Brj_01_2011.pdf
Heyers, Sector Inquiry Pharma
Sector Inquiry Pharma
Pay-for-Delay, Sperrpatente und Europäisches Kartellrecht
Prof. Dr. Johannes Heyers, LL.M. (IP), Bonn*
1999 noch auf 40 belief.3
Pharmakonzerne hatte die Europäische Kommission bis 2008 nicht im Auge. Dann leitete sie eine Sektoruntersu-
Die Kommission bezweckte lediglich eine Bestandsauf-
chung des Wettbewerbs unter Pharmaherstellern ein und nahme der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, keine juri-konzentrierte sich auf Verzögerungen des Markteintritts stische Beurteilung. Art. 17 II VO I verweist auf die Instru-von Generika1 und die Abnahme der Markteintritte inno-
mente, derer sich die Kommission dazu bedienen kann:
vativer Arzneimittel durch Unternehmenspraktiken.
Das Thema ist ökonomisch und juristisch reizvoll, weil es
2. Nachprüfungen, Artt. 20 IV, 17 VO I
Schnittstellen zwischen dem Kartell-, dem Immaterialgü-
Die Kommission kann gemäß Art. 20 I VO I Nachprüfun-
ter-, dem Medizinrecht und der Gesundheitsökonomie hat gen bei Unternehmen durchführen („Inspektionen"). Man
sowie neuartige, völlig ungeklärte Rechtsfragen aufwirft, unterscheidet zwischen angekündigten und unangekündig-
praktisch von größter Bedeutung, weil Konsumenten in ten Nachprüfungen, arg. Art. 20 II, IV VO I. Diese wer-
Europa Zugang zu sicheren, innovativen und erschwing-
den durch Entscheidung der Kommission angeordnet und
lichen Arzneimitteln haben sollten. Nach Darstellung der sind von den betroffenen Unternehmen zu dulden. Räum-
rechtlichen Rahmenbedingungen der Sektoruntersuchung lichkeiten können auf wichtige Dokumente und Hinweise
(II.) werden zwei wesentliche unternehmerische Praktiken untersucht werden, vgl. Art. 20 II VO I. Widersetzt sich
behandelt: streitbeilegende Pay-for-Delay-Vergleiche (III.) ein Unternehmen, sind die Mitgliedstaaten gehalten, der
und die Anmeldung sog. Sperrpatente (IV.).
Kommission die erforderliche Unterstützung – ggf. unter Einsatz von Polizeikräften – zu gewähren, vgl. Art. 20 VI
II. Rechtliche Rahmenbedingungen
VO I. Alsbald nach Eröffnung der Sektoruntersuchung
wurden Nachprüfungen bei forschenden Pharmaunterneh-
Rechtsgrundlage der Sektoruntersuchung ist der Beschluß men sowie Generikaherstellern durchgeführt, die dawn der Kommission vom 15.01.2008 über die Einleitung der raids gleichkamen.4 Dabei wurden die Bediensteten der Untersuchung des pharmazeutischen Wirtschaftszweigs.2 Kommission von Kollegen der nationalen Wettbewerbs-Er beruht auf Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 behörden unterstützt.5 Sinn dieser Untersuchungen war (folgend: VO I), der die Kommission ermächtigt, einen es, Belege über Unternehmenspraktiken und Absichten si-Wirtschaftszweig zu untersuchen, wenn die Entwicklung cherzustellen, die eine Verzögerung des Markteintritts von des Handels zwischen Mitgliedstaaten, Preisstarrheiten Konkurrenzprodukten bezwecken. Die Maßnahme wird oder andere Umstände vermuten lassen, Wettbewerb sei von Mitgliedern der Kommission als verhältnismäßig be-möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht. Retardier-
zeichnet.6 V.a. sei es notwendig, interne Kommunikation
ter Markteintritt generischer Arzneimittel sowie der Rück-
(z.B. e-Mails) sicherzustellen; es sei sehr schwierig, diese
gang des Markteintritts innovativer Arzneimittel ließen gezielt durch Auskunftsersuchen abzufragen. Das Instru-verfälschten Wettbewerb vermuten. So kamen im Zeitraum ment des Auskunftsersuchens sei dagegen gut geeignet, um von 2000-2004 lediglich 28 neue molekulare Substanzen allgemeine Strategiedokumente zu erhalten. Die im Zwi-auf den Markt, während sich diese Zahl zwischen 1995 und schenbericht aufgeführten Zitate aus Strategiedokumenten
3 European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations
(EFPIA): The Pharmaceutical Industry in Figures, Ed. 2006, S. 7.
* Der Autor ist Inhaber eines Lehrstuhls für Zivilrecht an der Rhei-
4 Betroffen waren z.B. PÞ zer, Glaxo SmithKline, AstraZeneca,
Wyeth, Sandox, Merck & Co., SanoÞ -Aventis und Johnson & John-
1 Medikamente, die eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits unter
einem Markennamen auf dem Markt gehandelten Medikaments dar-
5 Praktisch mieten sich diese tatsächlich möglichst unauffällig und
unter falscher Bezeichnung – in der Vergangenheit gaben sie des öf-
2 Das Dokument ist – wie alle zitierten Kommissionsdokumente
teren vor, eine Wandergruppe zu sein – in ebenso unauffälligen Do-
(im folgenden zitiert mit a.a.O.) – abrufbar unter: http://ec.europa.
mizilen (z.B. Jugendherbergen) ein, um sodann unerkannt zuschlagen
eu/competition/sectors/pharmaceuticals/inquiry/index.html, Abruf v.
6
Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (130).
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und interner Kommunikation (e-Mails) bestätigen die Exi-
Arzneimittel sieben Monate im gewichteten Durchschnitt
stenz vermuteter Dokumente.
und hinsichtlich besonders wertvoller Arzneimittel rund vier Monate.8 Das Preisniveau der Arzneimittel, die zwi-
3. Befragungen von Vertretern oder Mitgliedern schen 2000 und 2007 vor dem Exklusivitätsverlust stan-
der Unternehmensbelegschaft, Artt. 20 II, 17 den, Þ el ein Jahr nach Markeintritt generischer Arzneimit-
tel um 20% bzw. um 25% zwei Jahre danach; die Preise der Generika reduzierten sich noch erheblich. Für eine Gruppe
Vertreter der Unternehmen oder Mitglieder ihrer Beleg-
von Arzneimitteln, auf die zwischen 2000 und 2007 Aus-
schaft wurden protokollarisch befragt. Bezogen sich die-
gaben von 50 Mrd. € ent
se Befragungen auf Erläuterungen zu Dokumenten oder
Þ elen, schufen Generika nach Ein-
schätzung der Kommission Einsparungen von mindestens
Tatsachen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsge-
14 Mrd. €. Diese hätten jedoch um mindestens 3 Mrd. €
genstand, ergab sich eine Befugnis der Kommission aus
(> 5%) höher sein können, wenn die Generika unmittelbar
Artt. 20 II lit. e), 17 VO I. Sie ß ossen in den Zwischenbe-
nach dem Verlust der Marktexklusivität der Arzneimittel
auf den Markt gekommen wären.
