Adhs bei kindern - gesundheitsgespräch - bayern 2 - 23.01.2016
Gesundheitsgespräch
ADHS
Sendedatum: 23.01.2016
Von Zappelkindern und Traumtänzern: ADHS bei Kindern
Expertin: Dr. med. Sabine Dörning, Fachärztin für Kinder- und
Jugendpsychiatrie.
Autorin: Susanne Poelchau
Sie zappeln oder träumen, sind abgelenkt, unkonzentriert und extrem
vergesslich. Ihre Eltern bringen sie oft zur Verzweiflung, ihre Lehrer immer
wieder an die Grenzen: Kinder mit ADHS. Das Kürzel steht für
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung. Drei bis sieben Prozent aller
Kinder im Schulalter leiden an dieser Störung; das sind circa 500.000 Kinder
und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren in Deutschland. Und
ihre Umwelt leidet mit. Es gibt wohl kaum eine Schulklasse ohne mindestens
ein betroffenes Kind. ADHS trifft sehr viel häufiger Jungen, auf ein Mädchen
kommen etwa vier Jungen. Meist sind die von ADHS betroffenen Jungen eher
zappelig und hyperaktiv. Bei den Mädchen steht eher die
Aufmerksamkeitsstörung im Vordergrund.
ADHS ist so umstritten wie die Therapie. Vor allem wird kontrovers diskutiert,
ob man betroffene Kinder mit Psychopharmaka behandeln sollte oder nicht.
Dass sie aber behandelt werden müssen, steht fest, denn Studien zufolge sind
die Betroffenen wegen der Impulsivität erheblich häufiger in schwere Unfälle
verwickelt als andere Autofahrer und sie haben ein stark erhöhtes
Suchtproblem. Dazu kommen schulische und soziale Probleme sowie die
Gefahr einer kriminellen Entwicklung.
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Krankheitsbild und Symptome
Früher sprach man oft vom Zappelphilipp, heute weiß man: Nicht jedes ADHS-
Kind ist hyperaktiv. Es gibt auch die viel unauffälligere Variante, dass Kinder
verträumt und schusselig sind.
Die drei Untergruppen der Störung:
Misch-Typ: aufmerksamkeitsgestört und hyperaktiv-impulsiv, 50 bis 75 Prozent
vorwiegend aufmerksamkeitsgestört: "Traumsuse" (tatsächlich auch häufiger
bei Mädchen!), 20 bis 30 Prozent
vorwiegend hyperaktiv-impulsiv: "Zappelphilipp", weniger als 15 Prozent
(Quelle: "Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen" der
amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie)
Beispiel:
Frau S. hat zwei ADHS-Kinder, die völlig unterschiedlich sind: Der Sohn
extrem unruhig, die Tochter überaus verträumt, chaotisch und vergesslich. "Sie
vergisst leicht einmal ihr Turnzeug. Ihre Hausaufgaben bleiben auf dem
Schreibtisch liegen, dann muss ich sie ihr in die Schule bringen." Die Mutter
muss ihre Tochter auch ständig antreiben: "Jeden Morgen sage ich 20 mal:
'Wenn du jetzt nicht gehst, kommst du zu spät zur Schule!'"
Ihr Sohn hingegen ist schon eine halbe Stunde zu früh in der Schule.
Stress vom Aufstehen bis zum Zubettgehen
ADHS-Kinder sind sehr anstrengend und erziehungsintensiv für die Eltern, so
die Erfahrung von Sabine Dörning: "Wenn die Kinder morgens aus dem Haus
sind, ist für viele Mütter die erste Schlacht geschlagen,
Beim Frühstück fallen Gläser um, die Kinder stehen ständig vom Tisch auf,
streiten viel und sind laut. Auch der Abend ist für Eltern von ADHS-Kindern eine
besondere Herausforderung: Die Eltern sind erschöpft, ihre Kinder aber immer
noch fit. Viele ADHS-Kinder brauchen sehr wenig Schlaf:
ADHS-Kinder sind nicht dumm
Auch wenn sie oft Probleme in der Schule haben, an der Intelligenz liegt es
nicht. Dr. Sabine Dörning macht in der kinderpsychiatrischen Praxis im Rahmen
der Diagnostik auch Intelligenztests mit den Kindern. Diese fallen in der Regel
so aus wie bei allen anderen Kindern. Es gibt unter ADHS-Kindern auch
hochbegabte Kinder. Meistens können sie jedoch ihr Potential nicht
ausschöpfen und erzielen deshalb nicht die eigentlich möglichen Leistungen.
ADHS-Kinder klagen häufig, dass die Schule langweilig sei.
