Qualitätsmerkmalen, die sich durch folgende Szenarien während einer Aktion zeigen sollen:
• begeisterte Trainer, die die Teilnehmer anstecken • eindrückliche Erlebnisse und Aha-Erlebnisse • Übungsphasen • Tagesauswertungen und tägliche Lernzielkontrolle (persönliche Lern-
ziele und Lernziele der Gruppe)
• Praxisbezug und Anwendung • ein langfristiges Konzept mit vielen kleinen Aktivitäten, die sich über
einen längeren Zeitraum, z.B. ein halbes Jahr, erstrecken (S. 54-55)
Michl (2009) merkt an: „Und am Ende des Trainings steht dann das Fazit, die Evaluation, die Reflexion, die Sorge für die Nachhaltigkeit" (S. 55). Da kommt der Transfer ins Spiel: Nach Michl (2009) geht es immer darum, Erlebnisse pädagogisch nutzbar zu machen. Dies passiert über die drei Stufen Erleben, Erinnern und Erzählen (Reflexion). Anschliessend folgt die Prüfung der All-tagstauglichkeit. Was haben die Teilnehmenden gelernt? Was können sie in ihrem Lebensalltag gebrauchen? Was nehmen sie mit? Halten sich Erlebnis und Auswertung die Waage, ist die Möglichkeit der Transferleistung gewähr-leistet. (S. 9-10) Die tatsächliche Umsetzung liegt dann aber klar beim Indivi-duum, wobei durch Nachbetreuung im Alltag und weiterführende Angebote entsprechend Unterstützung geleistet werden kann. Bei den empirischen Studien zählt Michl einige ausgewählte, deutschsprachi-ge Werke auf. Hier seien drei erwähnt, die für diese Bachelor-Arbeit von Be-deutung sind. Die Wirkungsanalyse Outward Bound von Michael Jagenlauf (1992) beschäftigte sich damit, ob und wie Erlebnispädagogik wirkt. Sie kommt zum Schluss, dass erlebnispädagogische Aktivitäten eine intensive
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
Gruppendynamik auslösen. Zudem werden durch die Aktivitäten die Selbstsi-cherheit und das Körperbewusstsein deutlich gesteigert, die Sorgfalt bei na-tursportlichen Aktionen nimmt zu und die sozialen Kompetenzen wachsen. Eine grosse Zahl der Teilnehmenden bestätigt einen Zuwachs oder eine Prä-gung in den Bereichen der Ausdauer, der Steigerungsbereitschaft, bei Hilfe anfragen und beim Erkennen von Situationen, in denen Hilfe benötigt wird. (S. 72-95) Ulrich Lakemann (2005) beschäftigt sich intensiv mit den Wirkungsimpulsen von Erlebnispädagogik und Outdoor-Trainings. Er kommt zum Schluss, dass die Vorerfahrungen, welche Teilnehmende und Teams mitbringen, von gro-sser Wichtigkeit seien und ins Kursdesign einfliessen müssten. Dann sei ein hoher Lernerfolg wahrscheinlich (S. 166-167). Lakemann (2005) benennt auch mögliche Transferhemmnisse und stellt fest, dass das Verhältnis zwischen Training und Alltag sehr genau durchdacht werden muss, um den Transfer möglich zu machen. Offenheit, genügend Zeit, Kontinuität und differenzierte Methoden der Transfersicherung sind dabei wesentliche, unterstützende Fak-toren. (S. 167-172) Auch die Studie von Fengler (2009), die der Frage, ob und wie sich das Selbstkonzept von jungen Menschen durch erlebnispädagogische Massnah-men erhöht, nachgeht, sei hier platziert. Fengler (2009) wertet die Befragung von 35 Schulklassen aus, die erlebnispädagogische Klassenfahrten erlebten. Anhand verschiedener Personenvariablen wie Geschlecht, Alter, Schulform sowie Situationsvariablen wie Programmdauer und -typ untersucht sie, wie erlebnispädagogische Aktivitäten auf das Selbstkonzept der allgemeinen Selbstwerteinschätzung, der Verhaltens- und Entscheidungssicherheit sowie der Standfestigkeit gegenüber Gruppen und bedeutsamen Anderen Einfluss hat. (S. 131-145) Fengler (2009) kommt zum Schluss, „Solche [erlebnispäd-agogische] Massnahmen bewirken positive Veränderungen bei ihren Adres-saten, und zwar differentiell nach (. .) [den oben beschriebenen Merkmalen] in unterschiedlichem Umfang" (S. 257). Diese sehr detaillierte und vertiefte Studie von Fengler (2009) bescheinigt der Erlebnispädagogik folgendes: „Die generelle Bilanz hinsichtlich der Wirkung der im Rahmen der Arbeit evaluierten erlebnispädagogischen Intervention fällt also ausserordentlich positiv aus. Dieser Befund verweist darauf, dass Erleb-nispädagogik unmittelbar und nachhaltig imstande ist, zu Selbstkonzept-Entwicklung von Adoleszenten einen Beitrag zu leisten (. .)" (S. 207). Das metaphorische Lernen bezieht die Individualität der Teilnehmenden viel stärker als andere Modelle mit ein. Michl (2009) beschreibt den Begriff „Meta-pher" als Übertragung und definiert das metaphorische Lernen folgenderma-ssen: „(. .) [hier] sollen prägende Bilder, Symbole, Redewendungen, Gedan-ken, Phantasien, sprachliche Metaphern der Teilnehmer und Trainer [sic!], die vor oder während eines erlebnispädagogischen Trainings Bedeutung erlan-gen, Lernprozesse gestalten und ermöglichen. Dadurch können Tiefenschich-ten des Individuums erreicht und so nachhaltige Veränderungen bewirkt wer-den" (S. 64-65). Zusätzlich definiert er den Begriff der „Isomorphie": darunter ist eine Strukturähnlichkeit des erlebnispädagogischen Settings und des All-tags der Teilnehmenden zu verstehen. Diese Ähnlichkeit kann gezielt so ge-staltet werden, dass den Teilnehmenden die Übertragung des Gelernten in den Alltag erleichtert wird. (S. 65) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Erlebnispädagogik viel bewirken kann, dies aber auch aufwändig zu erfassen ist. Nachhaltige positive Verände-rungen bei den Anspruchsgruppen verlangen von dem Erlebnispädagogen und der Erlebnispädagogin hohe Kompetenzen bezüglich Vorbereitung und Erstellen des individuellen Kursdesigns, ein breites Methodenrepertoire und generell zeitliche Ressourcen von beiden Seiten.
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
Das Zusammenfassen von konkreten Wirkungen gestaltet sich schwierig, da sich nur wenige Studien explizit mit den „Learning Outcoms" der Teilnehmen-den befassen. Auch Lakemann (2005) geht zwar „Wirkungsimpulsen" nach, beschreibt dann aber settingorientierte Massnahmen, die das Lernen der Teil-nehmenden beeinflussen. Das metaphorische Lernen leitet von psychologi-scher Seite her, warum gerade dieses Modell zur erlebnispädagogischen Ar-beit geeignet sei. Es lässt aber die Frage offen, was genau denn gelernt wird. Daher bezieht sich die vorliegende Arbeit im weiteren Verlauf auf die konkret formulierten Wirkungen von Jagenlauf (1992) und Fengler (2009). Diese wer-den in der folgenden Aufzählung zusammengefasst:
• Eine intensive Gruppendynamik wird ausgelöst. • Das allgemeine Selbstwertgefühl wird höher eingeschätzt. • Die Selbstsicherheit wird verstärkt. • Das Körperbewusstsein wird gesteigert. • Die Ausdauer nimmt zu. • Die Bereitschaft zur Steigerung wächst. • Die Fähigkeit, Situationen in denen Hilfe benötigt wird zu erkennen
• Die Bereitschaft, Hilfe anzufragen nimmt zu. • Die Sorgfalt bei natursportlichen Aktionen nimmt zu. • Die Verhaltens- und Entscheidungssicherheit wird gestärkt. • Die soziale Kompetenz wird gesteigert. • Die Standfestigkeit gegenüber Gruppen und bedeutsamen Anderen
• Die Selbstkonzeptentwicklung in der Adoleszenz wird gefördert.
3.8 Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation
Wie bereits bei der Berufsrelevanz der Sozialen Arbeit in der Schule für die Soziokulturelle Animation aufgezeigt wurde, weist die Soziokulturelle Animati-on vier Funktionen auf.9 Dies sind laut Hangartner (2010) die Vernetzungs- und Kooperationsfunktion, die partizipative Funktion, die präventive Funktion und die integrative Funktion (S. 287). Diese Funktionen lassen sich auch mit der Erlebnispädagogik verknüpfen. Bei der Vernetzungs- und Kooperations-funktion, die auf die Begleitung und Unterstützung von sozialen Netzwerken zielt, lässt sich die Erlebnispädagogik mit ihren teamfördernden Eigenschaften bestens als Methode anwenden. Die partizipative Funktion hat weniger Ge-wicht, da die Fachperson in Erlebnispädagogik die Rahmenbedingungen und Ziele vorgibt. Je nach Aktivität können sich aber die Teilnehmenden mit ihrer Kreativität einbringen und sich mehr oder weniger an der Aktivität beteiligen, zum Beispiel bei Problemlösungsaufgaben. Diese unterschiedliche (notwendi-ge) Beteiligung bietet auch die Möglichkeiten für Beobachtungen und Analyse des Gruppenprozesses, was sich unter die präventive Funktion der Soziokul-turellen Animation einordnen lässt. Diese befasst sich laut Hangartner (2010) nämlich damit, „(. .) durch genaues Hinschauen und Analysieren die Entste-hung einer Negativspirale zu verhindern" (S.288). Die integrative Funktion hat den Fokus auf die Beziehungen innerhalb eines Systems oder auch zwischen Systemen. Die Erlebnispädagogik zielt bei Gruppenaktivitäten meist auf die Beziehungen innerhalb dieser Gruppe. Je nach Zielvorgabe will die Erlebnis-pädagogik eine Verhaltensveränderung beim Individuum oder auch der Grup-pe als Ganzes initiieren und kann damit eine Veränderung bei der Kommuni-kation zwischen Systemen hervorrufen. Hier wäre als Beispiel die Kommuni-
9 vgl. Kapitel 2.9 Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation
TEIL B 3. ERLEBNISPÄDAGOGIK
kation zwischen einer Schulklasse und ihrer Lehrperson oder zwei rivalisie-renden Gruppen zu nennen. Die Erlebnispädagogik lässt sich also gut einordnen in die Funktionen der So-ziokulturellen Animation. Daher erstaunt beim Blick auf das Kompetenzprofil der Fachperson in Erlebnispädagogik10 kaum, dass Soziokulturelle Animato-ren und Animatorinnen bereits viele der geforderten Fähigkeiten mitbringen. Sie haben Kenntnisse über sozialräumliche Aspekte und dank ihren Erfahrun-gen in Projektmanagement sowie mit dem geübten Umgang mit unterschied-lichsten Menschen(-gruppen)11 zeigen sie sich sehr qualifiziert, sich das Me-thodenwissen der Erlebnispädagogik anzueignen und damit zu arbeiten.
10 vgl. Kapitel 3.4.2 Kompetenzprofil Fachperson Erlebnispädagogik 11 vgl. Husi & Villiger, (2012), S. 67-69
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER
SCHULE AM BEISPIEL
DEUTSCHLAND
Dieses Kapitel soll eine mögliche Verknüpfung der bereits beschriebenen Felder der Sozialen Arbeit in der Schule (Kapitel 2) und der Erlebnispädagogik (Kapitel 3) anhand des Beispiels Deutschlands aufzeigen. In der Schweiz gibt es keine Literatur, die dieses Thema behandelt. Aus diesem Grund wird nun das Beispiel Deutschland fokussiert, um im folgenden Kapitel eine Interpretation für die Schweiz zu machen. Da die Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland anders organisiert ist, wird zuerst die Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland erklärt. Anschliessend wird genauer darauf eingegangen, welche Ziele die Soziale Arbeit in der Schule verfolgt, welche Strukturen und Rahmenbedingen, welche Einsatzmöglichkeiten und welche Chancen und Grenzen die Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule hat. Dieser Teil der Arbeit wird anhand eines Beitrages von Jahnke (2005) im Buch "Erlebnispädagogik in der Schule -
Methoden und Wirkungen" von Annette Boeger und Thomas Schut (Hrsg.) und eines Beitrags von Schmid und Nödl (2011) im Buch „Praxisbuch Schulsozialarbeit" von Florian Baier und Ulrich Deinet (Hrsg.) bearbeitet.
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
4.1 Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland
In Deutschland gehört die Soziale Arbeit in der Schule genau wie die offene Jugendarbeit zum Bereich der Jugendhilfe. Unter der Jugendhilfe verstehen Erwin Jordan und Dieter Sengling (2009):
(. .) ein komplexes System von von der Gesellschaft bereitgestellten Lei-
stungen, Diensten und Einrichtungen ausserhalb von Elternhaus, Schule
und Ausbildung zu verstehen, die der Verbesserung der Lebensbedingun-
gen von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer individuellen und sozialen
Entwicklung dienen sollen. (zit. in Speck, 2009, S.36)
In Deutschland bildet das Sozialgesetzbuch VIII, speziell das Kinder- und Ju-gendhilfegesetz die Grundlage für die Soziale Arbeit in der Schule. Die Sozia-le Arbeit in der Schule, wie auch die Erlebnispädagogik haben das Ziel, junge und/oder benachteiligte Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung und bei der Bewältigung von Lebensaufgaben zu fördern und zu unterstützen. Dies wird durch den Artikel 11 im Kinder- und Jugendhilfegesetz gestützt, welcher die ausserschulische und schulbezogene Jugendarbeit als Aufgabe der Ju-gendhilfe regelt und den Artikel 13 im Kinder- und Jugendhilfegesetz, welcher eine Koordination von Angeboten der Schule mit den Angeboten der Jugend-hilfe fordert. Im Konzept einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit in der Schule im Rahmen der Jugendhilfe und gestützt auf Befunde der wissenschaftlichen Begleitung hat Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland laut Speck (2009) sechs Kernleistungen (Pflichtaufgaben) zu erbringen:
• Beratung und Begleitung von einzelnen Schülerinnen und Schülern
• Sozialpädagogische Gruppenarbeiten, wie zum Beispiel berufsorien-
tierte Angebote, erlebnispädagogische Massnahmen, soziales Kom-petenztraining, ausserschulische Projekte oder ein offenes Förderan-gebot
• Offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitangebote
• Mitwirkung in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien
• Zusammenarbeit und Beratung mit den Lehrpersonen und Erzie-
hungsberechtigten
• Kooperation und Vernetzung mit dem Gemeinwesen (S. 70-71)
Im Gegensatz zur Sozialen Arbeit in der Schule der Schweiz bietet die Soziale Arbeit in der Schule in Deutschland ausserschulische Projekte und offene Freizeitangebote an. Bezüglich der Zielgruppe unterscheidet sich Deutsch-land und die Schweiz nicht gross. In Deutschland wird vermehrt von verhal-tensauffälligen Jugendlichen als Zielgruppe gesprochen. Allerdings richtet sich die Soziale Arbeit in der Schule auch in Deutschland an alle Schüler und Schülerinnen und ist Ansprechpersonen für Lehrpersonen sowie Erziehungs-berechtigte.
4.2 Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der
Laut Jahnke (2005) müssen die Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule flexibel sein, da diese stark abhängig vom Setting, vom Projekt, der Methode und der Zielgruppe sind. Wichtig dabei ist, dass die Ziele der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule übereinstimmen
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
und somit gemeinsame Erziehungsziele definiert werden können. (S. 126) Dazu gehört laut Peter Sommerfeld (2005) die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu sozialkompetenten, autonomen und selbstverantwortli-chen Personen zu unterstützen. Im Gegensatz zum Schulalltag steht nicht die Wissensvermittlung, sondern das erlebnis- und handlungsorientierte Lernen im Vordergrund, wobei das Erleben von Emotionen und des eigenen Körpers zentrale Elemente einer erlebnispädagogischen Aktivität sind. Durch diese (Selbst-) Erfahrungen ist die Erlebnispädagogik eine geeignete Methode um non-formale Bildungsprozesse zu ermöglichen. (zit. in Nödl & Schmid, 2011, S. 277) Mögliche Ziele von erlebnispädagogischen Aktivitäten können laut Jahnke (2005) sein:
• Das Selbstwertgefühl, die Selbstsicherheit und das Selbstbewusstsein
soll gestärkt werden. Dies kann helfen, Problemlösungsstrategien zu entwickeln und einen Weg zu sich selber zu finden, um die eigene Identität zu stärken.
• Den Kinder und Jugendlichen sollen gezielte Grenz- und Risikoerfah-
rungen ermöglicht werden. Dadurch können sie lernen, diese einzu-schätzen und zu überwinden, was wiederum positive Auswirkungen auf die Selbsterfahrung, die Charaktererziehung und die Persönlich-keitsbildung haben kann.
• Ein weiteres Ziel kann sein, dass die Kinder und Jugendlichen ausser-
halb der Schule die Möglichkeit bekommen, ohne Druck und Zwang Lernerfahrungen zu machen.