4. Auskunftsverlangen, Artt. 18, 17 VO I
1. Begriff
An betroffene Unternehmen und Interessengruppen wur-
Die Sektoruntersuchung ergab zudem, daß sich forschen-
den Auskunftsverlangen verschickt; die Antworten bilde-
de Pharmaunternehmen einer tool box bedienen, um ihre
ten das größte Informationsreservoir der Kommission. Die Einnahmen aus den genannten Arzneimitteln so lange wie
meisten pharmazeutischen Unternehmen waren zweifach möglich zu sichern. Die kartellrechtliche Konformität die-
betroffen: Es schlossen sich z.T. Fragen an. Beamte der ser Instrumente ist noch nicht geklärt:9
Kommission korrigierten das häuÞ ge Vorurteil, Unterneh-mensrepräsentanten seien nicht ko-operationswillig. Zur sog. Selbstver-anlagung verpß ichtete Unternehmen
sind oft dankbar für kartellrechtliche Sicherheit. Ferner unterhielt die Kom-mission Kontakte mit verschiedenen
sonstige Vereinbarungen
Interessenvertretern – Verbrauchern, Ärzten, Apotheken, Versicherungen, Großhändlern, Krankenhäusern u.a.m.
–; es wurden Umfang und Strategie der Untersuchung diskutiert.
Interventionen in Marktzulas-
III. Pay-for-delay-Vergleiche
Die von der Kommission erfaßten In-
formationen betrafen 219 Substanzen,
Interventionen in Preisfestset-
die Bestandteile verschreibungspß ich-
tiger Humanarzneimittel sind und zwi-schen 2000 und 2007 in der EU ver-kauft wurden. Sie verloren ihre Markt-
Von diesen10 verdienen zunächst Pay-for-delay-Vergleiche
exklusivität – v.a. begründet durch ihr Patent – in diesem – auch als settlements oder reverse payments bezeichnet –
Zeitraum, standen kurz davor oder erzielten einen beson-
besondere Beachtung. In der Presse wurden sie als „teuerste
ders hohen Umsatz. Mit Hilfe der Daten wurde vor allem 8 Dazu und zu weiteren Daten
Maier-Rigaud/Schmidt/Schnichels,
das Wettbewerbsverhältnis von forschenden Pharmaunter-
KrV 2009, 324 ff.
nehmen – im Bericht auch: ‚Originalpräparateherstellern' 9 Quelle: Kommission (a.a.O. Fn. 2).
– und Generikaherstellern analysiert. Von Interesse waren 10 In diesem Beitrag wird nicht Stellung genommen zu Patent Thik-
Zeitpunkt und Wirkung des Eintritts generischer Arznei-
kets – i.e. Ausweitung von Breite und Dauer des Patentschutzes für
mittel auf den pharmazeutischen Markt der Gemeinschaft. ein Arzneimittel durch zahlreiche Patente bzw. Patentanmeldungen
Es bestätigte sich der Verdacht, daß dieser Markteintritt in für dasselbe Arzneimittel; in einzelnen Fällen wurden für ein einziges
vielen Fällen später als erwartet erfolgte. Was die ausge-
Arzneimittel europaweit 1.300 (!) Patentanmeldungen eingereicht,
wählten Humanarzneimittel betraf, betrug die Dauer zwi-
vgl. dazu
Straus, GRUR Int. 2009, 93;
Berg/Köbele, PharmR 2009,
schen Exklusivitätsverlust und Markteintritt generischer 581 (586) –, Patentstreitigkeiten (dazu
Sule/Schichels, EuZW 2009, 7 Commission Staff Working Paper: Preliminary Report v.
129 (131)), Inverventionen von Originalherstellern und verschie-
28.11.2008, (a.a.O. Fn. 2) (deutsche Zusammenfassung vom gleichen
denen sonstigen Vereinbarungen (dazu
Maier-Rigaud/Schmidt/
Tage a.a.O. verfügbar).
Schichels, KrV 2009, 324 (326)).
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Machenschaften der Arzneimittelindustrie" oder „unsägli-
Patentvergleiche in der Pharmaindustrie vom 05.07.2010
che Absprachen" bezeichnet; die „Eingriffe aus Brüssel" rühmt sich die Behörde damit, daß nur noch in zwei von kämen „viel zu spät".11 Sie zeichnen sich dadurch aus, daß 93 Fällen im Zeitraum zwischen dem 01.07.2008 und dem ein Originalpräparatehersteller einem Generikahersteller 31.12.2009 Vergleiche mit einem value transfer von ledig-zumeist im Patentverletzungsprozeß einen Vermögensvor-
lich 1 Mio. € geschlossen worden seien.16 Dies sei auf die
teil als Gegenleistung für die Aufgabe eines Nichtigkeits-
gestiegene Sensibilität der Pharmaunternehmen für kartell-
einwands und die Verzögerung der Markteinführung des rechtliche Friktionen von pay-for-delay-Vergleichen infol-Generikums gewährt.12 Es herrscht zweifelhafter patent ge der Sektoruntersuchung zurückzuführen.
peace; ein Angriff auf das Patent wird zurückgezogen. Es wurde vereinzelt auch vereinbart, Patentinhaber und Gene-
3. Rechtliche Entwicklung
rikahersteller dürften nur auf verschiedenen Märkten tätig In den USA17 hat es sich der von President Obama einge-werden. Die Kommission sorgt sich v.a. um Preiswettbe-
setzte FTC-Chairman Jon Leibowitz zur Aufgabe gemacht,
werb und sieht wettbewerbliche Schäden in verzögerten gegen Pay-for-delay-Vergleiche zu kämpfen.18 Seine Hoff-Markteintritten der Generika sowie einer Preisverteuerung nung, daß sich die an der Chicago School orientierte Hal-zu Lasten der Verbraucher durch Aufrechterhaltung mög-
tung der Gerichte ändern werde,19 erfüllte sich freilich
licherweise nichtiger Pharmapatente. In der Tat sind nur nicht: In der Entscheidung In re Ciproß oxacin Antitrust
wenige positive Effekte dieser Vergleiche – wie z. B. die Litigation vom 29.04.2010 bestätigte der Court of Appeal Þ nanzielle Stärkung der Generikahersteller und ihrer For-
for the 2nd Circuit die Zulässigkeit der Vergleiche.20 Das
schungspotentiale –13 denkbar.