"Viele können wegen ihrer Konzentrationsschwierigkeiten dem
Unterrichtsgeschehen nicht anhaltend aufmerksam folgen, bekommen Inhalte
nur bruchstückhaft mit, verlieren den Überblick und langweilen sich. Und damit
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der Unterricht nicht so fad ist, halten sie lieber ein Schwätzchen mit dem
Nachbarn oder träumen sich weg." Dr. Sabine Dörning
Nicht nur die Schwächen sehen:
ADHS-Kinder sind kein Ausbund negativer Eigenschaften. Sie können
manchmal ganz auf ein Thema fokussieren und ein brennendes Interesse
daran entwickeln, zum Beispiel Lego spielen, puzzeln, Computer spielen. Eine
weitere Stärke dieser Kinder ist oft ihre Kreativität und die Fähigkeit, originelle
Lösungen zu finden. Sie fallen auf durch phantastische Geschichten (die
gelegentlich als Lügen interpretiert werden), besonders blumige Aufsätze
(leider wegen der schlechten Schrift oft kaum lesbar), technische
Konstruktionen (die meist nicht fertig werden) und eine besondere Farbwahl.
Viele haben einen besonderen Sprachwitz (der allerdings mitunter zur Unzeit
stört), sie können Situationen treffend charakterisieren (und da sie damit
ungesteuert herausplatzen, für Peinlichkeiten sorgen), sie können musisch
begabt sein (aber sind nicht zum Üben zu bewegen) und spielen überzeugend
Theater (wenn sie es schaffen, pünktlich zu sein und sich an die Rolle zu
halten). Nicht umsonst ist der Anteil von Menschen mit ADHS in kreativen
Berufen sehr hoch.
ADHS-Kinder - häufig aggressiv
Auf kleine Irritationen reagieren sie oft heftig. Auslöser dieser Überreaktionen
sind mangelnde Impulskontrolle. Häufig haben die Kinder Schwierigkeiten,
Mimik und Gestik von anderen Personen angemessen zu interpretieren, sie
fühlen sich schnell provoziert und schießen mit ihrer Reaktion über das Ziel
hinaus. Aggressive Verhaltensweisen entstehen auch aus den Frustrationen
heraus, die die Kinder in allen möglichen Bereichen erleben: Sie sehen, dass
sie mit den anderen nicht mithalten können, sie werden selten gelobt, aber
ständig kritisiert, sie trauen sich nichts zu, manche sind sprachlich weniger
geschickt. So finden sie in aggressiven Verhaltensweisen am ehesten eine
Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.
Keine Modeerscheinung! - Über die Ursachen
Nach dem derzeitigen Wissensstand handelt es sich bei ADHS um eine
angeborene Stoffwechselstörung im Gehirn mit der Folge einer
Kommunikationsstörung zwischen Stirn- und Zwischenhirn - genau gesagt: in
der Schaltstelle des Gehirns, in der das Denken, Planen und Lernen koordiniert
wird. Das Gehirn benötigt zur Reizübermittlung (Weiterleitung von
Informationen und Befehlen im Gehirn) sogenannte Botenstoffe wie Dopamin,
Noradrenalin oder Serotonin. Man nimmt heute an, dass bei Betroffenen ein
Mangel an Botenstoffen im Gehirn herrscht und das Gehirn deshalb im
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Dauerzustand des "Nicht-ganz-wach-seins" ist. Deshalb ist das Hauptproblem
der Kinder auch nicht die Zappeligkeit, sondern die Tatsache, dass sie extreme
Stimulation brauchen, um in Fahrt zu kommen. ADHS ist somit weder eine
Modeerscheinung noch eine Entschuldigung für unangepasstes Verhalten, aber
eine Erklärung dafür.
Veränderung im Hirnstoffwechsel:
Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler um Nora Volkow weisen in der
Ausgabe vom 9. September 2009 des Fachblatts
Journal of the American
Medical Association (Bd. 302, S. 1084, 2009) darauf hin, dass eine
Veränderung im Hirnstoffwechsel manche Symptome von ADHS-Patienten
erklären könnten. Die Forscher entdeckten bei den 53 untersuchten Patienten,
dass diese über weniger Dopamin-Rezeptoren verfügten als die Mitglieder der
gesunden Vergleichsgruppe.
Dopamin gilt als "Glückshormon", das Freude und Belohnungsgefühle
vermittelt. Wenn weniger Moleküle an Rezeptoren im Gehirn andocken, treten
Zufriedenheit und Erfüllung seltener ein.
"Diese Defizite im Gehirn könnten erklären, warum Patienten mit ADHS nicht
nur unaufmerksam, sondern auch wenig motiviert sind und oft zu
Drogenkonsum neigen." Wissenschaftlerin Nora Volkow
Genetische Ursachen
Man geht davon aus, dass bei vielen Kinder mit ADHS mindestens ein
Elternteil auch daran leidet oder als Kind litt.