• Erlebnispädagogische Aktivitäten können auch darauf abzielen, Hand-
lungs- und Bewegungsmöglichkeiten des eigenen Körpers zu erfahren. Diese haben zum Ziel, eigene Fähigkeiten und Interessen zu ent-decken.
• Ein Ziel kann auch sein, das Reflexionsvermögen zu stärken. Wird bei
der Reflexion des Erlebten ein Zusammenhang mit konkreten lebens-weltbedingten Situationen geschaffen, kann bei den Jugendlichen eine realistische Selbsteinschätzung und eine Überprüfung von Konfliktlö-sungsstrategien erreicht werden.
• Durch erlebnispädagogische Erfahrungen kann der Umgang in der
Gemeinschaft geübt werden. Dadurch bekommen die Teilnehmenden die Möglichkeit ein „Wir"-Gefühl und Teamgeist zu erleben, wodurch Vorurteile abgebaut und die Integration von Ausgeschlossenen geför-dert werden kann.
• Durch die Förderung des Körperbewusstseins kann das Selbstwertge-
fühl gesteigert und speziell bei Partnerübungen Berührungsängste ab-gebaut werden.
• Die Konflikt- und Kompromissfähigkeit kann durch eine gemeinsame
Konfliktbewältigung und Lösungsfindung gefördert werden. Dabei wer-den diverse Kompetenzen wie einander ausreden lassen, zuhören, Entscheidungen treffen und andere Meinungen akzeptieren gefördert.
• Ebenfalls kann ein Ziel sein, ein stärkeres Bewusstsein für die Natur zu
schaffen, indem die Kinder und Jugendlichen konkrete Naturerlebnisse machen können.
Diese Beispiele von möglichen Zielen sind nicht abschliessend und müssen in jeder Situation methodisch dem Kontext, den örtlichen Voraussetzungen und den Zielgruppen angepasst werden. (S. 126-128)
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
Nach Jahnke (2005) sind folgende grundlegende Strukturen notwendig, um Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit in der Schule zu imple-mentieren:
• Es müssen zeitliche Nischen im Tages- und Wochenplan der Schule
für erlebnispädagogisches Arbeiten geschaffen werden.
• Erlebnispädagogische Aktivitäten sollen wenn möglich auf dem Schul-
gelände, im Schulhaus oder ohne weite Anreise durchgeführt werden (spart zeitliche und finanzielle Ressourcen).
• Die Schulsozialarbeitenden sollen mit anderen Fachpersonen Koope-
rationen eingehen, welche über die jeweiligen fachlichen Kompetenzen und das Material verfügen, beispielsweise Kletterlehrerinnen und Klet-terlehrer, Bergführerinnen und Bergführer.
• Bei der Planung von erlebnispädagogischen Aktivitäten sollen alle im
jeweiligen System Betroffenen (Lehrpersonen, Schülerschaft, Erzie-hungsberechtigte, und weitere) miteinbezogen werden.
• Um die Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Teilnehmenden
zu fördern und zu fordern, sollten Aufgaben und Zuständigkeiten klar geregelt und verteilt sein, wobei eine partizipative Vorbereitung hilf-reich sein kann. (S. 129-130)
Diese Aufzählung wird anhand der von Nödl und Schmid (2011) beschriebe-nen nötigen Voraussetzungen ergänzt. Diese gehen davon aus, dass ver-schiedene (personelle, räumliche und finanzielle) Voraussetzungen notwendig sind. (S. 280-281) Bezüglich der personellen Ressourcen gehen Nödl und Schmid (2011) davon aus, dass erlebnispädagogische Angebote von Schulsozialarbeitenden selbst durchgeführt werden sollen. Dies allerdings nur, wenn sie selber von den An-geboten begeistert sind und mit Freude angeleitet und reflektiert werden. Zu-dem sollten sie die nötigen Qualifikationen besitzen und mit verschiedenen natursportlichen Methoden vertraut sein. Es ist sinnvoll, in Zweierteams zu arbeiten, vor allem wenn nicht nur der Prozess in der Gruppe, sondern auch die gesamte erlebnispädagogische Aktion reflektiert und evaluiert werden soll. Zudem ist es sinnvoll bei Aktionen mit technischen Risiken, erfahrene Perso-nen mit den entsprechenden „Hardskills" beizuziehen oder die Aktion von die-sen leiten zu lassen. (S. 280) Laut Nödl und Schmid (2011) kann Erlebnispädagogik in der Natur, der Stadt aber auch in Turnhallen oder Klassenzimmern stattfinden. Ausflüge ausser-halb des Schulgeländes können von Jugendlichen allerdings als Schulausflug ohne Anforderungen verwechselt werden. Deshalb und um Widerständen vor-zubeugen ist es wichtig, mit den Jugendlichen die Ziele der Aktivität im Vorfeld zu besprechen. In Bezug auf die finanziellen Ressourcen gibt es viele erleb-nispädagogische Aktivitäten, welche ohne grossen Materialaufwand und mit geringen Kosten durchgeführt werden können. Bei grösseren Anschaffungen lohnt es sich, zusätzliche Mittel über den Sportunterrichtsetat, Benefiz- oder Sponsoringaktionen zu generieren. (S. 281)
4.4 Einsatzmöglichkeiten
Jahnke (2005) wie auch Nödl und Schmid (2011) gehen von vielen verschie-denen Anwendungsmöglichkeiten der Erlebnispädagogik in der Sozialen Ar-beit in der Schule aus. Hierbei ist es laut Nödl und Schmid (2011) wichtig, dass die Projekte auf die Zielgruppe abgestimmt sind. So können mit Kindern der Unterstufe nicht die gleichen Aktivitäten geplant und durchgeführt werden wie mit Oberstufenschülern und -schülerinnen. (S. 281) Möglichkeiten für er-lebnispädagogische Einsatzmöglichkeiten sind Kooperationsspiele, Kurzzeit-
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
projekte, Langzeitprojekte, Klassenfahrten oder erlebnispädagogische Curri-cula. Im Folgenden wird kurz auf die einzelnen Einsatzmöglichkeiten einge-gangen.
Kooperationsspiele
Diese werden meist innerhalb einer oder mehreren Schulstunden
durchgeführt. Sie bieten sich als Bestandteil von kürzeren themati-
schen Projekten an und zielen in den meisten Fällen auf Problemlö-
sungsaufgaben ab. Diese können durch die Reflexion des eigenen be-
ziehungsweise des Gruppenverhaltens die Konfliktfähigkeit in der
Schule fördern. (Nödl & Schmid, 2011, S. 282)
Kurzprojekte
Jahnke (2005) definiert Kurzprojekte als ein- bis dreitägige Projekte,
bei welchen es sich um Angebote mit einem zeitlich festgelegten und
begrenzten Rahmen handelt. Diese können gut im Rahmen einer Pro-
jektwoche oder im Rahmen des Schulunterrichts, beispielsweise
Sportstunden oder Werkunterricht, stattfinden. Der Vorteil dieser Me-
thode ist, dass sie sich für alle Schulformen eignet und sowohl mit ein-
zelnen Schüler und Schülerinnen als auch mit Schülergruppen oder
ganzen Klassen durchgeführt werden kann. (S. 131) Wichtig dabei ist
laut Nödl und Schmid (2011), dass sich die Aktivität auf ein bestimmtes
Ziel richtet. So kann auch der Besuch eines Seilparks bei angemesse-
ner Begleitung ein Lernfeld bieten, um über das Erfahren und Reflek-
tieren von Grenz- und Selbsterfahrung einen Bogen zur Thematik der
Suchtprävention zu spannen. (S. 282)
Langzeitprojekte
Langzeitprojekte definiert Jahnke (2005) als in der Regel freiwillige Ar-
beitsgemeinschaften, welche über einen längeren Zeitraum bestehen
und vorwiegend ausserhalb des Schulunterrichts stattfinden. Diese
können intensiv über einige Wochen oder durch regelmässige Treffen
über ein Jahr durchgeführt werden. Diese Langzeitprojekte sind eine
wirkungsvolle Form von Erlebnispädagogik, da es den Fachkräften der
Sozialen Arbeit erlaubt, über längere Zeit mit einzelnen Personen oder
Klassen zu arbeiten. So können sie die einzelnen Personen besser
kennenlernen und eine Beziehung aufbauen. Ziel dieser konkreten In-
terventionsform kann auch die Verbesserung des Klassenzusammen-
haltes oder die interkulturelle Zusammenarbeit mit anderen Schulen im
Ausland sein. (S. 133-134)
Klassenfahrten
Diese sind ideal um mit einer Klasse eine gemeinsame Erfahrung zu
machen. Durch das intensive Zusammensein während vier bis sieben
Tagen kann sich niemand verstecken. Das bedeutet, dass bestimmte
Seiten von Mitschülerinnen und Mitschülern zum Vorschein kommen,
welche bisher verborgen waren. Dies bedingt eine rege Auseinander-
setzung mit sich selbst und den Mitschülern und Mitschülerinnen.
Durch die intensive Betreuung der Schulsozialarbeitenden kann auch
positiven Einfluss auf entstehende Konfliktsituationen genommen wer-
den. Zudem bietet diese Form der Intervention bei einer gemeinsamen
und erlebnisorientierten Planung ein besonders abwechslungsreiches,
spannendes Programm mit speziellem Charakter. (Jahnke, 2005, S.
132-133)
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
Erlebnispädagogisches Curriculum
Dies beschreibt laut Nödl & Schmid (2011) eine langfristige Integration
von Erlebnispädagogik in den Schulalltag. Dabei geht es darum, erleb-
nispädagogische Erlebnisse jährlich wiederkehrend mit den jeweiligen
Klassenstufen durchzuführen. Hierbei sollen trotz des formalen Begriffs
des Curriculums non-formale Bildungsangebote stattfinden, die den
jeweiligen Klassenstufen angepasst sind. Dies kann beispielsweise ein
jährlicher Besuch eines Kletterparks mit den Schülerinnen und Schü-
lern der siebten Klasse sein. (S. 282)
4.5 Chancen und Grenzen
Nödl und Schmid (2011) wie auch Jahnke (2005) in seiner Studie „Projekt Adventure" haben verschiedene Chancen und Grenzen der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule ausgearbeitet, welche in der Folge prä-sentiert werden.
Chancen
Die meisten Chancen bieten sich in Bezug auf die Förderung von per-
sönlichen und sozialen Fähigkeiten. So können neben motorischen
und kognitiven Kompetenzen auch Fähigkeiten wie Kommunikations-
kultur, konstruktives Problemlösen, zielgerichtetes Arbeiten, Reflexi-
onsfähigkeit oder die Selbstwirksamkeit erworben werden. (Nödel &
Schmid, 2011, S. 278)
In der Studie von Jahnke (2005) wurde deutlich, dass durch das Auf-
zeigen und Erleben von neuen Handlungsperspektiven persönliche
Kompetenzen, wie zum Beispiel das Selbstwertgefühl oder die Team-
und Konfliktfähigkeit, gestärkt und psychische wie auch soziale Bela-
stungen reduziert werden können. Konkret können durch erlebnispäd-
agogische Aktivitäten innere Lernprozesse ausgelöst und eine reflexive
Auseinandersetzung mit der eigenen Person, den eigenen Grenzen
und dem Sozialverhalten erreicht werden. Hierbei ist es wichtig, dass
diese nicht als kopflastiges Lernen, sondern viel mehr als ganzheitliche
Sinneserfahrung vermittelt werden. Durch das Einsetzen von erlebnis-
pädagogischen Methoden und Aktivitäten kann zudem erreicht werden,
dass die Schule bunter und abwechslungsreicher wird, was wiederum
positive Auswirkungen auf die Gesamtatmosphäre der Schule hat. (S.
135-138)
Grenzen
Um erlebnispädagogisch arbeiten zu können, muss ein klarer Auftrag
definiert sein, der sowohl den Schulsozialarbeitenden wie auch den
Lehrpersonen bekannt ist. Es ist hierbei hilfreich, wenn die Soziale Ar-
beit in der Schule verankert und bekannt ist, da so davon ausgegan-
gen werden kann, dass alle beteiligten Personen sich mit gemeinsa-
men Zielen identifizieren können. Nur so ist eine langfristige Koopera-
tion und Verankerung von erlebnispädagogischen Aktivitäten möglich.
(Jahnke, 2005 , S. 135-138)
Laut Nödl und Schmid (2011) ist diese langfristige Verankerung nötig,
um die Nachhaltigkeit zu sichern. Denn nur durch eine stetige Auffri-
schung der Erlebnisse können langfristige, individuelle Veränderungen
erreicht werden. Trotzdem sind der Ausgang und die Wirkung von er-
lebnispädagogischen Aktivitäten sehr subjektiv, da jedes Individuum
selber entscheidet, ob es die angebotenen Handlungsoptionen an-
nimmt beziehungsweise diese verarbeitet und in den Alltag integriert.
(S. 278) Zudem kann es nach Jahnke (2005) vorkommen, dass einzel-
TEIL B 4. ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER SCHULE AM BEISPIEL DEUTSCHLAND
ne Schülerinnen und Schüler während einer Aktivität negative Erleb-nisse machen. So kann zum Beispiel das wiederholte Scheitern an ei-nem Kletterhindernis Gefühle wie Enttäuschung, Frustration und Ag-gression auslösen. Hierbei ist es wichtig, dass die Schulsozialarbeiten-den darauf gefasst sind und dies als Chance nutzen, um mit den Kin-dern und Jugendlichen zu arbeiten. (S. 135-138)
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
5. DAS HANDLUNGSFELD DER
SOZIALEN ARBEIT IN DER
SCHULE ERWEITERT DURCH DIE
METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
Die vorhergehenden Kapitel haben viele Informationen über die Ziele, die Zielgruppen und die verschiedenen Funktionen und Methoden sowie Akti-vitäten der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik ge-liefert. Um aber die Erlebnispädagogik als Methode in der Sozialen Arbeit in der Schule anwenden zu können, müs-sen die Ziele und Zielgruppen mitei-nander vereinbar sein. Dazu werden die Ziele und Zielgruppen der Volks-schule, der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik miteinander verglichen. Ebenso wer-den die Arbeitshaltungen einander gegenüber gestellt. Anschliessend wird aufgezeigt, was die Erlebnispädagogik als Methode in den Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule Prä-vention, Früherkennung und Behan-dlung erreichen kann. Im nächsten Unterkapitel werden die Rahmen-bedingungen und Strukturen unter-sucht, die zur Implementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule der Deutschschweiz nötig sind. Interessant ist auch das Zusammenspiel der Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule und der
Erlebnispädagogik. Aus all diesen In-halten werden im letzten Unterkapitel die Chancen und Grenzen der Me-thode Erlebnispädagogik im Hand-lungsfeld Soziale Arbeit in der Schule der Deutschschweiz abgeleitet.
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
5.1 Ziele und Zielgruppen von Volksschule, Sozialer Arbeit in
der Schule und Erlebnispädagogik im Vergleich
Wie bereits im Abschnitt 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule er-wähnt, haben die Ziele, welche die Volksschule verfolgt, Einfluss auf die Defi-nition der Sozialen Arbeit in der Schule und somit auch auf deren Ziele. Um festzustellen, ob Erlebnispädagogik eine geeignete Methode für die Soziale Arbeit in der Schule darstellt, werden im folgenden Abschnitt die Ziele der Er-lebnispädagogik mit den Zielen der Volksschule und der Sozialen Arbeit in der Schule verglichen. Um diesen Vergleich zu tätigen, werden die Ziele der ein-zelnen Handlungsfelder in der Abbildung auf den einzelnen, horizontalen Ebenen einander gegenübergestellt.