Gericht lehnte den Antrag auf en banc-Überprüfung am 07.09.2010 ab21 und gab damit zu erkennen, daß es auch
zukünftig nicht von seiner bereits In re Tamoxifen geäu-
In den USA ermittelte die FTC,14 daß 2/ aller von Generi-
ßerten Auffassung abkehren wird, sec. 1 des Sherman Acts
kaproduzenten angegriffenen Pharmapatente für nichtig er-
werde nicht verletzt.22
klärt wurden. Generika sind bis zu 90% günstiger. Das ent-spricht Einsparungsmöglichkeiten von ca. 1.800 $ pro Kopf. Bayer ist Patentinhaberin des U.S. Patents 4.670.444, das 3,4% aller Nichtigkeitsverfahren enden im Pharmabereich eine generische Gruppe von Antibiotika beansprucht, dar-mit einer Pay-for-delay-Verzögerung um ca. 17 Monate. unter das von Bayer als CIPRO vermarktete Ciproß oxacin Das mögliche Einsparvolumen soll bei 35 Mrd. $ für die Hydrochlorid. Barr Laboratories beabsichtigte, ein ge-nächsten zehn Jahre liegen; es ergäben sich Einsparun-
nerisches Cipro auf den Markt zu bringen und beantrag-
gen von 12 Mrd. $ für den Bundeshaushalt. Die Daten der te hierfür 1991 eine verkürzte Medikamentenzulassung Sector Inquiry Pharma der Kommission ergaben, daß 700 (ANDA). In der sog. Paragraph IV-ZertiÞ zierung nach sec. Streitigkeiten zwischen Originalpräparate- und Generi-kaherstellern geführt und analysiert wurden: 149 wurden sung des Zwischenberichts, (a.a.O. Fn. 2), S. 4 ff.
entschieden – 62% davon verlor der Patentinhaber –, 223 16 Vgl. Pressemitteilung IP/10/887, (a.a.O. Fn. 2).
wurden verglichen, der Rest war noch anhängig. Ähnlich 17 Diskussionsstand in der US-amerikanischen Literatur:
Peritz, verhielt es sich bei Streitigkeiten zwischen Originalpräpa-
IIC 2009, 499 ff.
rateherstellern: 66 Fälle wurden analysiert, 64% wurden 18 Vgl.
Leibowitz, „Pay for Delay"-Settlements in the Pharmaceutical verglichen; die Patentinhaber verloren 77% der entschie-
Industry: How Congress can stop anticompetitive conduct, Speech
denen Fälle. Generika sind ca. zwei Jahre nach Exklusivi-
June 23, 2009, Center for American Progress (abrufbar unter: http://
tätsende um ca. 40% günstiger. Es wurden 20 Vergleiche www.ftc.gov/speeches/leibowitz/090623payfordelayspeech.pdf, mit Zahlungen an Generikahersteller geschlossen. Dabei Abruf v. 15.02.2011.
fand ein value transfer von insgesamt über 200 Mio. € 19
Leibowitz, (Fn. 18), S. 5.
statt.15 In einem Monitoring-Bericht der Kommission über 20 In re Ciproß oxacin Antitrust Litigation, 29.04.2010, Docket Nr.
05-2851 (2nd Cir. 2010), abrufbar unter http://www.ca2.uscourts.gov/
11
Läsker, Leitkommentar der SZ v. 10.07.2009.
decisions, Abruf v. 15.02.2011.
12 Ähnlich
Brankin, JIPLP 5 (2010), 23;
Lorenz, PharmR 2007, 221;
21 In re Ciproß oxacin Antitrust Litigation, (2nd Cir. 2010) (en
Drexl, IIC 2009, 751 (752).
banc), Entscheidung v. 07.09.2010, Docket Nr. 05-2852-cv(L);
13 Vgl. auch die beachtlichen Ausführungen von GA Jacobs in der
05-2851c(CON), abrufbar unter http://www.ca2.uscourts.gov/deci-
Sache Syfait (28.10.2004, C-53/03), eine Einschränkung des Preis-
sions, Abruf v. 15.02.2011. – Diese Entscheidung referiert
Prinz zu
wettbewerbs könne um der Verstärkung von Innovationsanreizen wil-
Waldeck und Pyrmont, GRUR Int. 2010, 1015.
len hingenommen werden. – Durch Pay-for-delay-Vergleiche werden
22 Joblove v. Barr Labs. Inc (In re Tamoxifen Citrate Antitrust Litiga-
aber wahrscheinlich ungültige Patente geschützt.
tion), 466 F. 3d 187 (2nd Cir. 2006). Der 2nd Circuit stellte darin fest:
14
Federal Trade Commission, Pay-for-Delay: How Drug Company
"Unless and until the patent is shown to habe been produced by fraud,
Pay-Offs Cost Consumers Billions: An FTC Staff Study, 2010, S. 4 ff.;
or a suit for its enforcement is shown to be objectively baseless, there
is no injury to the market cognizable under existing antitrust law, as
pdf, Abruf v. 15.02.2011.
long as competition is restrained only within the scope of the pat-
15 Vgl. im einzelnen die Angaben in der deutschen Zusammenfas-
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505 (j) (2) (A) (vii) (IV) Hatch-Waxman-Act aus dem Jah-
Patents für die Rule of Reason-Abwägung unbeachtlich.
re 198423 erklärte Barr, das Patent sei ungültig und nicht Die Berufung in den verbleibenden Verfahren entschied durchsetzbar. Bayer erhob daraufhin Klage wegen Patent-
der 2nd Circuit, dessen zuständiges Panel sich an die frü-
verletzung und beantragte eine Entscheidung nur durch den here Tamoxifen-Entscheidung gebunden sah und die Be-Richter (summary judgement). Nach Zurückweisung die-
rufung deshalb ebenfalls zurückwies.27 Es rief jedoch dazu
ses Antrags schlossen Bayer und Barr im Januar 1997 kurz auf, diese Frage en banc neu zu verhandeln, da gewichtige vor Beginn der gerichtlichen Verhandlung einen Vergleich, Argumente für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes in dem sich Barr verpß ichtete, bis mindestens sechs Mo-
in derartigen Fällen stritten.
nate vor Ablauf des Patents kein eigenes generisches Pro-
Den daraufhin erfolgten Antrag zur en banc-Überprüfung
dukt auf den Markt zu bringen. Bayer leistete im Gegenzug lehnte der 2nd Circuit ab. Richterin Pooler, Mitglied des vierteljährliche Zahlungen an Barr, die sich insgesamt auf ursprünglichen Ciproß oxacin-Panels, verfaßte als einzige $ 398,5 Mio. beliefen. Bayer schloß ähnliche Vergleiche der zehn Richter einen Dissent, in dem sie die Ablehnung mit anderen Generikaherstellern, die gleichsam für nichts scharf kritisierte. Nach ihrer Auffassung gebe es keine sozi-entlohnt werden. Originalpräparatehersteller diktieren den al anerkennenswerte Rechtfertigung für derartige Verglei-Markt; die Konsumenten werden geschädigt.