"Dadurch verstärken sich oft die Probleme in der Familie. Denn Eltern mit
ADHS sind häufig selbst sehr impulsiv und nicht gerade Vorbilder in Bezug auf
Strukturen und Ordnung." Dr. Sabine Dörning
Umweltursachen
Äußere Bedingungen können die Symptome der ADHS verstärken:
- Unruhe in der Familie: keine regelmäßigen Mahlzeiten und gemeinsame
Rituale, Lärm, Hektik, fehlende oder nicht durchschaubare Strukturen,
- Leistungsdruck in der Schule, - beschränkte Wohnverhältnisse, - geringe Bewegungsmöglichkeiten, - übermäßiges Fernsehen, Computer oder Gameboy spielen.
ADHS - eine Krankheit unserer Zeit?
Die Aufmerksamkeitsstörung ist keine moderne Zivilisationskrankheit. Erste
anekdotische, aber dennoch deutliche Beschreibungen finden sich im
Struwwelpeter. Der deutsche Badearzt Scherpff lieferte 1888 eine
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Beschreibung unter dem Begriff "das impulsive Irresein als häufigste
Seelenstörung im Kindesalter". ADHS ist aber insofern eine Krankheit unserer
Zeit, als die Diagnose heute sehr viel häufiger gestellt wird als früher.
"Als ich 1986 mein Medizinexamen machte, hatte ich noch nichts von ADHS
gehört. Die Kinder galten als Schulversager oder schlecht erzogen." Dr. Sabine
Dörning
Diagnose - ADHS wird oft zu spät erkannt
"Jede Diagnose ist leicht zu stellen, man muss nur daran denken!" so Dr.
Sabine Dörning Doch das ist nicht immer der Fall, wie Frau S. aus unserem
Beispiel aus eigener Erfahrung weiß. Ihr Sohn war schon seit Geburt ein
extrem anstrengendes Kind. Doch als die Mutter Hilfe suchte, wiegelten
Kinderarzt, Kindergärtnerin und auch die Erziehungsberatung ab und
vermittelten der Mutter das Gefühl zu übertreiben und selbst ein Problem zu
haben. Erst Jahre später stand die Diagnose ADHS. Oft wird erst dann an
ADHS gedacht, wenn ein Kind bereits massive Probleme in der Schule oder im
sozialen Umfeld hat.
Die Diagnostik
ADHS kann nicht durch eine "Blickdiagnose" festgestellt werden. Die
Diagnosestellung erfordert viel Erfahrung, Fachwissen und Zeit. Dr. Dörning
führt zuerst ein intensives Gespräch mit den Eltern, in dem ausführlich die
Entwicklung und Krankengeschichte des Kindes erfragt wird und, ob es im
Verwandtenkreis noch jemanden gibt, der als Kind ähnliches Verhalten zeigte.
Die Ärztin fragt immer im Kindergarten oder in der Schule nach, ob die
beschriebenen Probleme dort auch auftreten. Schließlich wird das Kind selbst
untersucht: Mit Konzentrations- und Intelligenztests, eventuell auch
Rechtschreibe-, Lese- und Rechentests, um abzuklären, ob
Teilleistungsstörung die Ursache von Lernschwierigkeiten ist.
"Wenn das Kind gerade in einer akuten Krise steckt, etwa weil sich die Eltern
getrennt haben, dann kann es auch ähnliche Schwierigkeiten entwickeln wie bei
einer ADHS." Dr. Sabine Dörning
Was tun bei einem ADHS-Verdacht?
- Genaue Beobachtung und Beschreibung des Verhaltens: Gibt es
aktuelle kritische Ereignisse, die Ursache des Verhaltens sein könnten? Wann treten die Aufmerksamkeitsstörungen auf, zu welcher Tageszeit, an bestimmten Wochentagen, in welchem Umfeld? Seit wann bestehen die Schwierigkeiten?
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- Rücksprache mit den anderen Bezugspersonen des Kindes:
Kindergarten, Schule, Hort, Großeltern
- Vorstellung des Kindes beim Kinder- und Jugendarzt - Aufsuchen einer auf ADHS spezialisierten Klinikambulanz oder
Vorstellung beim niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater
Therapiemöglichkeiten
Fachleute empfehlen heute eine "multimodale Therapie" bei ADHS: Die
Behandlung beruht auf mehreren Säulen: Eltern- und Familienberatung und -
training, Behandlung des Kindes (zum Beispiel Verhaltenstherapie) und
medikamentöser Therapie. Eine optimale Therapie ist ausschlaggebend für den
Verlauf und die Prognose der ADHS und ihrer Begleiterkrankungen.
Eltern brauchen Entlastung
Die meisten Eltern leiden nicht nur unter der Störung des Kindes, sondern auch
unter den Reaktionen der Umwelt.