Abb. 9: Ziele von Volksschule, Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispäd-agogik im Vergleich (Gesetz über die Volksschulbildung Kanton Luzern/ Gschwind & Ziegele, 2012a, S. 1/ Drilling, 2009, S. 120-121/ Heckmair & Michl, 2012, S. 115), selbst erstellt Indem die Erlebnispädagogik die Schüler und Schülerinnen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen stellt, kann die individuelle und soziale Entwicklung der Persönlichkeit gefördert werden. Diese beiden ersten
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
Ziele der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule können als deckungsgleich mit dem Ziel der Volksschule angesehen werden. Die Erlebnispädagogik hat die Möglichkeit, Erlebnisse zu Erfahrungen werden zu lassen. Durch die gesammelten Erfahrungen, deren Reflexion und den Transfer in den Alltag wird die Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei zu lösen, ge-stärkt. Konflikte können ebenfalls als Erlebnisse betrachtet werden, die Erfah-rungen mit sich bringen. Somit kann die Erlebnispädagogik und die Soziale Arbeit in der Schule die Zielerreichung der Volksschule unterstützen. Wenn die Volksschule den Lernenden die Kenntnisse vermittelt, welche ihnen helfen die persönliche Lebenssituationen zu gestalten, vermittelt sie automa-tisch auch Autonomie. Die Erziehung zu Autonomie steht aber laut Hafen (2005) in Konflikt mit den Pflichten, welche die Schule von der Schülerschaft einfordert (S. 46). Die Soziale Arbeit in der Schule stärkt die Problemlösungs- und Sozialkompetenz der Anspruchsgruppen. Zusammen mit der Erlebnis-pädagogik versucht sie die Lebenswelt der Anspruchsgruppen verantwortlich zu gestalten. Somit kann sich die Volksschule auf die Durchsetzung der Pflich-ten konzentrieren, ohne dass der Fokus Autonomie verloren geht oder im Wi-derspruch mit den Pflichten steht. Durch eine positive Schulhauskultur werden die Neugier und die Freude am Lernen aufrechterhalten. Eine positive Schulhauskultur kann entstehen, wenn durch die Erlebnispädagogik die Anspruchsgruppen in ihrer Persönlichkeits-entwicklung gefördert werden. Da die Erlebnispädagogik die Zielgruppe befä-higt, die eigene Lebenswelt verantwortlich zu gestalten, kann sie die Soziale Arbeit in der Schule in ihrer Zielerreichung unterstützen. Durch das Einführen der Sozialen Arbeit in der Schule wurde laut Baier und Heeg (2011) das Wohlbefinden der Schülerschaft gesteigert.12 Wie die Unterstützung der So-zialen Arbeit in der Schule sich auf die Lehrpersonen auswirkt, zeigt der Wir-kungskreis Abbildung 6 sehr gut auf. Auch hier kann die Erlebnispädagogik mit ihren Aktivitäten unterstützend ansetzen. Laut Tina Haschler und Detlef H. Rost (2009) können positive Emotionen und Wohlbefinden in der Schule Indi-katoren für die Qualität von sozialen Interaktionen darstellen. Sie können die Bewältigung schulischer Anforderungen unterstützen und somit Bildung er-möglichen und die Entwicklung des Individuums unterstützen. Positive Emo-tionen und Wohlbefinden stellen eine Ressource für das Bestehen und Voran-kommen im Schulalltag dar und funktionieren darum als Prävention. (zit. in Müller Reto & Tina Haschler, 2011, S. 14) Das Wohlbefinden, welches durch die Erlebnispädagogik und die Soziale Arbeit in der Schule gefördert wird, legt somit die Grundlage, die Freude und die Neugier am lebenslangen Lernen aufrecht zu erhalten. Die fünfte Ebene befasst sich mit den Werten Freiheit, Gerechtigkeit, Tole-ranz, Solidarität und Chancengleichheit. Laut Hafen (2005) werden in der Schule die Inklusionschancen der Schülerschaft auf der einen Seite gefördert, auf der anderen Seite aber gehemmt. Die Hemmung erfolgt durch Noten und Zeugnisse.13 Diese Selektionsfunktion steht aber in einem Widerspruch mit der Forderung der Schule nach Gleichheit für alle. Ziel wäre es, die geburts- und schichtbedingten Ungleichheiten zu verringern oder gar zu beseitigen. (S. 45-46) Geburts- und schichtbedingte Ungleichheiten sind in der Erlebnispäd-agogik nicht relevant. Ziel ist es, durch Erlebnisse Erfahrungen zu generieren. Erfahrungen sind immer subjektiv. Durch erlebnispädagogische Aktivitäten
12 vgl. Kapitel 2.8 Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule 13 vgl. Kapitel 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
können das Selbstwertgefühl, die Selbstsicherheit oder auch das Körperbe-wusstsein gesteigert werden. Die Bildung in der Schule kann nach Hans Thiersch (2011) als formale Bil-dung bezeichnet werden. Sie ist strukturiert mit hierarchisch gegliederten Pro-zessen mit Lernzielen und Noten (S. 168). Bildung umfasst aber mehr als das Lernen von Fakten im Rahmen eines schulischen Lehrplans. Nach Burkhard Müller, Susanne Schmid und Marc Schulz (2005) bezeichnen die non-formalen Bildungsprozesse selbstgesteuertes Lernen ausserhalb klassischer Bildungseinrichtungen in unterschiedlichen Umgebungen und Settings. Das Lernen ist freiwillig (S. 11). Burkhard Müller (2004) bemerkt, dass es die Funk-tion von non-formaler Bildung ist, die Selbstbestimmungsfähigkeit eines Indi-viduums mit pädagogisch reflektierten Angeboten zu erweitern (S. 40). Genau hier setzt die Erlebnispädagogik an. Somit kann festgehalten werden, dass die Erlebnispädagogik non-formale Bildungsprozesse fördert, welche die Selbst-bestimmungsfähigkeit des Individuums erhöhen und durch die Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstsicherheit dem Widerspruch der Selektion in der Schule entgegen wirken kann. Somit wird laut Hafen (2005) die Chance zur Gleichheit der Inklusion wieder gegeben (S. 21). Indem die Soziale Arbeit in der Schule die Problemlösungs- und Sozialkompetenz der Anspruchsgrup-pen stärkt, kann sie den Prozess der non-formalen Bildung ebenfalls unter-stützen. Wenn die Fähigkeit gegeben ist, die eigene Lebenswelt verantwortlich zu ge-stalten, ist auch das Interesse an Mitsprache gegeben. Abstimmungsent-scheide in der direkten Demokratie der Schweiz haben zum Teil direkten Ein-fluss auf die Lebenswelt ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Laut Hangartner (2010) macht es sich die partizipative Funktion zur Aufgabe, gesellschaftliche Gruppierungen ohne Möglichkeiten zur politischen Partizipation Stimme zu verschaffen (S. 288). Somit kann die Soziokulturelle Animation in der Sozialen Arbeit in der Schule aufgrund der Funktion Partizipation die Schülerinnen und Schüler in der Gestaltung eines dem Gemeinwohl dienenden Staates unter-stützen. Zusammen mit dem Ziel der Erlebnispädagogik die eigene Lebens-welt verantwortlich zu gestalten, kann die Soziale Arbeit in der Schule in die-ser Konstellation sehr wohl auf das genannte Ziel der Volksschule hinarbeiten. In Deutschland besteht das Konzept von Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule bereits.14 Jahnke (2005) merkt an, dass die Ziele der Er-lebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule variabel bleiben müssen. Das Wichtigste dabei ist aber, dass die Ziele der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule übereinstimmen und so als gemeinsame Erzie-hungsziele definiert werden können (S. 126). Der Vergleich der Ziele der Erlebnispädagogik und der Ziele der Sozialen Ar-beit in der Schule mit der Volksschule zeigen anschaulich auf, dass die Ziele der Erlebnispädagogik mit den Zielen der Sozialen Arbeit in der Schule über-einstimmen und die Zielerreichung der Sozialen Arbeit in der Schule sogar fördern. Die Erlebnispädagogik ist also eine ideale Methode, um die Soziale Arbeit und die Volksschule in ihrer Zielerreichung zu unterstützen. Der Ver-gleich wurde mit den Volksschulzielen des Kantons Luzern getätigt. Die Ziele der Volksschule des Kantons Bern und des Kantons Zürich befinden sich zur Einsicht im Anhang D. Sie sind mit den Zielen des Kantons Luzern vergleich-bar. Somit können die Ergebnisse des Vergleichs als allgemein gültig für die Deutschschweiz betrachtet werden.
14 vgl. Kapitel 4.2 Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
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Wird der Fokus auf die Zielgruppen gelegt ist klar, dass in der Volksschule die Schüler und Schülerinnen die primäre Zielgruppe sind. Die Soziale Arbeit in der Schule spricht von Anspruchsgruppen. Mit Anspruchsgruppen sind alle Personen gemeint, welche in irgendeiner Form mit der Sozialen Arbeit in der Schule in Kontakt kommen.15 Die Erlebnispädagogik definiert im Kontext Schule als primäre Zielgruppe die Schülerinnen und Schüler. Als sekundäre Zielgruppe kann die Lehrerschaft benannt werden. Somit kann gesagt werden, dass zwar die Anspruchsgruppen der Sozialen Arbeit in der Schule umfassender sind als die Zielgruppen der Volksschule und der Erlebnispädagogik, sich jedoch bei letzterer mit der Lehrerschaft und den Schülern und Schülerinnen decken.16 Wie die Erlebnispädagogik in den Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schu-le platziert werden kann, soll das nächste Unterkapitel aufzeigen.
5.2 Arbeitshaltungen der Sozialen Arbeit in der Schule im
Vergleich mit der Erlebnispädagogik
Eine gute Beziehung zu den Schülern und Schülerinnen ist elementar, um mit
ihnen zu arbeiten und Hilfestellung geben zu können. Um eine gelingende
Beziehung aufzubauen und die Schülerschaft in ihrer Persönlichkeitsentwick-
lung zu stärken, braucht es verschiedene Arbeitshaltungen. Diese sind in der
Sozialen Arbeit der Schule und der Erlebnispädagogik nicht genau gleich be-
schrieben, gehen aber von ähnlichen Ansätzen aus.17 Aus diesem Grund wer-
den die jeweiligen Arbeitshaltungen einander gegenübergestellt und kurz ver-
glichen.
Arbeitshaltungen Soziale Arbeit in Arbeitshaltungen Erlebnispädago-
der Schule
Systemorientiert
(Systemorientiert)
Handlungsorientiert
Ressourcenorientiert Prozessorientiert
Ausgewogenheit zwischen Erlebnis und Verarbeitung dessen
Abb. 10: Arbeitshaltungen im Vergleich (Gschwind & Ziegele, 2012a, S. 1/ Heckmair & Michl, 2012, S. 112-114), selbst erstellt In der Sozialen Arbeit der Schule spielt die Lebensweltnähe eine zentrale Rol-le, dabei soll adressatennah und individuell in der unmittelbaren Lebenswelt der Schüler und Schülerinnen gehandelt werden. Bei der Erlebnispädagogik ist dies nicht der Fall. Hier werden Erlebnisse bewusst ausserhalb der norma-len Lebenswelt zur Verfügung gestellt. Durch die Reflexion und den Transfer in den Alltag ist aber auch hier die Lebensweltnähe gewährleistet bezie-hungsweise hergestellt. Ebenfalls eine wichtige Arbeitshaltung in der Sozialen Arbeit der Schule ist die Niederschwelligkeit. Diese ist wichtig, damit die Schüler und Schülerinnen einen einfachen Zugang zu den Hilfsangeboten der Sozialen Arbeit in der Schule finden. Die Erlebnispädagogik kann durch ihre non-formalen Bildungs-
15 vgl. Kapitel 2.4 Anspruchsgruppen und Zielsetzungen der Sozialen Arbeit in der Schule 16 vgl. Kapitel 3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik 17 vgl. Kapitel 2.5 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit in der Schule & Kapitel 3.4.1 Arbeitshaltungen
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angebote, den Nährboden für eine gelingende Beziehung darstellen. Durch eine intensive Zusammenarbeit der Schulsozialarbeitenden mit den Lehrper-sonen sowie Schülern und Schülerinnen kann die Erlebnispädagogik einen guten Zugang zu anderen Angeboten der Sozialen Arbeit in der Schule her-stellen. Somit tragen erlebnispädagogische Angebote klar zur Niederschwel-ligkeit bei. Der systemorientierte Ansatz geht davon aus, dass nicht nur das Individuum, sondern auch die Familie, die Lehrpersonen, die Mitschüler und Mitschülerin-nen sowie das nahe Umfeld für Problemlösungsprozesse relevant sind, sprich die gesamte Lebensumwelt. Die Erlebnispädagogik arbeitet in dem Sinne mit dem Systemansatz, dass sie mit Gruppen und deren Dynamiken arbeitet, wobei der Fokus auch auf indivi-duellen Themen liegen kann. Im schulischen Kontext wäre das die Schulklas-se oder der Klassenverband als Ganzes. Die systemische Erlebnispädagogik wiederum geht tiefer und bezieht sich auf das Individuum in seiner Lebens-welt, zusätzlich mit den Dimensionen der Natur und der Spiritualität. Die Partizipation als Arbeitshaltung der Sozialen Arbeit in der Schule geht davon aus, dass die Anspruchsgruppen in einem möglichst hohen Masse be-teiligt werden sollen. Dies ist eine Haltung die auch in der Erlebnispädagogik teilweise eingenommen wird. Werden beispielsweise Lehrpersonen und Schü-lerschaft in die Planung einer erlebnispädagogischen Aktivität miteinbezogen, fördert das die Identifikation mit der Aktivität und somit auch die Lernbereit-schaft. Die Partizipation kann aber nicht bis zur letzten Stufe erlebnispädago-gisch gelebt werden, da die Aktivitäten immer aufgrund von angestrebten Zie-len stattfinden. Zwar können die Zielgruppen womöglich bei der Zielerarbei-tung mitbestimmen, die Aufgabenstellung und die Rahmenbedingungen wer-den aber von der Fachperson der Erlebnispädagogik definiert und ausgearbei-tet. Auch hat sie während den Aktivitäten die klare Führungsrolle inne und steuert den Gruppenprozess. Die Ressourcenorientierung ist eine der meist genannten und wichtigsten Ar-beitshaltungen in der Sozialen Arbeit in der Schule. Dieser Ansatz wird in der Erlebnispädagogik ebenfalls nicht explizit erwähnt, schwingt aber unterschwel-lig immer mit. Bei der Erlebnispädagogik geht es darum, die Schüler und Schülerinnen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken. Dies kann nur über eine ressourcenorientierte Haltung geschehen. Ist der Fokus defizitorien-tiert, gelingt es den Schülern und Schülerinnen nicht, neue Ressourcen zu entdecken, was ebenfalls ein zentraler Handlungsansatz der Erlebnispädago-gik darstellt. Die grösste Übereinstimmung der Arbeitshaltungen der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule besteht sicherlich in der Prozessorien-tierung. Die Soziale Arbeit in der Schule geht hier davon aus, dass der Pro-zess und nicht ein einziges Ereignis im Vordergrund steht. Auch bei erlebnis-pädagogischen Aktivitäten steht nicht das eigentliche Erlebnis oder Ereignis im Vordergrund. Vielmehr soll das Erlebnis einen Prozess in Gang setzen, der mittels Reflexion sichtbar gemacht wird. Bei der Erlebnispädagogik kommt die Arbeitshaltung der Handlungsorientie-rung dazu. Diese meint, dass nicht der Denkprozess zentral ist, sondern dass das Handeln im Vordergrund steht. Veränderungen werden nicht nur möglich, sondern auch konkret erlebbar, indem die Schüler und Schülerinnen sich in der Handlung erleben. Dies bietet sich auch für die Soziale Arbeit in der Schu-le an, da so ein Abstand zum sehr denkorientierten Schulalltag gewonnen
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werden kann, was wiederum die Position der Sozialen Arbeit in der Schule in Abgrenzung zur Schule selbst stärkt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Arbeitshaltungen nicht ex-plizit die Gleichen sind, sich implizit aber sehr ähneln. Dies ist sicherlich dar-auf zurückzuführen, dass die Soziale Arbeit in der Schule ein Handlungsfeld und die Erlebnispädagogik eine Methode ist. So operieren die beiden Felder auch auf zwei unterschiedlichen Ebenen, was die Arbeitshaltungen schwer vergleichbar macht. Dennoch wird sichtbar, dass die Arbeitshaltungen sich nicht konkurrenzieren, sondern sehr gut ergänzen.
5.3 Erlebnispädagogik in der Prävention, Früherkennung und
Behandlung
Dieses Unterkapitel soll aufzuzeigen, was mit erlebnispädagogischem Arbei-ten in den drei Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung er-reicht werden kann. Deshalb werden an dieser Stelle die Wirkungen der Er-lebnispädagogik mit den drei Funktionen verglichen. So soll sichtbar werden, was die Erlebnispädagogik in den drei Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule bewirken kann. Da in den einzelnen Funktionen nicht näher auf kon-krete erlebnispädagogische Aktivitäten eingegangen wird, werden diese hier im Kontinuum von Prävention, Früherkennung und Behandlung verortet. Diese Einteilung ist nicht abschliessend und jede Aktivität kann anders geplant und mit einem anderen Fokus in einer anderen Funktion durchgeführt werden. Die verorteten Aktivitäten leiten sich aus dem bereits im Unterkapitel 3.6 genann-ten Vergleich erlebnispädagogischer Aktivitäten von Heckmair und Michl (2012) ab.