che, da der Patentinhaber „offensichtlich mit einer erheb-lichen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen muß, daß das
Patientenvertreter, Gewerkschaften und Apotheken erho-
Patent nicht rechtsbeständig ist." Sie würden dem Ziel des
ben über 30 Klagen gegen die Vergleichsparteien, unter Hatch-Waxman-Acts widersprechen, der die Anfechtung anderem wegen Verstoßes gegen sec. 1 und 2 des Sher-
von Patenten unterstütze, um die Verfügbarkeit günstiger
man Acts, der Verletzung staatlichen Wettbewerbs- und Medikamente für Verbraucher zu verbessern. Sie verwies Verbraucherschutzrechts; teilweise enthielten sie auch dem auf obige Studie der FTC aus dem Jahre 2010, nach der Walker Process ähnliche Ansprüche mit dem Vorwurf der seit der Tamoxifen-Entscheidung in der Pharmaindustrie gerichtlichen Geltendmachung eines nicht durchsetzbaren 53 Fälle dieser Reverse Payments bei Patentverletzungs-Patents.24 Der Eastern District of New York konsolidierte klagen festgestellt wurden und in der deren Kosten auf ca. die Klagen und wies sie in einem summarischen Verfahren $ 3.5 Mrd. geschätzt wurden.
ab.25 Die maßgebliche Frage sah das Gericht nicht darin, ob Bayer und Barr Marktmacht besaßen, um den Wettbewerb Wie auch in den Ciproß oxacin-Entscheidungen des Fede-für Ciproß oxacin zu beeinß ussen, sondern ob sich die Be-
ral Circuit und des 2nd Circuit befand auch der 11th Circuit
schränkungen außerhalb des Umfangs des Patentschutzes 2005 in Schering-Plough, derartige Vereinbarungen seien zeigten. Das Gericht sah jegliche wettbewerbsbeschrän-
kartellrechtlich unbedenklich, sofern die beschränkenden
kende Auswirkung der Vereinbarung als innerhalb des Wirkungen innerhalb des vom Patent vermittelten Aus-vom dem Patent vermittelten Ausschlußrechts liegend und schlußrechts bleiben und das Patent nicht offensichtlich damit als per se unbedenklich an.
nichtig ist.28 Im Gegensatz dazu hatte der 6th Circuit 2003 eine ähnliche Vereinbarung in In re Cardizem als Mittel
In der Berufung wurde das Verfahren aufgespalten und horizontaler Marktaufteilung und damit als per se-Verstoß hinsichtlich aller Klagen, mit denen auch Walker-Process-
gegen sec. 1 Sherman Act eingestuft,29 so daß ein sog. Cir-
Ansprüche geltend gemacht wurden, an den hierfür aus-
cuit Split gegeben ist. Nach der Ablehnung zur en banc-
schließlich zuständigen Court of Appeal for the Federal Cir-
Überprüfung besteht für die unterliegenden Kläger nun
cuit (CAFC) verwiesen. Dieser wies die Berufung zurück:26 noch die Möglichkeit, die Annahme zur Entscheidung Vergleiche seien zwecks Beilegung von Patentverletzungs-
durch den Supreme Court zu beantragen. Ob dieser die
verfahren auch im Falle von Reverse Payments nicht per se Frage jedoch zur Verhandlung annehmen wird, um einheit-kartellrechtswidrig. Sofern das Patent nicht durch betrüge-
liche Rechtsprechung sicherzustellen, ist derzeit30 offen.
risches Verhalten im Anmeldeverfahren erlangt worden sei Den parallelen Antrag nach der Ciproß oxacin-Entschei-oder eine betrügerische Klage (Sham Litigation) vorliege, dung des CAFC hatte der Supreme Court im Juni 2009 sei eine möglicherweise fehlende Rechtsbeständigkeit des abgelehnt.31
23 Drug Price Competition and Patent Term Restoration Act 1984,
benannt nach den Abgeordneten Orrin Hatch und Henry Waxman.
24 Der U.S. Supreme Court erkannte in der Entscheidung Walker
In re Ciproß oxacin Antitrust Litigation, 29.04.2010, Docket Nr.
Process Equip., Inc. v. Food Mach & Chem. Corp., 382 U.S. 172, 177
05-2851 (2nd Cir. 2010), abrufbar unter http://www.ca2.uscourts.gov/
(1965) als Grund einer Kartellrechtsklage an, daß ein Patent aufgrund
decisions - Abruf v.15.02.2011.
betrügerischen Verhaltens gegenüber dem Patentamt erlangt wurde,
Schering-Plough Corp. v. FTC, 402 F.3d 1056 (11th Cir. 2005).
wenn die übrigen Bedingungen eines Anspruchs gemäß des Sherman
In re Cardizem CD Antitrust Litigation, 33d F.3d 896 (6th Cir. 2003),
Acts erfüllt seien.
ebenso In re Terazosin Hydrocholide Antitrust Litigation, 352 F.
Supp. 2d 1279 (S.D.Fla. 2005).
ß oxacin Anitrust Litigation, 363 F. Supp. 2d 514
(E.D.N.Y. 2005).
Stand: 15.02.2011.
U.S. Supreme Court, 22.06.2009, Docket Nr. 08-1194 (Arkansas
ß oxacin Antitrust Litigation, 544 F. 3d 1323
(Fed. Cir. 2008).
Carpenters, et al. v. Bayer AG and Bayer Corp., et al.).
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Was das europäische Recht betrifft, so enttäuscht der Ab-
te Produkt abgesetzt wird, tätig zu werden. Er muß eine
schlußbericht der Sektoruntersuchung der Kommission Technologie nutzen können, die ihm einen Markteintritt in trotz ihrer Zielsetzung, keine rechtliche Würdigung anzu-
zulässiger Weise ermöglicht. Diese Beurteilung zu treffen,
streben; denn darin heißt es nur:32 „Agreements that are ist für Kartellbehörden und Gerichte schwierig, aber ent-designed to keep competitors out of the market may also scheidend: Nur die vergleichsweise Unterbindung zulässi-run afoul of EC competition law. Settlement agreements gen Wettbewerbsverhaltens ist an sich tatbestandsmäßig. that limit generic entry and include a value transfer from Kann dagegen der Originalpräparatehersteller gegen den an originator company to one or more generic companies Generikahersteller patentrechtlich vorgehen, so wird ein are an example of such potentially anticompetitive agree-
darauf gerichteter Vergleich wirksam sein.
ments, in particular where the motive of the agreement is the sharing of proÞ ts via payments from originator to Der BGH hatte im Jahre 1951 darüber zu entscheiden, ob generic companies to the detriment of patients and public ein Vergleich, durch den Streit über die Reichweite des health budgets."
Schutzbereichs eines Patents beigelegt werden sollte, kar-tellrechtlich unzulässig sei. Die Parteien hatten den Schutz-
4. Bewertung
umfang des Patents im Vergleich deÞ niert. Das Gericht
Die kartellrechtliche Beurteilung der pay-for-delay-Ver-
hielt dies grds. für zulässig: Es widerspreche wirtschaft-
gleiche ist noch gänzlich ungeklärt; vor allem hat die Kom-
licher Vernunft, den Vergleich darauf zu prüfen, ob die
mission bislang keinen einzigen Fall entscheiden müssen, dem Patentinhaber durch den Vergleich gewährten Rechte der Anlaß zu vertiefter rechtlicher Würdigung gegeben über dasjenige hinausgehen, was das Gericht als wirkli-hätte. Gleichwohl existieren einzelne Gerichtsentscheidun-
chen Schutzumfang ansehen würde. Das Gericht statuierte
gen, auf die ansatzweise rekurriert werden kann.33
jedoch zwei Kriterien kartellrechtlicher Zulässigkeit: Er-stens müsse sich die Vereinbarung – objektiv – „innerhalb
Ein Pay-for-delay-Vergleich unterfällt dem Kartellverbot desjenigen Spielraums des Schutzumfangs des Patents hal-des Art. 101 AEUV als Vereinbarung, wenn er Wettbewerb ten, über dessen Abgrenzung ernstliche Zweifel möglich beschränkt. Dann müssen die beteiligten Unternehmen sind"; zweitens müßten beide Parteien – subjektiv – „in der miteinander zumindest in potentiellem Wettbewerb stehen. Vorstellung gehandelt haben, durch die Abmachung dem In Patentrechtsverletzungsstreitigkeiten muß der Gene-
Ausschließlichkeitsrecht keinen weitergehenden Inhalt
rikahersteller über die realistische Möglichkeit verfügen, zu geben, als er ihm bei richtiger Auslegung des Patents auf dem Markt, auf dem das durch das Patent geschütz-
gesetzlich zukommt."34 Diese Kriterien verfolgen zwei Funktionen: Ein Patent soll nicht über seinen Schutzbe-
32 (A.a.O. Fn. 2), Rn. 1573 (Hervorhebung scr.).
reich ausgedehnt und Wettbewerb nicht über das aufgrund
33 Die Rechtsprechung des EuGH ist freilich nicht sehr aufschluß-
des Schutzrechts unvermeidliche Maß hinaus beschränkt
reich. In der Entscheidung Nungesser (EuGH, Urt. v. 08.06.1982,
werden. Des weiteren soll eine Beurteilung der Frage, ob
Rs. C-258/78, Slg. 1982, 2015) ist im wesentlichen nur klargestellt
durch den Vergleichsschluß Märkte aufgeteilt werden, er-
worden, ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich könne
möglicht werden.
dem Kartellverbot unterfallen, wenn er das Wettbewerbsverhalten
mindestens eines der Beteiligten in einer Weise begrenze, daß diese
Während dieser Entscheidung Art. V c) Nr. 7 MilRegVO
Begrenzung sich im Wettbewerbsverhalten der Beteiligten auswirke.
Nr. 78 zugrundelag, entschied der BGH später auch Fälle
In der Entscheidung Bayer/Süllhofer (EuGH, Urt. v. 27.09.1988, Rs.
anhand des § 1 GWB. In einer Entscheidung heißt es, die
65/86, Slg. 1988, 5249) lehnt er ausdrücklich die Rechtsauffassung
Norm stehe einer gütlichen Einigung nicht im Wege, wenn
des BGH ab, nach der eine Nichtangriffsabrede zwar grundsätzlich
ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlaß zu der Annah-
Wettbewerb beschränke, sie aber mit Art. 101 AEUV vereinbar sei,
me bestehe, der Vertragspartner habe Anspruch auf Unter-
wenn sie in einem Vertrag enthalten sei, der einen vor Gericht anhän-
lassung der durch den Vergleich untersagten Handlung, so
gigen Rechtsstreit beendet, wenn ernsthafte Zweifel am Bestand des
daß bei der Durchführung eines Rechtsstreits ernstlich mit
den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden gewerblichen Schutz-
dem Ergebnis zu rechnen wäre, daß dem Wettbewerber das
rechts bestehen, der Vertrag keine anderen wettbewerbsbeschrän-
umstrittene Vorgehen untersagt werde.35 Der lauterkeits-
kenden Klauseln enthält und sich die Nichtangriffsabrede auf den
rechtliche Fall ist auch kartellrechtlich bedeutsam: Ver-
Gegenstand des Rechtsstreits bezieht. Art. 101 AEUV differenziere
gleiche, die nur die äußere Form für in Wahrheit gewollte
nicht nach dem Zweck der wettbewerbsbeschränkenden Vereinba-
marktpolitische Maßnahmen bilden, seien – so das Gericht
rung. Gleichzeitig statuierte der EuGH freilich Ausnahmen, bei de-
– nichtig. Der Senat wendet nur das obige objektive Kri-
nen keine Wettbewerbsbeschränkung gegeben sei: die Lizenz werde
terium an. Außerdem müßten sich die Abreden innerhalb
kostenlos erteilt, weil der Wettbewerbsteilnehmer nicht die mit den
Lizenzgebühren zusammenhängenden Nachteile zu tragen hat; die
34 BGH, Urt. v. 05.10.1951, I ZR 74/50 = BGHZ 3, 193 (199) –
Lizenz werde zwar kostenpß ichtig erteilt, beziehe sich aber auf ein
Tauchpumpe II; bestätigt durch BGH, Urt. v. 15.02.1955, I ZR 86/53
technisch überholtes Verfahren, von dem das Unternehmen, das die
= BGHZ 16, 297 (304) – Rote Herzwandvase.
Verpß ichtung eingegangen ist, das Patent nicht anzugreifen, keinen
35 BGH, Urt. v. 22.05.1975, KZR 9/74 = WuW/E BGH 1385 – Heil-
Gebrauch gemacht hat.