Abb. 11: Verknüpfung Kontinuum und Aktivitäten der Erlebnispädagogik (Gschwind und Ziegele, 2012c, S. 1-2/ Heckmair und Michl, 2012, S. 236-241), selbst erstellt
5.3.1 Prävention
Bei der Prävention geht es wie bereits beschrieben darum, Schutzfaktoren zu
stärken und Risikofaktoren zu minimieren. Genannte Schutzfaktoren sind: ein
positives Selbstbewusstsein, ein gutes Sozialverhalten, aktive Stressbewälti-
gung und auch gute familiäre Beziehungen.18 Was kann die Erlebnispädago-
gik zur Stärkung dieser und anderer Schutzfaktoren beitragen? Zum einen
18 vgl. Kapitel 2.6.1 Prävention
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
kann durch erlebnispädagogische Aktivitäten das Selbst- und Körperbewusst-sein gestärkt werden. Zum anderen wird auch die Sozialkompetenz geschult und ausgeweitet.19 Dies sind die wesentlichen Schutzfaktoren, die zur Verhin-derung von zukünftigen, unerwünschten Zuständen beitragen. Gerade die Stärkung der Sozialkompetenz hat den Nebeneffekt, dass sie die Schulhaus-kultur positiv beeinflussen kann. Durch eine gesteigerte Sozialkompetenz wird die Gefahr von Mobbing oder Gewaltvorfällen vermindert. Ebenfalls wird auf der Ebene der Verhältnisprävention eine Veränderung der Schulhauskultur bewirkt. Dies einerseits durch erlebnispädagogische Aktivitäten, die sich auf non-formale Bildungsprozesse beziehen und so zur ganzheitlichen psychoso-zialen Erziehung der Kinder und Jugendlichen beitragen. Andererseits indem Erlebnisse ermöglicht werden. Dies geschieht beispielsweise durch den Bau eines Kletterparcours, bei dem die Schüler und Schülerinnen miteinbezogen werden. Im Kontext der Präventionsarbeit mit ganzen Klassen kann die erleb-nispädagogische Gestaltung eines Klassenlagers einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Klassenklimas und des Klassenzusammenhaltes leisten.20 Werden die erlebnispädagogischen Aktivitäten in der Natur durchgeführt, kann das die Sorgfalt mit der Umwelt und untereinander fördern.21 Dies hat wieder-um eine präventive Wirkung im Sinne, dass mehr Sorge zur Infrastruktur der Schule getragen wird und Littering vorgebeugt werden kann. Auch kann durch den sorgfältigeren Umgang miteinander Vorfällen wie Mobbing oder Gewalt-handlungen entgegengewirkt werden. Auf der Ebene der Verhaltenspräventi-on können erlebnispädagogische Aktivitäten zudem zur Verminderung von Suchtmittelmissbrauch führen, da die Kinder und Jugendlichen lernen zu er-kennen, wann Hilfe gebraucht wird und sie lernen diese anzufordern und auch anzunehmen. Zudem wird die Schülerschaft bei erlebnispädagogischen Aktivi-täten an ihre Grenzen geführt, wobei das Ziel ist, diese zu erkennen, zu über-schreiten und somit zu erweitern. Findet danach ein Transfer der Grenzerfah-rungen in den Alltag statt, wird wiederum eine präventive Wirkung in Bezug auf den Suchtmittelkonsum sichtbar. Erlebnispädagogik ist damit sehr gut ge-eignet, präventiv zu arbeiten. Damit entsteht ein Ausgleich zwischen den Funktionen Prävention und Behandlung.
5.3.2 Früherkennung
Ziel der Früherkennung ist es, wie es das Wort bezeichnend sagt, Probleme
frühzeitig zu erkennen.22 Die Erlebnispädagogik kann hier auf verschiedenen
Ebenen ihren Beitrag leisten. Wird bei den erlebnispädagogischen Angeboten
der Fokus auf die Früherkennung gelegt, bietet dies eine grosse Möglichkeit,
verborgene Probleme zu erkennen, da diese in einem anderen, erlebnispäd-
agogischen Setting eher an die Oberfläche treten, beziehungsweise weniger
gut versteckt werden können. Werden dabei die Lehrpersonen mit einbezo-
gen, hat dies wiederum auf verschiedenen Ebenen eine positive Wirkung.
Einerseits wird die Beobachtungsgabe der Lehrpersonen geschult, wenn sie
als Beobachterinnen und Beobachter auftreten. Andererseits ermöglicht das
erlebnispädagogische Setting durch die gezielte Reflexion auch eine Sensibi-
lisierung gegenüber den Problemen der Schüler und Schülerinnen und dem
Erkennen dieser. Diese gesteigerte Beobachtungsgabe gilt es dann in den
Schulalltag zu integrieren und gemachte Beobachtungen an die koordinieren-
de Person weiterzuleiten.23 Werden die Lehrpersonen zudem partizipativ in
die Planung und Umsetzung der erlebnispädagogischen Handlung miteinbe-
19 vgl. Kapitel 3.7 Wirksamkeit der Erlebnispädagogik 20 vgl. Kapitel 3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik 21 vgl. Kapitel 4.2 Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in Deutschland 22 vgl. Kapitel 2.6.2 Früherkennung 23 vgl. Frowin Betschart, Anhang E3
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
zogen, fühlen sie sich von den Schulsozialarbeitenden als Fachpersonen ak-zeptiert.24 So werden die Lehrpersonen als Experten gebraucht und können im Idealfall auch ihre persönlichen Unterrichtsziele in die Planung einfliessen lassen. Laut Lüttringhaus (2000) ist Expertenwissen Insiderwissen. Durch Par-tizipationsprozesse kann das Expertenwissen der Lehrpersonen gebündelt werden. Dadurch wird ein hohes, noch nicht gefördertes Potential an Kreativi-tät freigesetzt. (S. 31) Durch den starken Einbezug der Lehrpersonen bei erlebnispädagogischen Aktivitäten mit dem Fokus Früherkennung wird auch dem Grundsatz von Gschwind und Ziegele (2010) Folge geleistet. Sie gehen davon aus, dass Früherkennung durch die Lehrpersonen geschehen soll und die Soziale Ar-beit in der Schule die Früherkennung nur koordinieren und initiieren sollte. (S. 14) Durch das geänderte Setting und den Einbezug der Lehrpersonen erhalten diese die Möglichkeit, ungeahnte Ressourcen bei den Kindern und Jugendli-chen zu erkennen und so bestehende Vorurteile oder Zuschreibungen abzu-bauen. Ebenfalls kann sich die Beziehung der Schülerschaft zu den Lehrper-sonen positiv verändern, in dem die Schüler und Schülerinnen ihre Lehrper-son in einem anderen, „lockereren" Setting kennen und schätzen lernen.25 Zudem wird durch die Sensibilisierung der Beobachtungsgabe ein Auge für Feinheiten im Umgang mit den Lernenden geschult. Das wiederum kann be-wirken, dass die Lehrpersonen erkennen, wie sie in konkreten Situationen mit den einzelnen Schülern und Schülerinnen umgehen müssen, um deren Moti-vation zu fördern. Durch einen Transfer von Erlebtem im erlebnispädagogi-schen Setting in den Schulalltag kann die Motivation und das Interesse für schulische Belangen und das Lernen gefördert werden, sodass Schüler und Schülerinnen motivierter am Unterricht teilnehmen. Dazu merkt Lars Oertel (2010) an, dass es einen positiven Einfluss auf die Schulfreude hat, wenn die Schülerschaft die Qualität des Unterrichts als gut und das Handeln der Leh-rerschaft als professionell bewerten. (S. 189-190)
5.3.3 Behandlung
Zentraler Handlungsansatz in der Behandlung ist die Begleitung und Beratung
der Kinder und Jugendlichen, wobei der Handlungsspielraum der Anspruchs-
gruppen durch ressourcen- und lösungsorientiertes Beraten erweitert werden
soll.26 Die Erlebnispädagogik leistet auch in dieser Funktion einen Beitrag zur
Erfüllung der Aufgaben der Sozialen Arbeit in der Schule. So wird durch die
Erlebnispädagogik der Handlungsspielraum der Anspruchsgruppen vergrö-
ssert, indem sie mit neuen, unbekannten Situation konfrontiert werden und
neue Lösungsstrategien ausarbeiten müssen.27 Werden die Lösungsstrategien
anschliessend durch Reflexion in den Alltag transferiert, erweitert das den
Handlungsspielraum der Schüler und Schülerinnen. Zudem stellen erlebnis-
pädagogische Settings eine gute und willkommene Abwechslung zum teilwei-
se formalen Beratungssetting dar. Dieses neue Setting bringt wiederum den
Vorteil mit, dass von den Schulsozialarbeitenden und Lehrpersonen genauere
Beobachtungen gemacht werden können, ohne dass Kinder und Jugendliche
für sie schwierige Themen ansprechen müssen. Gerade für Schüler und
Schülerinnen, die sich nur schwer öffnen, kann die Erlebnispädagogik eine
gute Einstiegsmöglichkeit in eine längerfristige Beratung oder Begleitung dar-
stellen. Zudem kann durch erlebnispädagogische Aktivitäten das Vertrauen in
die Schulsozialarbeitenden gestärkt werden. So zum Beispiel durch eine ein-
24 vgl. Kapitel 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule 25 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten 26 vgl. Kapitel 2.6.3 Behandlung 27 vgl. Kapitel 3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik
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fache Aktivität, wie das nach hinten Fallenlassen und Aufgefangen werden. Solche Aktivitäten machen das Vertrauen für die Anspruchsgruppen erlebbar und können eine Öffnung auch für schwierige Themen zur Folge haben. In Bezug auf die sozialpädagogische Gruppenarbeit steigern erlebnispädago-gische Aktivitäten das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen, indem:
• auch andere Themen als nur schulisch-leistungsorientierte Themen
angesprochen werden können, beispielsweise die Gruppendynamik, Mobbing und andere.
• gerade beim Thema Mobbing durch das Erleben von Opfer- und Tä-
tersituationen eine Veränderung im Denkprozess angeregt wird. Zu-dem kann eine ausgeschlossene, gemobbte Person in die Klasse ein-facher reintegriert werden, indem die Klasse merkt, dass es jedes Indi-viduum im Klassenverband braucht, um ein gemeinsames Ziel zu er-reichen. Hierbei ist Vorsicht geboten bei der Auswahl der Aktivität, da dies auch die gegenteilige, kontraproduktive Wirkung haben kann und ein Mobbingopfer erneut ausgeschlossen wird.28
• den Kindern und Jugendlichen das Erleben von Demokratisierung,
Emanzipation, Mündigkeit, Partizipation, Selbsterfahrung und Selbst-verwirklichung ermöglicht wird. Dies sind alles Begriffe, die nach Pfaf-fenberger (2007) wichtig sind, um die Sozial- und Selbstkompetenz zu schulen (zit. in Hedtke-Becker & Peter, 2009, S.182). Dies geschieht immer dann, wenn eine Aktivität partizipativ gestaltet wird und die Kin-der und Jugendlichen mit konkreten, herausfordernden Situationen konfrontiert werden.
Für das Gelingen der fallbezogenen Einzelarbeit kann die Erlebnispädagogik folgende Anteile leisten:
• Sie fördert durch das Erleben das Vertrauen zu den Erwachsenen.
• Die Erlebnispädagogik leistet wie bereits oben erwähnt einen Beitrag
zur gelingenden Beziehungsarbeit, was wiederum positiven Einfluss auf die Öffnung der Kinder und Jugendlichen gegenüber den Schulso-zialarbeitenden hat.
• Erlebnispädagogische Aktivitäten fördern das Selbstbewusstsein, in-
dem Herausforderungen gemeistert werden und die Schüler und Schü-lerinnen dafür Anerkennung erhalten.
• Soziale Kompetenzen können gesteigert werden, indem die Schüler-
schaft merkt, dass zusammen mehr erreicht wird als alleine und sie zudem ein adäquates Verhalten in der Gruppe lernen.29
• Durch gezielte erlebnispädagogische Massnahmen kann ein Bewusst-
sein für den eigenen Körper und dessen Grenzen geschaffen werden. Zudem können Berührungsängste mit anderen abgebaut werden, in-dem Schülerinnen und Schüler beispielsweise in einem Spiel nur ge-winnen können, wenn sie sich an der Hand halten.
• Ein Umgang mit fremden, herausfordernden, vielleicht auch Angst ein-
flössenden Situationen wird geschult. Werden bei den erlebnispäd-agogischen Aktivitäten Handlungsoptionen entdeckt und diese in den Alltag transferiert, trägt dies wiederum zur Stärkung des Selbstbe-wusstseins und zur Selbstwirksamkeit bei.
Abschliessend kann gesagt werden, dass dies nur einige Verknüpfungen zwi-schen den Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule und den erlebnispäd-agogischen Ansätzen sind. Diese sind auf keinen Fall abschliessend und kön-nen die anderen Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule nicht ersetzen.
28 vgl. Kapitel 4.2 Ziele der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule 29 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten
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Erlebnispädagogische Aktivitäten stellen aber eine wirkungsvolle Ergänzung zu den klassischen Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule dar. Die Er-lebnispädagogik kann einen wesentlichen Anteil zur ganzheitlicheren, psycho-sozialen Entwicklung leisten und erweitert das Handlungsfeld der Schulsozial-arbeitenden, der Lehrpersonen und vor allem der Kinder und Jugendlichen.
5.4 Rahmenbedingungen und Strukturen für die Erlebnispäd-
agogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
In diesem Unterkapitel werden die äusseren Faktoren untersucht, die zur Im-plementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in der Schule nötig sind. Dafür muss die Kooperation von Schule und Sozialer Arbeit geklärt wer-den, da die Methode Erlebnispädagogik nicht in jedem Träger- und Kooperati-onsmodell gleich gut funktionieren kann.30
5.4.1 Trägermodelle
Laut Vögeli-Mantovani (2005) und Helfenstein et al. (2008) gibt es drei Trä-
germodelle für die Soziale Arbeit in der Schule. Diese sind die Schule selbst,
Jugendsekretariate beziehungsweise die Abteilung Soziales der Gemeinde
sowie freie und/oder gemischte Träger.31 Jedes dieser Trägermodelle hat im
Kontext einer Einführung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit der
Schule Vor- und Nachteile. Allerdings sind weniger die Trägermodelle, son-
dern vielmehr das gewählte Kooperationsmodell für eine gelingende Imple-
mentierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit der Schule entschei-
dend. Deshalb werden die Trägermodelle nur kurz angesprochen und gleich
anschliessend genauer auf die Kooperationsmodelle eingegangen.
Beim Trägermodell durch die Schule besteht der wesentliche Vorteil darin,
dass die Soziale Arbeit in der Schule bei der Institution angehängt ist, in wel-
cher sie auch arbeitet. Steht die Schule hinter dem erlebnispädagogischen
Ansatz, ist es relativ einfach diesen zu verankern. Zudem sind auch die Lehr-
personen bis zu einem gewissen Grad gezwungen zu kooperieren, da sie der
gleichen Institution angehören. Auch hat dieses Trägermodell den Vorteil,
dass bei zusätzlichem finanziellem Aufwand einfacher neue Ressourcen ge-
neriert werden können, da die Entscheidungswege kürzer sind als bei den
anderen Trägermodellen. Allerdings birgt dies auch eine Gefahr. Steht die
Schulleitung der Erlebnispädagogik kritisch gegenüber, ist eine Implementie-
rung fast unmöglich. Bei der Trägerschaft durch die Sozialbehörde oder durch
freie, unabhängige Träger besteht der Vorteil darin, dass die Schule die Sozia-
le Arbeit in der Schule mit ihrem Angebot einkauft. Somit kann die Soziale
Arbeit in der Schule auf Augenhöhe mit der Schule selber auftreten und erhält
Rückendeckung von aussen. Falls die Trägerbehörde hinter dem erlebnispäd-
agogischen Ansatz steht und dieser im Konzept verankert ist, wird die Mög-
lichkeit grösser, dass die Erlebnispädagogik Einzug in die Soziale Arbeit der
Schule halten kann, da sie nicht vollständig von der Schule abhängig ist. Al-
lerdings werden die Entscheidungswege länger, was wiederum eine genauere
Auftragsklärung nötig macht. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass es nur
möglich ist, die Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit der Schule zu imple-
mentieren, wenn die Trägerbehörde hinter diesem Ansatz steht und dieser
auch konzeptionell verankert wird.
5.4.2 Erlebnispädagogik in den Kooperationsmodellen der Sozialen Ar-
beit und der Schule
In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Schulsozialarbeitsmodelle un-ter dem Aspekt der Einsatzmöglichkeiten der Erlebnispädagogik beleuchtet. 30 vgl. Kapitel 2.7 Rahmenbedingungen und Strukturen 31 vgl. Kapitel 2.7.1 Trägermodelle
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Auch die drei Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule werden mit einbe-zogen.
Erlebnispädagogik im integrativen Modell
In diesem Modell gibt es viele Einsatzmöglichkeiten für die Methode
der Erlebnispädagogik. Wird die Erlebnispädagogik im Konzept der
Schule noch nicht erwähnt, haben die Schulsozialarbeitenden in der
Schule grundsätzlich die Möglichkeit, sie darin zu verankern.32 Dies
schafft Legitimation. Durch die Kooperation mit den Lehrpersonen
kann intensiv mit den Schülerinnen und Schülern, wie auch mit dem
Klassenverband (Lehrperson inklusive) als Ganzes gearbeitet wer-
den.33 In diesem Modell ist damit sowohl verhalten- als auch verhält-
nispräventives Arbeiten möglich. Die Soziale Arbeit in der Schule ist
auch aufgefordert, sich am Schulentwicklungsprozess zu beteiligen.34
Auch bei der Behandlung kann bei Schwierigkeiten im Klassenverband
die Lehrperson mit einbezogen werden. Mittels gezielten erlebnispäd-
agogischen Aktivitäten können zum Beispiel Rollenstrukturen innerhalb
des Klassenverbandes thematisiert und aufgebrochen werden.35 Durch
die Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen kann die Früherkennung
gezielt implementiert werden.36 Beim integrativen Modell wird die psy-
chosoziale Erziehung bereits stärker gewichtet als in den anderen Mo-
dellen. Mit zusätzlichen erlebnispädagogischen Aktivitäten, die den
Schwerpunkt auf non-formale Bildungsprozesse37 legen, wird die Bil-
dung der Schüler und Schülerinnen um einen weiteren, wesentlichen
Aspekt in der ganzheitlichen Entwicklung breiter.