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der Grenzen dessen halten, was auch objektiv zweifelhaft In der Literatur wenden sich manche gegen die Beurtei-sein kann, d. h. nicht über das erforderliche Ausmaß hin-
lung der Erfolgsaussichten einer Klage: Zweck eines
Vergleichs sei die Beseitigung rechtlicher Ungewißheit. Bestehe ernsthafter, objektiv begründeter Anlaß für die
Zuletzt bestätigte der BGH seine frühere Rechtsprechung Annahme, daß ein Unterlassungsanspruch gegeben sei, und wandte allein objektive Kriterien auf eine Patentli-
bestehe ein Interesse am Abschluß eines Vergleichs regel-
zenzvereinbarung in einem Vergleich an.36 Diese sah vor, mäßig nicht mehr.40 Andere wollen die Immanenztheorie daß ein mutmaßlicher Patentverletzer eine Lizenzgebühr auf Vergleiche anwenden:41 Patentstreitigkeitsschlichtende für den Vertrieb seines mutmaßlich patentverletzenden Vergleiche beschränkten Wettbewerb notwendigerweise. Produkts auch für Staaten zu entrichten hatte, in denen kein Das sei gerechtfertigt, weil Beseitigung von Ungewißheit Patentschutz bestand. Der BGH hat die Lizenz zunächst wettbewerblich positiv sei. Doch müßte dann die Frage, anhand des § 17 GWB a.F. beurteilt und entschieden, daß welche Wettbewerbsbeschränkungen hinzunehmen seien, die Regelung zur Lizenzgebühr über den Inhalt des Schutz-
beantwortet werden. Dagegen wenden manche ein, wett-
rechts hinausgehe und deshalb gegen die Norm verstoße. bewerbsbeschränkende Vergleiche müßten strenger be-Dann knüpfte das Gericht an seine frühere Judikatur an: wertet werden, als dies in der Rechtsprechung und nach Ein Vergleich mit objektiv wettbewerbsbeschränkendem der Immanenztheorie der Fall sei. Die bisher praktizierte Inhalt sei zulässig, wenn ein ernsthafter, objektiv begrün-
grundsätzliche Zulässigkeit von Vergleichen übergehe das
deter Anlaß zu der Annahme besteht, der Vertragspartner kartellrechtliche Verbotsprinzip und räume dem Prozeß-habe Anspruch auf Unterlassung der durch den Vergleich vermeidungsinteresse der Parteien gegenüber der Wettbe-untersagten Handlung, so daß bei Durchführung eines werbsfreiheit ein zu hohes Gewicht ein.42 Wettbewerbsbe-Rechtsstreits ernsthaft mit dem Ergebnis zu rechnen wäre, schränkende Vergleiche seien vielmehr unzulässig, wenn dem Wettbewerber werde das umstrittene Vorgehen un-
sie entweder Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträch-
tersagt. Nur solche wettbewerbsbeschränkenden Abreden tigen oder eine marktbeherrschende Stellung entstehen las-seien von der Nichtigkeitsfolge freigestellt, die sich inner-
sen bzw. verstärken oder mit einem relativ marktstarken
halb der Grenzen dessen halten, was auch bei objektiver Unternehmen geschlossen werden, von dem der andere Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann. Die Möglich-
Vertragspartner abhängig ist. Nur Vergleiche, deren wett-
keit solcher Zweifel wurde für den betreffenden Fall ver-
bewerbsbeschränkende Wirkung diese Schwellen nicht
erreichen, sollen nach den von der deutschen Rechtspre-chung aufgestellten Kriterien zulässig sein.
Nach Fortfall des § 17 GWB gilt nun die GVO-TT.38 Da-nach ist nicht entscheidend, ob eine bestimmte Beschrän-
Tatsächlich sollte wie folgt entschieden werden: Ist der
kung noch dem Schutzbereich des Patents zuzurechnen ist, Kartellverbotstatbestand schon dann erfüllt, wenn Wett-sondern ob die Lizenzvereinbarung eine Kernbeschrän-
bewerb aufgrund des Vergleichs mit Wahrscheinlichkeit
kung enthält. Ist das nicht der Fall, so hängt die Freistel-
beschränkt werden kann,43 und zahlt ein Originalpräparate-
lung maßgeblich von den Marktanteilen der Parteien ab. hersteller aufgrund eines Kosten-Nutzen-Vergleichs hor-Neben den für Lizenzvereinbarungen geltenden Kriterien rende Beträge an Generikaanbieter, weil er offensichtlich hat der BGH jedoch noch ein weiteres Kriterium statuiert: und aus guten Gründen fürchtet, sein Schutzrecht nicht Bestehen ernsthafte objektive Zweifel an der Zulässigkeit durchsetzen zu können, so spricht vieles dafür, Art. 101 III des in der Vergleichsvereinbarung untersagten Verhaltens? AEUV sowie die TT-GVO anzuwenden. Weiterer Krite-Incidenter müßte eine Bewertung der Erfolgsaussichten ei-
rien bedarf es nicht. Denn bei der Beurteilung regelhaf-
ner Klage vorgenommen werden. Bei komplizierten tech-
ter Patentlizenzvereinbarungen ergeben sich genau die
nischen Sachverhalten - wie für Patentstreitigkeiten typisch gleichen Fragestellungen wie bei patentrechtlichen Ver-- wird es jedoch schwierig sein, die Erfolgsaussichten zu gleichsvereinbarungen.44 Auch Patentlizenzen können schätzen: Es fehlt Gerichten und Behörden an der dazu er-
Marktaufteilung verdecken. Die Liste der regelmäßig un-
forderlichen Kompetenz.39 Sachverständige Beurteilung ist zulässigen Kernbeschränkungen ist allgemeingültig. Vor zwar möglich, doch griffe sie in originäre Kompetenzen von Patentbehörden und –gerichten ein. Es fragt sich des-
40 Treacy, JIPLP 2006, 223 (224).
halb, ob das vom BGH entwickelte Kriterium sachgerecht 41
Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Auß . 2007, § 1 und erforderlich ist.
Rn. 191 m.w.N.
42
Beater, WuW 2000, 584 (591 ff.).
36 Zustimmend
Beater, WuW 2000, 584 (589).
43
Zimmer, (Fn. 41), § 1 Rn. 159;
Bunte, in: Langen/Bunte, GWB,
37 BGH, Urt. v. 05.07.2005, X ZR 14/03 = GRUR 2005, 845 (847) –
11. Auß . 2010, § 1 Rn. 230.
44
Lorenz, PharmR 2007, 221 (226). – Vgl. auch Kommission, Leit-
38 VO 772/2004 der Kommission vom 27.04.2004 über die Anwen-
linien zur Anwendung des Art. 81 EG auf Technologietransfer-Ver-
dung von Art. 81 III EG auf Gruppen von Technologietransfer-Ver-
einbarungen, ABl. EG Nr. C 101 v. 27.04.2004, S. 2, Rnrn. 204 ff. –
einbarungen, ABl. L 123/11. – Vgl. auch §§ 1, 2 II GWB.
Dazu
van Bael/Bellis, Competition Law of the European Community,
39 Drexl, IIC 2009, 751 (753).
4th Ed. 2005, S. 696.