Erlebnispädagogik im additiv-kooperativen Modell
Grundsätzlich kann die Erlebnispädagogik Einlass in dieses Modell fin-
den. Gerade wenn es darum geht, aussergewöhnliche und zusätzliche
Aktivitäten anzubieten, werden Lehrpersonen gerne auf das Angebot
der Sozialen Arbeit in der Schule zurückgreifen.38 Präventionspro-
gramme können in einer Projektwoche gezielt mit erlebnispädagogi-
schen Aktivitäten angereichert werden, auch Kurzzeitprojekte oder La-
ger sind denkbar.39 Da die Soziale Arbeit in der Schule „von aussen"
kommt, kann sie erlebnispädagogische Aktivitäten als Standartwerk-
zeug einsetzen, so zum Beispiel bei der sozialpädagogischen Grup-
penarbeit40. Da dies bereits in der Leistungsvereinbarung festgehalten
ist, muss nicht mit der Schule um zusätzliche Zeit gerungen werden.41
Allerdings ist eine Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen nicht vorge-
sehen, vermutlich wird es lediglich Absprachen geben. Es fehlt damit
die Möglichkeit, mit dem Klassenverband als Ganzes inklusive der
Lehrperson zu arbeiten. Dies verunmöglicht das verhältnis-präventive
Arbeiten bereits im Kleinen.42 Erlebnispädagogische Aktivitäten, wel-
32 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 33 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten 34 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 35 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten 36 vgl. Kapitel 5.3.2 Früherkennung 37 vgl. Kapitel 5.1 Ziele und Zielgruppen von Volksschule, Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispädagogik im Vergleich 38 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 39 vgl. Kapitel 5.3.1 Prävention & Kapitel 4.4 Einsatzmöglichkeiten 40 vgl. Kapitel 5.3.3 Behandlung 41 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 42 vgl. Kapitel 5.3.1 Prävention
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
che die Rollenverteilung oder den Gruppenzusammenhalt im Fokus haben, sind zwar nicht unnütz, es fehlt aber eine wichtige Komponen-te: die Hierarchie Schülerschaft - Lehrperson wird nie aufgebrochen werden. Ebenso wird die Lehrperson beim Zusammenschweissen der Schülerschaft zur Gemeinschaft ausgeschlossen.43
Erlebnispädagogik im subordinativen Modell
Grundsätzlich wird die Soziale Arbeit in der Schule in diesem Modell so
arbeiten müssen, wie die Schule dies wünscht.44 Hat die Schule in ih-
rem Konzept einen entsprechenden Schwerpunkt, können erlebnis-
pädagogische Aktivitäten durchaus erwünscht und angebracht sein.
Wenn diese konzeptionelle Verortung aber fehlt, wird es für die Schul-
sozialarbeitenden schwierig werden, die Methode Erlebnispädagogik
zu integrieren. Denn gerade für erlebnispädagogische Aktivitäten in
Gruppensettings ist oft ein zusätzlicher Zeit- und finanzieller Aufwand
nötig.45 Da im subordinativen Modell der Fokus der Sozialen Arbeit in
der Schule mehrheitlich auf der Interventionsebene liegt, wird es mit
erlebnispädagogischen Elementen zu arbeiten. Präventionsprogramme
oder Projektwochen mit erlebnispädagogischen Aktivitäten können
durchaus von Schulsozialarbeitenden angeboten werden, allerdings
nur solange sie innerhalb vom schulisch definierten Rahmen46 stattfin-
den. Erlebnispädagogisches Arbeiten benötigt aber auch eine Vorbe-
reitung und eine Nachbetreuung, wenn dies nachhaltig wirken soll.47
Um diese zusätzliche Zeit mit den Anspruchsgruppen zu bekommen,
ist ein Mehraufwand durch die Schulsozialarbeitenden in der Schule
nötig, weil sie diese Stunden bewilligt haben müssen.
Beim Vergleichen dieser drei Kooperationsmodelle fällt auf, dass die Erlebnis-pädagogik im integrativen Modell am meisten Handlungsspielraum hat, vor-ausgesetzt die Methode ist im Konzept verankert. Auch die Nachhaltigkeit ist am grössten dank dem verhalten- und verhältnispräventiven Arbeiten. Somit kann dieses Modell favorisiert werden, um die Erlebnispädagogik in die Sozia-le Arbeit in der Schule zu implementieren.
5.4.2 Personelle Rahmenbedingungen und erforderliche Kompetenzen
Wenn die Methode Erlebnispädagogik in das Repertoire der Schulsozialarbei-
tenden aufgenommen werden soll, müssen die Fachpersonen die Methode
selbst anwenden können. Auf die Kompetenzprofile48 von Schulsozialarbei-
tenden und Fachpersonen der Erlebnispädagogik wurde bereits eingegangen.
Bei der Frage nach dem benötigten Pensum stützt sich die Arbeit auf die Vor-
gaben von Avenir Social (2010b)49. Eine konkrete Stundenzahl, die zusätzlich
benötigt wird, ist schwierig zu definieren. Es gilt aber festzuhalten, dass erleb-
nispädagogisches Arbeiten mehr Zeit benötigt, wenn dies nachhaltig wirken
soll.50
43 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten 44 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 45 vgl. Kapitel 4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen 46 vgl. Kapitel 2.7.2 Kooperationsmodelle für die Soziale Arbeit und die Schule 47 vgl. Kapitel 3.7 Wirksamkeit der Erlebnispädagogik 48 vgl. Kapitel 2.5 Arbeitshaltungen und Kompetenzprofil & Kapitel 3.4.2 Kompetenzprofil Fachperson Erlebnispädagogik 49 vgl. Kapitel 2.7.3 Personelle Rahmenbedingungen 50 vgl. Kapitel 3.7 Wirksamkeit der Erlebnispädagogik & Kapitel 4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
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Mit dem Blick der Fachperson der Sozialen Arbeit in der Schule werden nun
die spezifischen Kompetenzen nach Hufenus (1991), die benötigt werden um
erlebnispädagogisch zu arbeiten, überprüft (S. 84):
Nötige Kompetenzen Fachpersonen Ähnliche Kompetenzen der Schul-
der Erlebnispädagogik
Wissen um die Wirkungszusammen-
hänge in der Erlebnispädagogik Wissen um die spezifischen gruppen-
dynamischen Faktoren Wissen über den betreffenden erleb-
nispädagogischen Raum Wissen und Können im Bereich Rei-
seorganisation Erfahrung und Fähigkeiten bezüglich Erfahrung in Kriseninterventionen Krisenmanagement Fähigkeiten zum Selbstmanagement unter extremen Bedingungen projektspezifisches praktisches Kön-
Erfahrung in Projektarbeit
nen Führungsfähigkeiten in partnerschaftli-
chen Strukturen positive Haltung gegenüber Land, Na-
tur und Einheimischen starke und eindeutige, aber einfühlsa-
Erfahrung im Umgang mit Kindern
me Haltung gegenüber Jugendlichen
und Jugendlichen
Identifikation mit dem pädagogischen Auftrag natürliche Autorität
Berufserfahrung in der Sozialen Ar-beit
Abb. 12: Kompetenzprofil der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule im Vergleich (Hufenus, 1991, S. 84/ Avenir Social, 2012a, S. 4), selbst erstellt Die leeren Felder bezeichnen die Wissenslücken von Schulsozialarbeitenden, wenn sie erlebnispädagogisch arbeiten möchten. Diese Lücken können je nach Person aufgrund bereits individuell erworbener Kompetenzen variieren. Sie können geschlossen werden, indem Fachliteratur konsultiert oder eine Ausbildung in Erlebnispädagogik absolviert wird. Grundsätzlich lassen sich erlebnispädagogische Aktivitäten auch von ausser-halb einkaufen. Bei grösseren Projekten und Aktivitäten, zum Beispiel Kajak fahren, kann dies Sinn machen. Gerade bei diesem Beispiel würden materielle sowie sicherheitsrelevante Gründe dafür plädieren.51
5.4.3 Finanzielle Rahmenbedingungen
Die finanziellen Rahmenbedingungen decken sich soweit mit denjenigen der
Sozialen Arbeit in der Schule.52 Was eine wesentliche Rolle spielt, ist die be-
nötigte Arbeitszeit der Schulsozialarbeitenden. Wie bereits mehrfach be-
schrieben, benötigt erlebnispädagogisches Arbeiten mehr Zeit als konventio-
nelles Arbeiten in der Sozialen Arbeit in der Schule.53 Dies schlägt sich in hö-
heren Arbeitspensen für die Fachpersonen nieder. Allenfalls käme hier die
Finanzierung einer erlebnispädagogischen Aus- oder Weiterbildung hinzu.
51 vgl. Kapitel 4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen 52 vgl. Kapitel 2.7.4 Finanzielle Rahmenbedingungen 53 vgl. Kapitel 4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen
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Inwiefern sich finanzielle Angelegenheiten mit räumlichen Bedingungen ver-knüpfen, wird im nächsten Unterkapitel ausgeführt. Im Hinterkopf soll behalten werden, dass es sich laut Hafen (2005) lohnt, finanzielle Ressourcen für die Inklusionsförderung zu sprechen.54 Ein Schulsystem, das die Exklusion för-dert, löst die gesellschaftlichen Inklusionsprobleme nicht. Ein finanzieller Mehraufwand entsteht, wenn der Berufseinstieg nicht gelingt und dadurch Kosten vor allem im Medizin- und Rechtssystem anfallen. Dieser Mehrauf-wand übersteigt die mögliche Investition ins Schulsystem bei weitem. (S. 97)
5.4.4 Räumliche Rahmenbedingungen
Erlebnispädagogik muss nicht zwingend in der freien Natur stattfinden. Es gilt,
kreativ vor Ort nach Möglichkeiten zu suchen. In der Schule wären dies bei-
spielsweise die Turnhalle55, der Fussballplatz, der Schulhof und eventuell gibt
es sogar einen Wald in der Nähe. Dies hat insofern Auswirkungen auf die Fi-
nanzen56, dass lange Anfahrtswege oder Mietaufwand entfallen.
5.4.5 Zusammenarbeit und Vernetzung
Wichtig zu beachten ist laut Jahnke (2005), dass ein klarer Auftrag definiert ist
und dass sich alle beteiligten Personen mit den gemeinsamen Zielen identifi-
zieren können (S. 136). Die Vernetzungskanäle und Arbeitspartner bleiben
grundsätzlich gleich wie bei der Sozialen Arbeit in der Schule.57 Neu dazu
kommen Kontakte mit erlebnispädagogischen Instituten und der Austausch
mit anderen Fachpersonen, die innerhalb der Sozialen Arbeit in der Schule
erlebnispädagogisch arbeiten.
5.5 Zusammenspiel der Wirksamkeit Sozialer Arbeit in der
Schule und Erlebnispädagogik
Werden die Wirkungen der Erlebnispädagogik mit den Wirkungen der Sozia-len Arbeit in der Schule verglichen, ergibt sich folgende Darstellung. Auf der linken Seite stehen die Wirkungen der Erlebnispädagogik, nach den Klam-mern die Wirkung der Sozialen Arbeit in der Schule. Abb. 13: Wirkungen der Erlebnispädagogik und der Sozialen Arbeit in der Schule im Vergleich (Baier & Heeg, 2001, S. 97-101/ Jagenlauf, 1992, S. 56-57/ Fengler, 2009), selbst erstellt Umfassend kann die Selbstkonzeptentwicklung in der Adoleszenz wirken, welche sowohl durch die Soziale Arbeit in der Schule, als auch durch Aktivitä-54 vgl. Kapitel 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule 55 vgl. Kapitel 2.7.5 Räumliche Rahmenbedingungen 56 vgl. Kapitel 4.3 Strukturen, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen 57 vgl. Kapitel 2.7.6 Zusammenarbeit und Vernetzung
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ten der Erlebnispädagogik gefördert werden kann. Die Wirkungen können auch bei den Lehrpersonen und den anderen Anspruchsgruppen eine Stär-kung des Selbstkonzepts ermöglichen. Dies bezieht sich dann aber nicht auf die Lebensphase Adoleszenz. Die Wirkungen der Erlebnispädagogik in der ersten Hälfte der Abbildung kön-nen alle das Wohlbefinden der Schülerschaft sowie das Schulklima fördern.58 Wenn die Wirkungen der Erlebnispädagogik in der unteren Hälfte der Abbil-dung gegeben sind, fördert dies die Sinnstiftung der Angebote der Sozialen Arbeit in der Schule und somit steigt deren Wirkung. Wenn die Bereitschaft freiwillig Hilfe anzufragen gegeben ist, steigt automatisch auch die Anzahl der freiwilligen Beratungssettings in der Sozialen Arbeit in der Schule. Die Wirkungen der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik unterstützen sich gegenseitig. So kann die Selbstkonzeptentwicklung in der Adoleszenz gefördert werden. Nach Kitty Cassée, Barbara Los-Schneider und Karin Werner (2003) führt die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsauf-gaben zum Erwerb von Kompetenzen für die Bewältigung von weiteren Ent-wicklungsaufgaben (S. 34). Indem durch die Erlebnispädagogik Erlebnisse reflektiert und damit zu Erfahrungen werden, können die Entwicklungsaufga-ben meist erfolgreich bewältigt werden. Durch die Methode der Erlebnispädagogik kann aber in bestimmten Settings eine intensive Gruppendynamik ausgelöst werden. Nach Jaqueline Wyss, Raoul Rosenberg, Reto Stäheli und René Anthamatten (2009) meint Grup-pendynamik: „(. .) die in einer Gruppe ablaufenden Prozesse der gegenseiti-gen Beeinflussung (. .)" (S. 8). Laut Wyss et al. (2009) können unter Grup-pendynamik aber auch Methoden verstanden werden, welche zur Steuerung von Gruppenprozessen angewandt werden können (S.8). Auch Jahnke (2005) stellt im bestehenden Konzept in Deutschland fest, dass durch das Aufzeigen und Erleben von neuen Handlungsperspektiven persönli-che Kompetenzen wie Selbstwertgefühl oder Team- und Konfliktfähigkeit ge-stärkt werden können. Ebenso bemerkt Jahnke (2005), dass Erlebnispädago-gik in der Sozialen Arbeit in der Schule positive Auswirkungen auf die Ge-samtatmosphäre der Schule hat (S.135). Die Wirkungen der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik begünstigen sich gegenseitig, womit die Selbstkonzeptentwicklung in der Ado-leszenz gefördert werden kann. Durch diese Kombination ist die Soziale Arbeit in der Schule mehr denn je fähig, die Volksschule in ihrer Zielerreichung zu unterstützen.
5.6 Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispädagogik im
Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der
Deutschschweiz
Dieses Unterkapitel soll die Chancen und Grenzen der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule aufzeigen. Dazu werden die in den vorheri-gen Unterkapiteln gewonnenen Erkenntnisse verarbeitet und mit den Erfah-rungen aus dem Beispiel Deutschland ergänzt. Als erstes wird auf die Chan-cen eingegangen, bei welchen die Gesundheitsförderung einen wesentlichen Teil darstellt. Danach werden die Grenzen der Erlebnispädagogik in der So-zialen Arbeit der Schule beleuchtet, um im nächsten Kapitel Schlussfolgerun-gen ziehen zu können.
58 vgl. Kapitel 2.8 Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
5.6.1 Chancen
Eine wesentliche Chance der Erlebnispädagogik besteht darin, den Kindern
und Jugendlichen durch die Vermittlung von Kenntnissen zur Bewältigung von
speziellen Lebenssituationen Autonomie zu vermitteln. Zusätzlich kann die
Erlebnispädagogik durch die Förderung von non-formalen Bildungsprozessen
den Schülern und Schülerinnen zu mehr Selbstbestimmung verhelfen, was
wiederum eine Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstsicherheit zur
Folge hat.59 Dies bestätigt auch Jahnke (2005) in seiner Studie, welche ge-
zeigt hat, dass das Aufzeigen von neuen Handlungsperspektiven neben der
Steigerung des Selbstwertgefühls auch die Team- und Konfliktfähigkeit stärkt
und so soziale und psychische Belastungen reduziert. (S.136-138) Diese
Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstsicherheit hat auch einen we-
sentlichen Einfluss auf die Sozialkompetenz der Anspruchsgruppenschaft,
was wiederum zur Verhinderung von Gewaltvorfällen oder Suchtmittelmiss-
brauch führen kann. Gerade die Verhinderung von Suchtmittelmissbrauch
kann durch das Erlernen von Grenzen erkennen erreicht werden. Zur Verhin-
derung von Gewaltvorfällen tragen auch lernbare kognitive Fähigkeiten wie
eine positive Kommunikationskultur, konstruktives Problemlösen, Reflexions-
fähigkeit sowie die Selbstwirksamkeit bei. Diese Kompetenzen können neben
motorischen Fähigkeiten sehr gut durch erlebnispädagogische Aktivitäten er-
worben werden.60
In Bezug zu den drei Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule kann die
Erlebnispädagogik bei der Funktion Früherkennung vor allem die Akzeptanz
der Schulsozialarbeitenden bei den Lehrpersonen fördern. Werden die Lehr-
personen als Experten, beispielsweise für Beobachtungen gebraucht und
können diese in ihre Unterrichtsziele mit einfliessen lassen, fördert dies die
Akzeptanz. Zudem haben die Lehrpersonen eine Zeitersparnis gewonnen und
Wissen in einer angenehmeren Atmosphäre als dem teilweise tristen Schul-
zimmer vermittelt. Es handelt sich also um eine Win-Win Situation. Zudem
können Schulsozialarbeitende wie auch Lehrpersonen ungeahnte Ressourcen
der Schüler und Schülerinnen entdecken und gemachte Zuschreibungen ab-
bauen. In Bezug zur Behandlung kann die Erlebnispädagogik neben dem Auf-
zeigen von neuen Lösungsstrategien auch einen guten Zugang für eine län-
gerfristige Beratung schaffen. Dies ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen,
die sich nur schwer öffnen, wirkungsvoll. Im Kontext der Prävention kann
durch die Erlebnispädagogik ein Bezug zur Natur hergestellt werden, welcher
unter Umständen den Sozialraum der Kinder und Jugendlichen wesentlich
erweitert. Denn laut Wolfgang Mack und Joachim Schroeder (2005) ist der
Lernraum Schule ein künstlicher Raum, der sich klar mit Bauten oder Regeln
zum sozialräumlichen Umfeld abgrenzt. Lebensweltliche Erfahrungen werden
der Schülerschaft in pädagogisch aufbereiteter Form vermittelt und können
das sozialräumliche Umfeld einer Schule im besten Fall spiegeln. Wenn Lehr-
personen mit ihren Schülerinnen und Schülern Museen besuchen oder auf
Schulreise gehen, haben auch diese den Charakter ausserschulischer Veran-
staltungen. (S. 337) Hier kann die Soziale Arbeit in der Schule mit der Metho-
de Erlebnispädagogik ansetzen. Indem die Erlebnispädagogik die Schüler und
Schülerinnen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen stellt,
wird die individuelle und soziale Entwicklung der Persönlichkeit gefördert.
Durch erlebnispädagogische Aktivitäten im Nahraum wird die Zielgruppe be-
fähigt, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten.61 Dies bestätigen Ulrich
Deinet und Christian Reutlinger (2005). Durch die Erweiterung des Sozial-
59 vgl. Kapitel 5.1 Ziele und Zielgruppen von Volksschule, Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispädagogik im Vergleich 60 vgl. Kapitel 4.5 Chancen und Grenzen 61 vgl. Kapitel 3.3 Zielgruppen und Ziele der Erlebnispädagogik
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
raums kann der Handlungsraum der Schülerschaft erweitert werden, da in neuen Räumen auch neue Möglichkeiten liegen. Dadurch wird automatisch ihre motorische, gegenständliche und kreative Kompetenz gefördert. Zudem kann ein erweitertes Verhaltensrepertoire und neue Fähigkeiten in neuen Si-tuationen erprobt werden. (S. 302) Laut Françoise D. Alsaker und August Flammer (2002) ist die Schule „(. .) eine wichtige Lebenswelt für die Jugendlichen. Sie lernen dort wesentliche Kenntnisse, Haltungen und Techniken, um in ihrer Kultur ein erfolgreiches Leben zu führen. Darüber hinaus ist die Schule ein wichtiger Ort für die Be-gegnung mit Gleichaltrigen" (S.244). Emmanuel Kuntsche und Walter Rohr-bach (2012) halten fest, dass im Zusammenhang mit der Schule für die Ju-gendlichen der Schulstress und der Leistungsdruck von zentraler Bedeutung sind (S. 81). Lars Oertel (2010) merkt an, dass wenn die Schülerschaft die Qualität des Unterrichts als gut und das Handeln der Lehrerschaft als profes-sionell bewerten, dies einen positiven Einfluss auf die Schulfreude hat. Eben-so führt eine Steigerung der Schulkultur zu einer Steigerung der Schulfreude und zu einer geringeren Stressbelastung. (S. 189-190) Ludwig Bilz (2008) stellt fest, dass das Klassenklima sowohl für das Selbst-konzept schulischer Kompetenzen und für die psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler ausschlaggebend ist. Direkte Einflüsse des Klas-senklimas wirken sich auch auf die emotionalen Probleme und die psychoso-matischen Beschwerden der Schülerschaft aus. (S. 187-188) Laut Bilz (2008) ist Schikanierung der Mitschüler und -schülerinnen einer der grössten schuli-schen Risikofaktoren. Ein positives Zugehörigkeitsgefühl zu einer Klasse kann sozialer Ausgrenzung vorbeugen (S. 238). Die folgende Grafik soll diese Zu-sammenhänge verdeutlichen.
Abb. 14: Klassenklima und internalisierende Auffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern (Bilz, 2008, S. 189) Wie bereits bei den Wirkungen der Erlebnispädagogik festgestellt, haben die-se zusammen mit der Sozialen Arbeit in der Schule eine positive Auswirkung auf das Wohlbefinden und das Schulklima. Als alles umfassende Wirkung
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
kann die Selbstkonzeptentwicklung in der Adoleszenz angesehen werden. Erlebnispädagogik hat eine höhere Einschätzung des Selbstwertgefühls, eine Verstärkung der Selbstsicherheit und eine Steigerung der sozialen Kompeten-zen zur Folge. Zudem wächst die Standfestigkeit gegenüber Gruppen.62 Diese in der Abbildung 14 gezeigten Verbindungen zwischen Klassenklima und internalisierenden Auffälligkeiten sollen laut Bilz (2008) den Anlass geben, auf die psychischen Entwicklungen der Schüler und Schülerinnen vorteilhaft einzuwirken und überflüssige Belastungen zu verhindern (S. 243). Dies kann durch die Einführung der Erlebnispädagogik in die Soziale Arbeit in die Schule geschehen. Durch erlebnispädagogische Interventionen in einer Klasse kann das Klassenklima gesteigert werden, indem Veränderungen auf der Ebene der schulischen Selbstkompetenz, der sozialen Selbstkompetenz und dem Schul-klima angestossen werden. Indem durch die Einführung der Sozialen Arbeit in der Schule und durch erlebnispädagogische Aktivitäten mit der Lehrerschaft die Handlungsfähigkeit und Beobachtungsgabe der Lehrpersonen gestärkt wird, kann Einfluss auf die Lernbedingungen in einer Schulklasse genommen werden. Zudem wird laut Jahnke (2005) die Schule durch das Einsetzen von erlebnispädagogischen Aktivitäten bunter und abwechslungsreicher. (S. 135) Laut Bilz (2008) braucht die Lehrerschaft aber Freiraum, Unterstützung und Kenntnisse, um neben der kognitiven auch die soziale und persönliche Ent-wicklung der Schülerschaft im Auge zu behalten und zu fördern (S. 241). Die Erlebnispädagogik als Methode in der Sozialen Arbeit in der Schule kann ge-nau diese Unterstützung bieten. Damit aber die Lehrerschaft den nötigen Frei-raum zum Handeln erhält und günstige Rahmenbedingungen vorfindet, ist laut Bilz (2008) wichtig, dass die Lehrpersonen Unterstützung von Seiten der Schule und Schulleitung erhalten (S. 241). Wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, ist die Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit in der Schule fähig, Gesundheitsförderung zu betreiben, ohne zeitlich, finanziell und personell aufwendige Gesundheitsprä-ventionsprojekte zu lancieren. Laut dem Nationalen Gesundheitsbericht (2008) gehört nicht nur Wissen zu Essen oder Bewegung zur Gesundheitsför-derung. Gefördert werden sollen bereits in frühster Kindheit auch Gesund-heitsressourcen wie Autonomie und Selbstwertgefühl (S. 7). Nach dem Natio-nalen Gesundheitsbericht (2010) sollen Schulen Prozesse in Gang setzen, die auf die Verbesserung des Schulklimas Auswirkung haben. Diese Verbesse-rung würde sich nicht nur positiv auf die schulischen Leistungen auswirken, sondern auch die Gesundheit der Schülerschaft stärken (S. 9).
5.6.2 Grenzen
Laut Jahnke (2005) ist ein klar definierter Auftrag eine wesentliche Vorausset-
zung für erlebnispädagogisches Arbeiten. Zudem muss die Soziale Arbeit in
der Schule verankert, bekannt und akzeptiert sein (S.136).63 Um diese Vor-
aussetzungen zu erreichen, ist es nötig, dass für jede Stelle das individuell
passende Träger- und Kooperationsmodell gefunden und verankert wird. Die-
se Auswahl wird von der Stimmung in der jeweiligen Gemeinde wesentlich
beeinflusst und kann zudem stark von der Schulpflege beziehungsweise der
Schulleitung abhängen. Wichtig zu beachten ist laut Jahnke (2005), dass um
in der Sozialen Arbeit in der Schule erlebnispädagogisch arbeiten zu können,
sich alle beteiligten Personen mit den gemeinsamen Zielen identifizieren müs-
sen.64 (S. 136) Neben den strukturellen Voraussetzungen ist eine erfolgreiche
Implementierung weiter abhängig von den zur Verfügung gestellten finanziel-
62 vgl. Kapitel 5.4 Zusammenspiel der Wirksamkeit Sozialer Arbeit in der Schule und Erlebnispädagogik,
Abbildung 1363 vgl. Kapitel 4.5 Chancen und Grenzen 64 vgl. Kapitel 4.5 Chancen und Grenzen
TEIL C 5. DAS HANDLUNGSFELD DER SOZIALEN ARBEIT IN DER SCHULE ERWEITERT DURCH DIE METHODE ERLEBNISPÄDAGOGIK
len, infrastrukturellen und personellen Ressourcen. Dazu kommen einige Grenzen, welche die Erlebnispädagogik als Methode mit sich bringt. So kann die Erlebnispädagogik nur als eine Methode unter vielen angesehen werden. Sie stellt eine hervorragende Ergänzung zu den klassischen Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule dar, kann diese aber keinesfalls vollumfassend ersetzen.65 Gerade wenn in der Sozialen Arbeit nur in der Behandlungsfunkti-on gearbeitet wird, wie das noch immer sehr verbreitet ist, ist es schwierig Erlebnispädagogik professionell durchzuführen. Dies bestätigt Betschart im Interview vom 2. Juli 2012.66 Ein Qualitätsmerkmal der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit der Schule ist die Nachhaltigkeit. Diese kann nur erreicht werden, wenn auch präventiv gearbeitet wird und Erlebnisse reflektiert, in den Alltag transferiert und immer wieder aufgefrischt werden.67 Zudem müs-sen genügend personelle Ressourcen für die Vor- und Nachbereitung zur Ver-fügung gestellt werden und die Schulsozialarbeitenden müssen die Möglich-keit bekommen, sich in der Methode Erlebnispädagogik aus- oder weiterzubil-den. Laut Betschart (2012) bildet eine weitere Grenze das System Schule mit den fix vorgegebenen Unterrichtseinheiten. Für Schulsozialarbeitende ist es eine Herausforderung erlebnispädagogische Aktivitäten mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung in Lektionen zu 45 Minuten zu verpacken. Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule macht nur dann Sinn, wenn die Lehrpersonen entlastet und nicht belastet werden. (Anhang E7) Auch haben die Lehrpersonen neben ihrem Kerngeschäft, dem Unterrichten, kaum freie Zeit, da sie bereits mit zusätzlichen formalen Aufgaben stark aus-gelastet sind.68 Durch die Methode der Erlebnispädagogik kann in bestimmten Settings eine intensive Gruppendynamik ausgelöst werden. Nach Wyss et al. (2009) meint Gruppendynamik: „(. .) die in einer Gruppe ablaufenden Prozesse der ge-genseitigen Beeinflussung (. .)" (S. 8). Laut Wyss et al. (2009) können Pro-zesse der gegenseitigen Beeinflussung auch Gefahren bergen. So kann ein Individuum durch kollektive Zwänge, Gruppendruck, Verführung, Machtan-sprüche oder Monopolisierung unterdrückt werden. Die einzelnen Teilneh-menden können in einer Gruppenstruktur vergessen werden, sich besser ver-stecken oder ausweichen. Dies führt zu einer passiven Haltung einzelner Gruppenmitglieder. Weiter wird mit jedem Teilnehmenden die Kommunikati-onsstruktur in einer Gruppe komplexer und die Klärung von Gegenständen sowohl auf der Beziehungs- als auch auf der Interventionsebene anspruchs-voller. (S. 8-9) Daher ist es laut Betschart (2012) wichtig, als Schulsozialarbei-tende die eigenen Grenzen zu kennen, um auch in komplexen Situationen kompetent agieren zu können. (Anhang E7) Auch bei der Einzelfallhilfe der Sozialen Arbeit in der Schule stösst die Erleb-nispädagogik an ihre Grenzen. Betschart (2012) sagt dazu, dass gewisse Ak-tivitäten oder Elemente der Erlebnispädagogik wie zum Beispiel Auswertungs-skalen durchaus in der Einzelberatung benutzt werden können (Anhang E4). Für die Bearbeitung individueller Thematiken sind dann aber andere Metho-den der Sozialen Arbeit in der Schule angebrachter. Die Erlebnispädagogik kann zwar durchaus Aktivitäten im Bereich der Selbsterfahrung und der The-rapie bieten.69 Da ist aber weder der Rahmen der Schule noch der Klassen-verband der richtige Ort dafür. Hier wäre eine Triage an entsprechende weiter-führende Stellen gefragt.
65 vgl. Kapitel 5.3 Erlebnispädagogik in der Prävention, Früherkennung und Behandlung 66 vgl. Frowin Betschart Anhang E7 67 vgl. Kapitel 4.5 Chancen und Grenzen 68 vgl. Kapitel 2.2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule 69 vgl. Kapitel 3.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten
TEIL D 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Bei der Erarbeitung der vorliegenden Arbeit wurden zwei unterschiedliche Dinge miteinander verwoben und verknüpft: das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule und die Methode der Erlebnispädagogik. Die Schlussfolgerungen sollen noch einmal kurz und prägnant die wichtigsten Eckpfeiler zusammenfassen und weiterführende Fragen aufwerfen, die den Diskurs der Sozialen Arbeit anregen sollen.
TEIL D 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Unterfragen des Teilziels I beschäftigen sich innerhalb des Kapitels 2 mit den wichtigsten theoretischen Grundsätzen der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutschschweiz. Es existieren verschiedene Modelle und Definitionen der Sozialen Arbeit in der Schule. Für die vorliegende Arbeit wurde die Definition von Gschwind und Ziegele (2012a) verwendet. Aus dieser wurden die Ziele und Zielgruppen abgeleitet. Die wichtigsten Ziele sind die (bio)psychosoziale Entwicklung und Integrität sowie die gesellschaftliche Inklusion der An-spruchsgruppen. Die Eigenart dieser Definition, sich in den drei Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung zu vertiefen, war handlungslei-tend für die Aufarbeitung des Themas. Bei den Rahmenbedingungen wurde die Kooperation der beiden Systeme Soziale Arbeit und Schule aufgearbeitet. Auch die Trägerschaft spielt eine wichtige Rolle, weniger wer sie übernimmt, sondern dass die Kompetenz gewährleistet ist. Weitere Rahmenbedingungen sind personelle Voraussetzungen, wie zum Beispiel, dass die nötigen Stellen-prozente vorhanden sind und die angestellten Personen spezifische Kompe-tenzen mitbringen. Dabei wird die Berufseignung der Soziokulturellen Anima-tion für die Soziale Arbeit in der Schule festgestellt. Auch finanzielle und räum-liche Bedingungen werden bei der Frage nach Infrastruktur und Arbeitsmate-rial aufgezeigt. Die Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der Schule wird belegt. Das Teilziel I kann damit als erfüllt betrachtet werden. Im Kapitel 3 wird das Teilziel II anhand der Unterfragen nach Verständnis, Ziele und Wirkungen der Erlebnispädagogik erläutert. Der Vergleich dreier Definitionen bietet einen ersten Einblick in die Methode, darauf folgen die Zielgruppen und Ziele. Bereits werden erste Ähnlichkeiten mit der Sozialen Arbeit in der Schule sichtbar. Beide Ansätze wollen das Indi-viduum in seiner Entwicklung stärken, sowohl auf der physischen, psychi-schen und sozialen Ebene. Die Vielfalt der Erlebnispädagogik wird anhand verschiedener Modelle und Aktivitäten veranschaulicht. Das Kompetenzprofil zeigt wiederum grosse Ähnlichkeit mit den Anforderungen an die Soziokultu-relle Animation. Die Wirkungen von Erlebnispädagogik werden anhand ver-schiedener Studien belegt und die Eignung dieser Methode für die Soziale Arbeit in der Schule wird direkt spürbar. Eine Zusammenfassung der theoreti-schen Zusammenführung, wie sie bereits in Deutschland geschehen ist, be-stätigt dies (Kapitel 4). Im Kapitel 5 werden die Soziale Arbeit in der Schule und die Erlebnispädago-gik direkt miteinander verknüpft. Die Ziele der Volksschule, der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik werden miteinander verglichen und lassen sich gut miteinander vereinbaren, unterstützen einander und sind teil-weise sogar deckungsgleich. Auch die Zielgruppen lassen sich zusammenfas-sen und als primäre Zielgruppe sind die Schüler und Schülerinnen festzuhal-ten. Die Arbeitshaltungen sind grundsätzlich ähnlich. Diese Basis ist sehr wertvoll, wenn es darum geht, die Erlebnispädagogik ins Methodenrepertoire der Sozialen Arbeit in der Schule aufzunehmen. Die Aktivitäten der Erlebnispädagogik lassen sich auf dem Kontinuum der drei Funktionen der Sozialen Arbeit in der Schule verorten. Die Methode der Er-lebnispädagogik kann in allen drei Funktionen Prävention, Früherkennung und Behandlung eingesetzt werden, sobald mit Gruppen gearbeitet wird. Einzig bei der Einzelfallhilfe bestehen gewisse Lücken. Nachdem die theoretischen Ver-gleiche ergeben haben, dass die Erlebnispädagogik die Soziale Arbeit in der Schule sehr gut unterstützen kann, kommt die Erfüllung des Teilzieles III zum Zug. Anhand des gleichen Musters wie in den Grundlagenkapiteln (Teil B) werden die Rahmenbedingungen und strukturellen Voraussetzungen heraus-gearbeitet. Für die Implementierung der Erlebnispädagogik in die Soziale Ar-beit in der Schule müssen diese Rahmenbedingungen stimmen und die nöti-gen personellen und finanziellen Ressourcen vorhanden sein. Ebenso wichtig ist die Trägerschaft der Sozialen Arbeit in der Schule, die zusammen mit allen
TEIL D 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
anderen Beteiligten sich mit den gemeinsam festgelegten Zielen identifizieren
muss. Vom Ansatz her ist das integrative Kooperationsmodell der Sozialen
Arbeit in der Schule am besten für die Implementierung der Erlebnispädagogik
in die Soziale Arbeit in der Schule geeignet. Die aufgezeigten Chancen und
Grenzen sind hier noch einmal übersichtlich dargestellt:
Chancen der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule
Chancen für das Individuum
• Das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit der Anspruchsgruppen
werden gestärkt.