Heyers, Sector Inquiry Pharma
allem Feststellungen zum subjektiven Tatbestand sind grades.49 Nicht jedes Patentrecht begründet ein Monopol, nicht erforderlich. Ob eine Patentlizenz im Vergleichswege da ggf. technische Alternativen existieren.50 Entscheidend oder in anderem Zusammenhang gewährt wird, ist für die ist, ob ein Unternehmen „aufgrund seiner wirtschaftlichen Beurteilung der darin enthaltenen Wettbewerbsbeschrän-
Machtstellung in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines
kungen ohne Bedeutung. Subjektive Tatbestandselemente wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu ver-sind dem Kartellverbot fremd. Es wird für die Beurteilung hindern, in dem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich von Patentlizenzvereinbarungen auch nicht verlangt, daß seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich der Ausgang eines Rechtsstreits zwischen den Parteien im auch den Verbrauchern gegenüber in signiÞ kantem Um-Falle der Nichterteilung der Lizenz antezipiert wird. Auch fang gegenüber unabhängig zu verhalten".51 In der wich-bei Vergleichsvereinbarungen ist dies nicht erforderlich. tigen Rechtssache Astra-Zeneca52 hat die Kommission das Sofern die Vereinbarung keine Kernbeschränkung enthält v.a. bejaht, weil das kapital- und humanressourcenstarke und die übrigen Voraussetzungen der TT-GVO erfüllt sind, Unternehmen als PioniererÞ nder und Inhaber zahlreicher besteht kein Grund für die Anwendung weiterer Kriterien. wichtiger Patente Vergleiche zu diktierten Bedingungen Es sind also TT-GVO und Leitlinien anzuwenden.
sowie den Markt schließen konnte.53
Zweitens muß das Unternehmen seine Position mißbrau-
Ein Patent wird als sog. Sperrpatent bezeichnet, wenn ein chen. Sog. Behinderungsmißbrauch durch wettbewerbs-Pharmaproduzent dieses in der Absicht anmeldet, For-
widrigen Einsatz der Ausschließlichkeit liegt bei allen Ver-
schungsaktivitäten anderer Pharmaunternehmen zu stören. suchen der Verdrängung von Substitutionskonkurrenz vor, Die Kommission rechnet Sperrpatente sog. defensiven Pa-
bei denen das Schutzrecht nicht als die eigene Leistung
tentstrategien der tool box zu. Sie gefährden nach ihrer Auf-
sicherndes Wettbewerbsmittel, sondern zur Unterdrückung
fassung v. a. Innovationswettbewerb. Betroffen sei Wett-
fremder Leistung eingesetzt wird. Das ist nicht nur in Fäl-
bewerb forschender Pharmaunternehmen (Originalpräpa-
len der Schutzrechtserschleichung, zu denen der kürzlich
ratehersteller) untereinander. Sperrpatente würden primär entschiedene Fall AstraZeneca zählt, oder der ungerecht-dazu verwendet, die Entwicklung neuer, konkurrierender fertigten Blockierung des Schutzrechtserwerbs Dritter – Arzneimittel zu verhindern. Neuer Stand der Technik wer-
z.B. durch Schutzrechtsverwarnung oder Rechtserwerb in
de geschaffen, so bald die Patentanmeldung veröffentlicht Kenntnis besserer Rechte anderer – offensichtlich, sondern wird. Die offengelegte Technik und ihre Fortentwicklung kann auch bei der Bildung von Sperrpatenten der Fall sein, lasse das Interesse der Konkurrenz an eigener Innovation die nicht durch Absicherungsbedürfnisse für den selbst entfallen, weil sie Patentschutz kaum mehr erlangen kön-
genutzten Schutzgegenstand gerechtfertigt sind. Insoweit
ne.45 Ein weiteres, zunächst neutrales Motiv defensiver wird zwischen der Schutzrechtssicherung für selbständige Patentstrategien sieht die Kommission im Erhalt eigener Substitute und der von Ableitungen aus dem selbst genutz-Forschungsfreiräume.46
ten Schutzgegenstand und danach unterschieden, ob und
Schon Patentanmeldungen können also innovationsretar-
49
Bergmann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Eur. KartR,
dierende und marktabschottende Wirkungen zeitigen.47 Da 2. Auß . 2009, Art. 82 EG Rn. 25 m.w.N. in Fn. 149.
dies einseitige Maßnahmen sind, bildet Art. 102 AEUV 50 Kommission, Discussion Paper on the Application of Article 82 of den Prüfungsmaßstab. Grundvoraussetzung ist – erstens the Treaty to exclusionary Abuses, 2005, Rn. 40, Tiret 1.
– eine marktbeherrschende Stellung. Sie besteht nur auf 51 EuGH, Urt. v. 13.02.1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn. 38 – abgegrenzten Märkten. Zwei Prüfungsschritte sind nötig: Hoffmann-LaRoche.
Abgrenzung des relevanten Marktes48 sowie Ermittlung 52 Kommission, 15.06.2005, COMP/A.37.507/F3 – AstraZeneca/der Wettbewerbsverhältnisse und Messung des Monopol-
Kommission (dazu Fagerlund/Rasmussen, Competition Policy News-
letter 2005, No. 3, S. 54; Hirsbrunner, EWS 2005, 488). Das Unter-
45 Vgl. EuG, Urt. v. 17.09.2007, T-201/04, Slg. 2007, II-3601
nehmen hatte ein ergänzendes SchutzzertiÞ kat durch falsche Angaben
Rn. 331– Microsoft Corp./Kommission; Kommission, Preliminary
über den Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Blockbusterprä-
Report v. 28.11.2008, Executive Summary, (a.a.O. Fn. 2), C. 3.1,
parat ‚Losec' zu dem Zweck erschlichen, generische Wettbewerber
vom Markt auszuschließen. Außerdem sollte durch eine Umstellung
46 Vgl. etwa ihren Abschlußbericht der Sektoruntersuchung (dt. Fas-
von Kapseln auf Tabletten die arzneimittelrechtliche Zulassung für
sung), (a.a.O. Fn. 2), 3.3.1, S. 19.
erstere in Wegfall kommen. Der Marktzutritt für Generika sollte hier-
47 Kommission, Case COMP/B-2/A. 39. 246/Boehringer Ingelheim;
durch erschwert werden. Das EuG (Rs. T-321/05) wies die Nichtig-
Straus, GRUR Int. 2009, 93 (95).
keitsklage von AstraZeneca in seinem Urteil vom 01.07.2010 (dazu
48 Im Arzneimittelsektor werden Märkte bislang nach dem anato-
Berg/Brankin, EuZW 2011, 91) ab und bestätigte die Entscheidung
misch-therpeutisch-chemischen KlassiÞ kationssystem (ATC-Klassi-
der Kommission im wesentlichen (vgl. jetzt EuGH, C-457/10 P).