• Fähigkeiten wie positive Kommunikationskultur, konstruktives Problem-
lösen, Reflexion und Selbstwirksamkeit werden erlernt.
• Die Standfestigkeit gegenüber Gruppen und bedeutsamen Anderen
• Das Kennenlernen der eigenen Grenzen verhindert Suchtmittelmiss-
• Die Stärkung der Team- und Konfliktfähigkeit reduziert soziale und
psychische Belastungen.
• Die erhöhte Sozialkompetenz vermindert Gewaltvorfälle.
• Das Körperbewusstsein wird gestärkt.
• Durch Erkenntnisse zur Bewältigung von speziellen Lebenssituationen
wird Autonomie vermittelt.
• Aktivitäten im Nahraum befähigen die Zielgruppen, ihre Lebenswelt
verantwortlich zu gestalten.
• Der Bezug zur Umwelt/Natur kann neu hergestellt werden, was den
Sozialraum der Anspruchsgruppen erweitert.
• Der erweiterte Sozialraum bietet Möglichkeiten, sich in einem neuen
Raum zu erproben. Dabei werden neue motorische, gegenständliche und kreative Kompetenzen angeeignet.
• Die Gesundheit (physisch und psychisch) wird gefördert.
• Gezielte Aktivitäten stärken das Vertrauen der Schüler und Schülerin-
nen zu den Schulsozialarbeitenden, was eine zukünftige Beratungssi-tuation erleichtert.
• Die Beobachtungsgabe der Lehrpersonen wird gestärkt.
• Indem sie die Lehrpersonen als Experten mit einbezieht, stärkt die Er-
lebnispädagogik die Akzeptanz der Sozialen Arbeit in der Schule.
Chancen für die Gruppe
• In diesem Setting können auch nicht schulisch- oder leistungsorientier-
te Themen angesprochen und aufgearbeitet werden.
• Rollenstrukturen können aufgebrochen werden.
• Die Lehrpersonen und Schulsozialarbeitenden erleben die Schüler und
Schülerinnen in einem anderen Setting und können Gruppenstrukturen wahrnehmen.
• Durch das veränderte Setting erhalten alle Teilnehmenden die Chan-
ce, sich von einer anderen Seite zu zeigen oder wahrgenommen zu werden.
• Das Klassenklima wird positiv verändert.
Die Erlebnispädagogik bietet die Möglichkeit, Beziehungen neu zu beleuchten und auszuhandeln, sowohl zwischen Schülern und Schülerinnen wie auch zwischen Lehrenden und Lernenden. Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur ganzheitlicheren, psychosozialen Entwicklung und kann den Sozi-al- und Handlungsspielraum der Schulsozialarbeitenden, der Lehrpersonen und vor allem der Kinder und Jugendlichen erweitern. Indem die Erlebnispäd-agogik das Selbstkonzept stärkt und damit Einfluss auf den Klassenverband
TEIL D 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
und die Schulkultur nimmt, wodurch auch das Individuum gefördert wird, lei-
stet sie einen Beitrag zur Gesundheitsförderung.
Grenzen erlebnispädagogischen Handelns in der Sozialen Arbeit in der
Schule
Erlebnispädagogisches Arbeiten wird schwierig oder unmöglich, wenn:
• der Auftrag nicht klar definiert ist.
• die Soziale Arbeit in der Schule weder verankert, noch bekannt und
• sich nicht alle Beteiligten mit den gemeinsamen Zielen identifizieren.
• nicht genügend finanzielle, infrastrukturelle und personelle Ressourcen
• der Fokus der Sozialen Arbeit in der Schule auf der Behandlungsfunk-
• die Möglichkeit für Vor- und Nachbereitung nicht gewährleistet und
somit die Erlebnispädagogik nicht nachhaltig ist.
• die Schulsozialarbeitenden wenig bis keine Möglichkeiten haben, sich
in Erlebnispädagogik aus- oder weiterzubilden.
• die Lehrpersonen bereits mit ihrem Tagesgeschäft voll ausgelastet
• die Steuerung eines Gruppenprozesses unterschätzt wird.
• Je mehr Personen involviert sind, desto komplexer wird die Gruppen-
Erlebnispädagogisches Arbeiten stellt gewisse Bedingungen an das System der Sozialen Arbeit in der Schule und an alle Beteiligten. Dies bedeutet eine nicht zu unterschätzende Hürde bei einer Implementierung dieser Methode. Auch ist die Erlebnispädagogik kein Allheilmittel. Erlebnispädagogische Aktivi-täten stellen eine wirkungsvolle Ergänzung zu den klassischen Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule dar, können diese aber nicht ersetzen. Die Schulsozialarbeitenden müssen sich den spezifischen Aufgaben, welche die Erlebnispädagogik mit sich bringt, gewachsen fühlen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Wirkungen der Sozialen Arbeit in der Schule und der Erlebnispädagogik gegenseitig begün-stigen, womit die Selbstkonzeptentwicklung in der Adoleszenz gefördert wer-den kann. Durch diese Kombination ist die Soziale Arbeit in der Schule mehr denn je fähig, die Volksschule in ihrer Zielerreichung zu unterstützen. Mit der obigen Aufzählung und der Erfüllung aller Teilziele lässt sich die Hauptfrage dieser Arbeit, welches die Chancen und Grenzen der Methode Erlebnispäd-agogik im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule der Deutsch-schweiz sind, ausführlich beantworten und zeigt deren eindrücklichen Mehr-wert auf. Überdies zeigte sich die Berufsrelevanz für die Soziokulturelle Animation in beiden Positionen deutlich. Soziokulturelle Animatorinnen und Animatoren sind somit prädestiniert, die Methode der Erlebnispädagogik in das Hand-lungsfeld der Sozialen Arbeit in der Schule einzuführen. Während dem Erarbeitungsprozess sind folgende Themen und Fragen aufge-taucht, deren Bearbeitung für den Diskurs in der Sozialen Arbeit weiter anre-gend sein können:
• Welchen konkreten Beitrag kann die Erlebnispädagogik zur Gesund-
heitsförderung liefern?
• Wie viele Fachpersonen der Sozialen Arbeit in der Schule arbeiten be-
reits mit der Methode Erlebnispädagogik? Wie könnte das in der fran-zösischen Schweiz funktionieren?
TEIL D 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN
• Erlebnispädagogische Aktivitäten erweitern den Sozial- und damit dem
Handlungsspielraum eines Menschen. Hier wäre eine Vertiefung mög-lich.
• Bei erlebnispädagogischen Aktivitäten können auch negative Grup-
pendynamiken auftauchen. Was für Möglichkeiten gibt es, diese aufzu-fangen und welche Anforderungen stellt dies an die Leitung?
• Welche Kompetenzen müssen sich Sozialarbeitende oder Sozialpäd-
agogen und -pädagoginnen noch aneignen, um erlebnispädagogisch in der Sozialen Arbeit in der Schule arbeiten zu können?
• Wie kann Partizipation erlebnispädagogisch gestaltet werden?
Ja, die Erlebnispädagogik setzt der Sozialen Arbeit in der Schule die
Krone auf !
TEIL D 7. LITERATURVERZEICHNIS
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Volksschulgesetz des Kanton Zürich, Bildungs und Erziehungsaufgaben (2005) § 2. 1 Die Volksschule erzieht zu einem Verhalten, das sich an christlichen, huma-nistischen und demokratischen Wertvorstellungen orientiert. Dabei wahrt sie die Glaubens- und Gewissensfreiheit und nimmt auf Minderheiten Rücksicht. Sie fördert Mädchen und Knaben gleichermassen. 2 Die Volksschule ergänzt die Erziehung in der Familie. Schulbehörden, Lehrkräfte, Eltern und bei Bedarf die zuständigen Organe der Jugendhilfe ar-beiten zusammen. 3 Die Volksschule erfüllt ihren Bildungsauftrag durch die Gestaltung des Un-terrichts und des Zusammenlebens in der Schule. 4 Die Volksschule vermittelt grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten; sie führt zum Erkennen von Zusammenhängen. Sie fördert die Achtung vor Mit-menschen und Umwelt und strebt die ganzheitliche Entwicklung der Kinder zu selbstständigen und gemeinschaftsfähigen Menschen an. Die Schule ist be-strebt, die Freude am Lernen und an der Leistung zu wecken und zu erhalten. Sie fördert insbesondere Verantwortungswillen, Leistungsbereitschaft, Urteils- und Kritikvermögen sowie Dialogfähigkeit. Der Unterricht berücksichtigt die individuellen Begabungen und Neigungen der Kinder und schafft die Grundla-ge zu lebenslangem Lernen. Volksschulgesetz des Kantons Bern (1992) Art. 2
1 Die Volksschule unterstützt die Familie in der Erziehung der Kinder. 2 Sie trägt, ausgehend von der christlich-abendländischen und demokrati-schen Überlieferung, zur harmonischen Entwicklung der Fähigkeiten der jun-gen Menschen bei. [Fassung vom 5. 9. 2001]
3 Sie schützt die seelisch-geistige und körperliche Integrität der Schülerinnen und Schüler und sorgt für ein Klima von Achtung und Vertrauen. [Fassung vom 5. 9. 2001]
4 Sie weckt in ihnen den Willen zur Toleranz und zu verantwortungsbewuss-tem Handeln gegenüber Mitmenschen und Umwelt sowie das Verständnis für andere Sprachen und Kulturen. [Fassung vom 5. 9. 2001]
5 Die Volksschule vermittelt jene Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die Grundlage für die berufliche Ausbildung, für den Besuch weiterführender Schulen und für das lebenslange Lernen darstellen. [Entspricht dem bisheri-gen Absatz 4]
2. Juli 2012 Affoltern am Albis,
Interview mit Frowin Betschart, 12.15 Uhr bis 13.15 Uhr
Sozialarbeiter in Hausen am Albis in der Sekundarschule
Fragen:
1. Wo und an was für einer Stelle arbeitest du? (Alter der Zielgruppe,
Pensum, …)
Ich arbeite in Hausen am Albis in der Sekundarschule mit einem 40% Pensum
und 150 Schülern und Schülerinnen. Ab nächsten Sommer kommt von der
Primarschule noch ein 30% Pensum dazu.
Hausen am Albis ist eine typische Land-, Aglo-, Mittelstandsgemeinde. Es
existieren wenig extrem grosse Konfliktpotentiale, dafür viele kleinere Ge-
schichten unter Kindern, unter Klassen oder unter Gruppen in Klassen.
2. Wie ist die Einbindung in die Schule (Schulmodell, Konzept, Fokus
auf Prävention/Behandlung, finanzielle/personelle/räumliche Rahmenbe-
dingungen, …)?
Die Schule in Hausen am Albis ist eine kooperative Schule. Der Einbezug der
Eltern ist sehr gross. Auch die Lehrpersonen arbeiten mit kooperativen Mitteln,
vielen Energizern. Energizer sind Warmup- und Konzentrationsübungen, kon-
krete Beispiele sind die Bärenjagd oder Asteroid. Sie haben eine positive
Grundhaltung zur Zusammenarbeit mit anderen Stellen wie die Schulsozialar-
beit, aber auch mit Eltern und anderen Lehrpersonen. Daher geschieht auch
die Problemlösung in einem sehr frühen Stadion. Das wird wirklich auch so
gelebt.
Die Schule Hausen am Albis pflegt integrativen Unterricht. Die Klassen sind
leistungsdurchmischt. Das heisst Werkschule, Realschule und Sekundarschu-
le sind alle in einer Klasse. Dies lässt sehr gute Erfahrungen zu.
Die Stelle der Schulsozialarbeit ist direkt der Schulpflege unterstellt. (Mein
Verantwortlicher des Ressort Schulsozialarbeit oder wo das Ressort angeglie-
dert, ist Sonderpädagogik.)
Ich habe Intervision via AJB, Amt für Jugend und Berufsberatung. Dort kann
ich sechsmal im Jahr Intervision besuchen und je nach dem auch Supervision,
wenn dies nötig wäre. Als Berufseinstieg konnte ich ein paar Stunden Beglei-
tung durch die HSLU mit Uri Ziegele beziehen. Das hat sich sehr bewährt.
Mit der Schulleitung arbeite ich sehr partnerschaftlich zusammen. Von der
Hierarchiestufe her sind wir gleichgestellt, da wir beide direkt unter der Schul-
pflege angegliedert sind. Dies ist sicher der grosse Gewinn an dieser Stelle.
Nebst dem dass ich klassische Interventionen von Problemsituationen mache,
mache ich das ganze Spektrum von kleineren und grösseren Lebenskrisen,
Berufswahl Lehrstellensuche und Konflikt unter Gruppen.
Die Früherkennung geschieht über Jahrgangsteamsitzungen, Gesamtkonfe-
renzen und Präsenz im Lehrerzimmer. Bis zu einem bestimmten Grad bin ich
Teil vom Team, was in der Sozialen Arbeit oft als Widerspruch angesehen
wird. Dazu hat der Schulleiter der HSL Eusebius Spescha einen spannenden
Bericht geschrieben, der kurz gefasst sagt, je näher du an der Schule dran
bist, umso besser. Es gibt auch andere Kooperationsmodelle. Ich bin an der
Schule angegliedert und finde dies der Hit. Das hat sehr viel mit dem eigenen
Rollenbild und dem Rollenverständnis zu tun.
Im Lehrerzimmer kommen viele Probleme mit SchülerInnen auf den Tisch. Ich
kann nachfragen, wenn ein Thema öfters angesprochen wird. Auch in den
Jahrgangsteams kann ich nachfragen. Die Fachlehrpersonen, welche mit
demselben Jahrgang arbeiten, treffen sich einmal im Monat zum Austausch.
Ich versuche nach Möglichkeit bei diesem Austausch dabei zu sein, weil da
auch am meisten raus kommt. Ich kann auch erzählen wo ich gerade stehe
und was neu das Thema sein könnte. Früherkennung findet auf dem Pausen-
platz statt. Auch der Austausch mit der Schulleiterin einmal in der Woche ist
wichtig. Der kann bis zu zwei Stunden dauern. Wir versuchen uns wirklich Zeit
zu nehmen. Ich treffe mit ihr viele Absprachen vor allem über die Vernetzung.
Sie versucht den strukturellen, disziplinarischen Teil abzudecken und ich
komme von der Ressourcenorientierung her. Sie ist der „Bad Guy", ich „Good
Guy".
Wir haben auch präventive Arbeit, was sehr spannend ist, weil die Schule
auch von finanzieller Sicht bereit ist, Ressourcen auszugeben. Ich mache ei-
nen Kennenlerntag mit den 1. Oberstüflern, neu mache ich mit den 3. Ober-
stüflern Wintertage mit Iglubau, zudem kann ich Projekte organisieren z.B zum
Thema Facebook, Internet, Aufklärungsunterricht, Gesundheitstage. Bei die-
sen Projekten übernehme ich mehr die Koordination und das Projektmanage-
ment. Ich kann sowohl in der Integration, der Früherkennung und der Integra-
tion gut Arbeitszeit investieren.