Þ kation) der WHO abgegrenzt (www.whocc.no). Arzneimittel wer-
53 Dazu
Drexl, Deceptive Conduct in the Patent World, in: Prinz
den in Gruppen auf fünf verschiedene Ebenen eingeteilt, z. B. nach
zu Waldeck und Pyrmont/Adelman/Brauneis/u.a. (Hrsg.), Liber ami-
individueller Substanz, therapeutischer Indikation, Wirkweise u.a.m.;
corum Straus, 2009, S. 137 (147);
Müller-Graff/Fischmann, GRUR
vgl.
Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (585 f.).
Int. 2010, 792 (795).
Heyers, Sector Inquiry Pharma
inwieweit eine eigene Nutzung in Frage steht, die Nutzung Ihm bleibt freilich die Möglichkeit, Lizenzbedingungen zu von selbständigen Weiter- oder Komplementärentwick-
diktieren und Wettbewerb zu beeinß ussen. Es wird auf die
lungen Dritter rechtlich oder wirtschaftlich blockiert wird Lizenzbedingungen des Einzelfalls ankommen.
oder sonstige Interessen bedeutsam sind.54 Das EuG bestä-
tigte in der AstraZeneca-Entscheidung, in der Anmeldung
V. Fazit
eines Sperrpatents könne ein Mißbrauch liegen, obwohl es Aufgrund der Untersuchung ist zu erwarten, daß die Kom-
sich um ein gleichsam vormarktliches Verhalten handele.
mission in den kommenden Jahren auf dem Pharmasektor einen Schwerpunkt ihrer kartellrechtlichen Arbeit setzen
Es verbleiben jedoch Fragen: Genügt es nicht, hergebrach-
und weitere Verfahren eröffnen wird. Gewiß ist Neelie
te Grundsätze der Lizenzverweigerung anzuwenden, wie Kroes zuzustimmen: „We must have more competition sie etwa aus der IMS-Health-Entscheidung bekannt sind?55 and less red tape in pharmaceuticals. The sector is too Dagegen spricht, daß ein Schutz gegen Lizenzverweige-
important to the health and Þ nances of Europe's citizens
rung häuÞ g zu spät kommt. Das inkriminierte Unrecht and governments to accept anything less than the best".58 besteht nicht nur in einer Lizenzverweigerung, sondern in Doch die wettbewerbliche Bewertung der ambivalenten einer umfassend angelegten Patentstrategie. Schließlich ist unternehmerischen Verhaltensweisen fällt schwer. Es fehlt diese ambivalent: Wie die Kommission anerkennt, können – trotz paralleler Verfahren mit ähnlichen Rechtsfragen Sperrpatente auch dem Erhalt eigener Forschungsfreiräu-
(Microsoft, Rambus, Qualcomm) – an kartellbehördlicher
me dienen und Leistung sichern. Bei der Lösung kann der und gerichtlicher Praxis. Die Verfahren stellen die Auswir-sog. Incentives Balance Test, der aus dem Microsoft-Fall kungsdoktrin auf die Probe. Hoffentlich besteht sie diese.
bekannt ist, ggf. entsprechend helfen.56 Er sieht einen trade off zwischen den negativen Auswirkungen auf die Innova-
58 Speech, Presentation of the Final Report, July 8th 2009, (a.a.O.
tionsanreize des Rechtsinhabers und den möglichen posi-
tiven Auswirkungen der Blockadefreiheit insgesamt – z.B. durch Folgeinnovation – vor: Wenn diese jene nicht über-wiegen, wird man gegen den Schutzrechtsinhaber nicht vorgehen können.
Ferner ist fraglich, ob Sperrpatente tatsächlich als solche so leicht zu identiÞ zieren sind, wie es im Schrifttum oft den Anschein hat.57 Die Anmeldung eines Sperrpatents als mißbräuchlich zu qualiÞ zieren, setzt wohl bereits von vornherein bestehende, gewichtige, u.U. kumulativ gege-bene Indizien voraus. Als solche könnten in Betracht kom-men: fehlender Umfang speziÞ scher F&E-Investitionen, Formulierung von Patentansprüchen in Abhängigkeit von der bestehenden oder zu erwartenden Patentrechtssituation potentieller Wettbewerber, Fehlen konkreter Pläne – ein-schließlich Berechnungen von Kosten für Forschung und klinischer Versuche, die für eine Markteinführung des be-treffenden Medikaments benötigt werden – für die Mark-teinführung u.a.m. Nachweise wird man aufgrund interner Strategiepapiere führen können. Die Rechtspraxis wird sich auch mit der Frage, ob sich ein Blockpatentinhaber mit sei-ner Lizenzbereitschaft verteidigen kann, befassen müssen.
54
Ullrich/Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbs-
recht, 4. Auß . 2007, Immaterialgüterrechte, Rn. 53.
55 Dafür und dazu
Straus, GRUR Int. 2009, 93 (104).
56 Vertiefend
Vezzoso, The Incentives Balance Test in the EU Mi-
crosoft Case: A More "Economics-Based" Approach?, 2005;
Kerber/
Schmidt, Microsoft, Refusal to License IPR, and the Incentive Bal-
ance Test of the EU Commission, 2008.
57 Beispielsweise scheint die These
Ohlys, ein Mißbrauch von
Sperrpatenten sei indiziert, wenn sie „lediglich der Behinderung von
Konkurrenten dienen" (vgl.
dens., Geistiges Eigentum und Wettbe-
werbsrecht, Konß ikt oder Symbiose?, in: Oberender, Wettbewerb und geistiges Eigentum, 2007, S. 47 (62)), wenig zielführend.
Source: http://bonner-rechtsjournal.de/fileadmin/pdf/Artikel/2011_01/BRJ_033_2011_Heyers.pdf
Memorias del Judicialización de casos y reparación a mujeres víctimas de delitos de violencia sexual en el marco del conflicto armado Bogotá, 4 y 5 de febrero de 2009 Documento realizado en el marco del Proyecto Estrategia Integral de Incidencia a Favor de las Mujeres
WOODY PLANT DISEASE CONTROL GUIDE FOR KENTUCKY by John Hartman, Mary Witt, Don Hershman, and Robert McNiel Cultural Practices to Prevent Disease Good care of trees and shrubs prevents many nursery and landscape problems. Because trees and shrubs live for manyyears, their susceptibility to disease is influenced not only bycurrent climatic and environmental conditions but also byconditions and care during previous years. Adverse growingconditions, maltreatment, and lack of care favor manydiseases. Many problems in nurseries and landscapeplantings can be avoided by selecting proper plant materials,creating good planting sites, avoiding unnecessary wound-ing, providing routine care (including fertilization and timelywatering and pruning), and using preventive disease andinsect control measures as needed.