Die Schule Hausen am Albis hat sechs Jahre mit dem AJB im Leistungsauf-
tragsverhältnis zusammengearbeitet und hat diesen Leistungsauftrag gekün-
det, weil sie die soziale Arbeit in der Schule selber organisieren wollten. Sie
haben das Konzept dann auf die Schule zugeschneidert. Ich bringe die Erleb-
nispädagogik ein und die Schule nimmt es dankbar auf. Im Konzept steht,
dass ich Lager begleiten oder auch von Lehrpersonen für Problemlösungspro-
zesse herbeigezogen werden darf. Die Methode mit der ich arbeite ist nicht
vorgegeben.
3. Arbeitest du auch in der Behandlung und der Früherkennung erleb-
nispädagogisch?
Wenn erlebnispädagogisch gearbeitet wird, kann nicht immer genau erkannt
werden, dies ist jetzt Früherkennung oder Prävention. Ein Beispiel dazu wäre
der Kennenlerntag. Einmal wurde ich von der Primarschule hinzugezogen,
weil eine Lehrperson nicht genau wusste, ob eine Mobbingstruktur vorhanden
ist oder nicht. Ich habe ein Morgen mit den Kindern gestaltet und mit ihnen
erlebnispädagogische Übungen gemacht. So hat die Lehrperson Zeit ihre
Klasse zu beobachten. Wenn eine Lehrperson interessiert ist an den sozialen
Prozessen ihrer Klasse, ist dieser Anlass super spannend. Auch ich sehe die
Klasse mit anderen Strukturen, wenn sie auf unterschiedlichen Ebenen her-
ausgefordert werden, nicht so wie bei einem Schulbesuch. Mit erlebnispäd-
agogischen Übungen kann man direkt das soziale Lernen implizieren. In ei-
nem solchen Setting ist sehr schwer zu sagen, wo befindet sich jetzt die
Grenze von Intervention zu Prävention und Früherkennung. Die Grenzen ver-
mischen sich. Dies ist wohl das Schicksal, der Fluch und der Vorteil zugleich
der Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule. Es kann nicht klar
gesagt werden, dieses bestimmte Instrument ist das einzig Richtige. Es gibt
immer Überschneidungen. Ein grosser Vorteil haben aber wirklich die Lehr-
personen, welche Beobachtungen machen und sich während der Arbeit mit
einer Klasse Notizen machen.
4. Kann Erlebnispädagogik auch in der Einzelfallhilfe eingesetzt werden?
Bei der Früherkennung ja, da gibt das erlebnispädagogische Setting die Mög-
lichkeit, einzelne Schüler anzusprechen sowie auch Beobachtungen zu ma-
chen. Veränderungen werden sichtbar gemacht. Konkret aber beim individuel-
len Prozess da sind Gespräche nützlicher. Klar können da auch einzelne
Tools aus der Erlebnispädagogik benutzt werden, zum Beispiel für die Refle-
xion. Problemlösungsaufgaben oder gruppenbezogene Verhaltensmuster sind
aber sehr schwierig zu arrangieren.
5. Welche Ausbildung als Erlebnispädagoge hast du gemacht? Was hat
dich dazu bewogen, diese Ausbildung zu machen?
Ich bin Trainer für Erlebnispädagogik und Outdoortraining von Drudel11 und
arbeite bei Drudel11 noch aktiv mit. Komme aus der Pfadi. Konnte ein Lager
„Jugend für Europa" besuchen, das erlebnispädagogisch aufgebaut wurde.
Dies war mein Einstieg in die Soziale Arbeit. Die Ausbildung zum Trainer für
Erlebnispädagogik und Outdoortraining habe ich vor der Ausbildung der HSLU
gemacht. Ich habe bei Drudel 11 viel gehört, was ich nicht einordnen konnte.
Dies hat sich während meinem Studium in Soziokultureller Animation verdich-
tet. Soziokulturelle Animation und Erlebnispädagogik gehen sehr gut zusam-
men. Soziokulturelle Animation arbeitet sehr beteiligend und Erlebnispädago-
gik arbeitet in 99% aller Fälle auch mit einer Gruppe.
6. Gehören die Lehrpersonen auch zu deinen Zielgruppen? Wie arbeitest
du mit ihnen?
Einbezogen werden die Lehrpersonen in die Vorbereitung oder sie erhalten
die Verantwortung z. B. um das Mittagessen zu organisieren. In der wirklichen
Arbeit werden die Lehrpersonen aber aussen vor gelassen. Gerade bei sozia-
len Problemen in einer Klasse ist die Lehrperson zwar ein Teil, aber ein Teil
der Konflikte finden auf dem Schulweg, online, digital und in der Pause statt.
Vor allem aber in Situationen, in denen die Lehrperson nicht immer aktiv zur
Seite stehen kann. Die Lehrperson gewährleistet die Struktur und das System
Schule.
Ich klammere die Lehrperson nicht aus. Sie soll einen Teil der Arbeit über-
nehmen. Wenn ich der Klasse aber eine Problemlöseaufgabe stelle und die
Lehrperson ist dabei, wartet die ganze Klasse ab, was die Lehrperson zu sa-
gen hat. Pädagogik hat etwas mit Erfahren und Erleben zu Tun. In der Erleb-
nispädagogik erst recht. In der Schulpädagogik ist das etwas anderes. Es ist
aber für Lehrpersonen sehr schwer sich raus zu halten.
Bei Qualitätssicherungstagen habe ich mit den Lehrpersonen schon Problem-
lösungsaufgaben gemacht, welche ich mit den Schülern und Schülerinnen
auch mache. Auch arbeite ich manchmal mit Energizern. Aktiv in dem Sinne,
dass ich das Team entwickle, arbeite ich aber nicht mit den Lehrpersonen.
7. Welche Vorteile / Chancen der Erlebnispädagogik siehst du in der So-
zialen Arbeit in der Schule?
Chancen habe ich bereits viele genannt. Eine wichtige Chance ist das soziale
Lernen im System mit den beteiligten Kolleginnen und Kollegen. Die Nachhal-
tigkeit, dadurch auch die Analysemöglichkeit, das Lernen durch Erleben, was
ich alles einen riesigen Gewinn finde.
8. Welche Nachteile / Grenzen der Erlebnispädagogik siehst du in der
Sozialen Arbeit in der Schule?
An einem Ort, der stark problembesetzt ist, mit einem grossen Anteil an Inter-
vention, ist Arbeiten mit Erlebnispädagogik schwieriger.
Es macht es einfacher, wenn die Arbeitszeit in Prävention und Früherkennung
eingesetzt werden kann. Es ist nicht nur, aber auch ein Fehler der SAS dass
dies bis jetzt nicht so ist.
Eine Grenze für erlebnispädagogisches Arbeiten besteht da, wo Einzelfallhilfe
angebrachter wäre. Da wo das Individuum gefragt werden muss. Ein nicht
bearbeiteter Scheidungsprozess kann nicht mit der ganzen Klasse erlebnis-
pädagogisch aufgearbeitet werden.
Ressourcengrenzen gibt es natürlich auch, da erlebnispädagogische Aktivitä-
ten zeitintensivere Sachen sind. Grenzen zeigt auch das System Schule auf.
Nicht alles kann dem 45 Minutentakt des Schulsystems angepasst werden.
Wir als Schulsozialarbeitende können nur erlebnispädagogisch arbeiten, wenn
wir die Lehrpersonen entlasten und nicht belasten.
Den Lehrpersonen erkenntlich machen, dass die Arbeit etwas bringt und auch
nach zwei Tagen Erlebnispädagogik der Lehrplan noch eingehalten werden
kann.
Sicherheitsaspekte setzen Grenzen. Die Kompetenz der Schulsozialarbeiten-
den fehlt manchmal. Ein gewisses fachliches Niveau seitens der Schulsozial-
arbeitenden muss einfach sein. Dann haben die Lehrpersonen Vertrauen.
Auch die eigenen Grenzen zu kennen ist wichtig. Erlebnispädagogik soll zu-
dem als Methode nur dann gebraucht werden, wenn sie auch wirklich Sinn
macht.
9. Was für Unterschiede gibt es bezüglich der Schulmodelle (Einbindung
in die Schule) – eigene Erfahrungen und Erfahrungen anderer?
Ich kann hier nur vom Hörensagen erzählen. Zu Beginn hat mich die Frage:
„Ist es ok, wenn ich eine Stellvertretung für eine Lehrperson gebe?" stark
beschäftigt. Jetzt sage ich klar Ja, wenn die Rollen vorher gut kommuniziert
werden. In der Sozialarbeit besteht die Angst, dass die Rollenklarheit nicht
gegeben ist. Ich kam in ein Dilemma, da ich ein Teil vom Team bin. Ich muss
gut abwägen, welche Informationen ich weiter gebe, welche lohnt es weiter zu
geben, welche behalte ich besser für mich. Wie realisieren die Jugendlichen
dass ich keine Lehrperson bin und auch noch eine andere Funktion habe?
Dies sind alles Abgrenzungsthemen. Je näher an der Schule und den Ju-
gendlichen dran, umso schwerer ist die Abgrenzung und das Rollenverständ-
nis. Rückendeckung habe ich durch das AJB und durch den Austausch mit
anderen erhalten.
Schulsozialarbeit ist eine Qualifizierung. Soziale Arbeit in der Schule möchten
die Fachpersonen gerne hören, Schulsozialarbeit ist die Realität. So heisst
das Handlungsfeld. Wenn eine Gemeinde stark interventionsbelastet ist, dann
kann man am ehesten von Schulsozialarbeit sprechen weil der Sozialdienst
zum Zug kommt oder Armutsprobleme behandelt werden. Wenn jemand aus
der Sozialarbeit kommt, ist er sich schon zu Beginn weg ein Einzelfallsetting
mit lösungsorientierten Gesprächen gewohnt. Das ist etwas was ich aufgrund
meiner animatorischen Ausbildung weniger gut kann. Eine Weiterbildung in
der Beratung wird früher oder später Thema werden bei mir.
10. Welche Wirkung stellst du mit erlebnispädagogischen Aktivitäten in
der Sozialen Arbeit in der Schule fest?
Das Feedback zur Wirkung von den Lehrpersonen ist, dass sie es ganz span-
nend finden die Klasse von aussen zu betrachten. Das ist ein konkreter Ge-
winn. Von den Jugendlichen und den Kindern selbst kommen in den Reflexio-
nen ganz spannende Ansätze. Es entsteht ein Lernschritt bei den Kindern und
Jugendlichen im Setting selbst. Ob der Lernschritt danach lange weiter wirkt,
ist zum Teil schwierig zu beurteilen.
Wenn erlebnispädagogisch in der Schule gearbeitet wird, muss man sich im-
mer den Strukturen der Schule anpassen. Eine Schule hat 45min-Einheiten.
Ich frage mich beim Vorbereiten immer, was passt in eine Lektion. Wenn ich
mich an eine 45min Lektion halte, finden das die Lehrpersonen cool, weil sie
sich im System Schule befinden. Darum ist das Frontloading oder auch die
Nachbearbeitung sehr schwer, weil diese in die 45min hinein passen müssen.
Zum Beispiel dauert die Vorbereitung und die Nachbereitung jeweils eine Lek-
tion und dazwischen bin ich mit einer Klasse einen Tag unterwegs. Die Lehr-
person muss aber bereit sein die Stunden zu investieren und sich nicht um die
Erfüllung des Lehrplans sorgen.
Im Setting ist soziales Lernen vorhanden. Ein solcher Tag tut der Klasse gut
und Themen die zuvor total präsent waren sind nachher plötzlich nicht mehr
wichtig. Positive Erlebnisse sind für die Klasse ein Gewinn. Ebenso ist die
externe Sicht, welche die Lehrpersonen erhalten ein Gewinn. Auch der Ein-
blick von mir in die Klasse und in deren Struktur ist für meine Arbeit wichtig.
11. Inwiefern beurteilst du die Nachhaltigkeit deiner Arbeit?
In der Sozialen Arbeit in der Schule beurteile ich die Nachhaltigkeit als sehr
hoch. Ich kann sehr vernetzt mit allen Beteiligten arbeiten. Ich erlebe es sehr
oft, dass ich Dossiers abschliessen kann und sie sind auch wirklich abge-
schlossen. Achten muss ich darauf, dass ich mir den Auftrag nicht zu stark
selbst gebe. Auftragsklärung ist also ein grosses Thema. Nur so kann ein Ab-
schluss garantiert werden. Nachhaltigkeit erschaffe ich durch Nachfragen bei
den Jugendlichen und den Lehrpersonen. Nahe am Schulgeschehen dran
bleiben ist auch sehr wichtig.
In Bezug auf die Erlebnispädagogik gibt es noch einen anderen Aspekt, der
auch in die Nachhaltigkeit fliess. Ich lerne die Jugendlichen kennen und sie
lernen mich kennen. Ich bin dann nicht mehr der Psychodoktor oder der
Psychiater für die Jugendlichen oder eine sonstige Stelle, wo die Lehrperson
die Jugendlichen hinschickt. Ich bin dann einfach nur der Herr Betschart der
lustige Sachen oder schwere Übungen mit den Jugendlichen gemacht hat.
Dies vereinfacht die Arbeit mit den Jugendlichen nachher um einiges. In der
zweiten Sekundarstufe ist es dann nicht eine Strafe zu Herrn Betschart zu
gehen sondern eine Person, die sie in der ersten Sekundarstufe bereits gut
kennen gelernt haben.
12. Wenn Erlebnispädagogik als Methode in die Soziale Arbeit in der
Schule eingeführt wird, mit was für einem zeitlichen, personellen und
finanziellen Mehraufwand muss die Schule rechnen?
Zuerst muss eine Person gefunden werden, die das Wissen mitbringt oder
jemanden in eine Ausbildung schicken. Was die Ausbildungen kosten ist be-
kannt*. Klar ist, dass Erlebnispädagogik zeitintensiver als Einzelfallarbeit ist.
Man kann nicht innerhalb von zehn Minuten ein vernünftiges erlebnispädago-
gisches Arrangement aufbauen, durchführen, reflektieren und verarbeiten. Für
den Beginn gibt es höhere finanzielle Kosten, da ein vernünftiges Repertoire
an erlebnispädagogischen Arbeitsmaterialien angeschafft werden muss. Der
Hauptkernpunkt ist aber der zeitliche Aspekt, da es nicht möglich ist schnell-
schnell zu arbeiten. Die Schulbehörde muss bereit sein, finanzielle Ressour-
cen im Sinn von Arbeitszeit zu sprechen. Es gibt noch nicht viele Fachleute,
die erlebnispädagogisch mit Klassen arbeiten. Schulen gehen schnell zu den
Fachpsychologen. Die Fachpsychologen haben gute Löhne und auch gute
Ansätze. Schulen sind aber noch sehr hilflos. Hier könnte die Erlebnispädago-
gik einen Tag lang mit einer Schulklasse arbeiten. Die Lagergestaltung und
das Lagerwesen ist am Kommen. In Lagern kann man sehr gut erlebnispäd-
agogisch arbeiten. Eltern sind anspruchsvoller geworden, was Lager betrifft.
Die neuen Lehrpersonen sind auf fachspezifischem Wissen top, aber auf
menschlicher Basis nicht geschult.
13. Kann Erlebnispädagogik in der Sozialen Arbeit in der Schule ge-
sundheitsfördernd sein?
Die von euch gewählten Ansätze stimmen meiner Meinung nach zu hundert
Prozent. Im Kanton Zürich hat jede Schule eine gesundheitsverantwortliche
Person (GEKO). Der Kennenlerntag, den ich mit den neuen Schülerinnen und
Schülern mache, läuft über das Budget der GEKO ebenso die Wintertage.
Das ist Gesundheitsförderung und ein Teil davon ist Erlebnispädagogik, das
ist auch so beschrieben. Gesundheit beginnt bei der Psyche und hört bei der
Bewegung auf. In dem Sinne ist Erlebnispädagogik in der Schule ganz klar
gesundheitsfördernd. Wichtig ist es, dass der Schule bewusst wird, dass Ge-
sundheitsförderung nicht nur mit gesundem Essen und Bewegung zu tun hat,
sondern dass auch die Psyche eine wichtige Rolle spielt.
14. Siehst du eine Verknüpfung zwischen Erlebnispädagogik, Sozialer
Arbeit in der Schule und Sozialraum?
Es gäbe die Verknüpfung. Ich bearbeite sie nicht. Es kommt auch auf die
Partner in einer Gemeinde an. Das heisst wie funktioniert die Jugendarbeit
und die Vereine in einem Ort. Es sind Chancen gegeben aber auch Gefahren.
Die Gefahr als Soziale Arbeit in der Schule als Problemlösestrategie einer
Gemeinde missbraucht zu werden, wenn man auch im Sozialraum aktiv wird,
ist gross. Die Schwierigkeit besteht, dass Erwartungen nicht erfüllt werden
können, die dann auf die Schulsozialarbeit geschoben werden. Sobald der
Sozialraum mitspielt sind die Erwartungen plötzlich viel höher. Da muss man
sich aktiv und gut abgrenzen können, damit der eigentliche Auftrag nicht ver-
nachlässigt wird. Es gibt aber auch Situationen wo sozialräumliches Arbeiten
angebracht ist. Die Vernetzung ist aber sehr wichtig. Praxisnahe Vernetzung
ist das A und O.
*für konkrete Preise siehe www.drudel11.ch
Source: http://edoc.zhbluzern.ch/hslu/sa/ba/2012_ba_Faessler-Kunz-Richner.pdf
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