"Oft müssen sich Eltern auch noch Vorwürfe anhören, sie könnten ihre Kind
nicht richtig erziehen oder sie übertreibe einfach." Dr. Sabine Dörning
Da hilft es vielen schon, wenn die Diagnose ADHS gestellt wird. Die Eltern
müssen lernen, wie sie aus dem Teufelskreis aus Stress, Überforderung und
Vorwürfen herauskommen. Eine Familientherapie kann helfen, das
Zusammenleben zu verbessern. Denn in vielen Familien entstehen große
Spannungen durch die kontinuierliche nervliche Belastung.
Tipps für Eltern:
• ADHS-Kinder brauchen
feste Strukturen. Deshalb müssen Eltern
Regeln aufstellen und selbst auch einhalten. "Wenn man Wörter wie "vielleicht" oder "ausnahmsweise" benutze, funktioniert es nicht", weiß Dr. Dörning.
•
Loben, belohnen, bestätigen: ADHS-Kinder sind oft vollkommen
entmutigt. Überall erleben sie, dass sie anecken, angetrieben und geschimpft werden.
• Den
Kindern etwas zutrauen. Nicht alles, was daneben gehen könnte,
vorsorglich aus dem Weg räumen.
• Den
Kindern so viel wie möglich an Verantwortung übertragen.
• Den
Kindern Grenzen setzen.
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• Eine
klare Sprache benutzen. Nicht ständig auf die Kinder einreden
"Wenn ich Kindern etwas sagen will, was mir wichtig ist, schaue ich sie direkt an und sage es ihnen in wenigen Worten", so Dr. Dörning.
• Auf
gemeinsame Spiel- und Spaßzeiten achten. Eltern und Kinder
müssen aus der negativen Spirale aussteigen, die sich häufig in der Familie eingestellt hat.
Psychotherapie für das Kind
In einer Verhaltenstherapie erleben die Kinder, dass sie ernst genommen
werden, und sollen vor allem zwei Dinge lernen. Erstens: Genau hinschauen,
Details wahrnehmen und zuhören. Das ist wichtig, um mit anderen und mit den
Anforderungen in der Schule zurechtzukommen. Und zweitens: Strategien
entwickeln, um selbstständig Aufgaben lösen zu können. Denn sie brauchen
Erfolgserlebnisse. Manche Kinder brauchen zusätzlich auch ein soziales
Kompetenztraining. Denn ADHS- Kinder ecken oft an, schließen schwer feste
Freundschaften und leiden oft unter sozialer Ausgrenzung.
Medikamente müssen nicht immer sein
"Man muss schon sehr genau schauen, welches Kind wirklich eine
medikamentöse Therapie braucht." Dr. Sabine Dörning
Die Richtlinie, an der sich die Ärzte orientieren: Wenn nach drei bis sechs
Monaten Behandlung ohne Medikamente nicht wirklich eine Besserung eintritt
und Gefahr für die weitere Entwicklung des Kindes besteht, sollte man einen
Therapieversuch mit Medikamenten in Erwägung ziehen.
"Das muss nicht lebenslang sein, sondern vielleicht auch nur ein, zwei Jahre.
Immerhin 80 Prozent der Kinder reagieren positiv auf die Medikamente." Dr.
Sabine Dörning
Umstritten: Psychostimulanzien
Bei ADHS werden vor allem Stimulanzien verschrieben. Am bekanntesten ist
das Methylphenidat (Handelsnamen Ritalin®, Equasym®, Medikinet®) und
Amphetamin (Handelsnamen Elvanse®, Attentin®). Diese Medikamente stellen
das Kind nicht ruhig, wie oft behauptet wird, sondern regen das Gehirn an. Das
klingt zunächst absurd bei hyperaktiven Kindern. Aber:
„Die Kinder zappeln, um sich selbst zu stimulieren und dadurch aufmerksamer
sein zu können." Dr. Sabine Dörning
Diesen Effekt stellt man mit dem Medikament sozusagen künstlich im Gehirn
her. Kritiker warnen vor den Nebenwirkungen: Appetit- und Gewichtsverlust
Magenschmerzen, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Launenhaftigkeit, wenn
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das Medikament abends seine Wirkung verliert. Obwohl Stimulantien unter die
Betäubungsmittelverordnung fallen besteht kene Suchtgefahr. bei
medikamentöser Behandlung besteht nicht Fest steht für Dr. Dörning:
"Medikamente sind immer Teil eines Gesamtkonzepts der Behandlung. Sie
können ein Segen sein, aber nur wenn sie ganz gezielt eingesetzt werden."
Medikament: Atomoxetin:
Seit 2005 steht in Deutschland der Wirkstoff Atomoxetinzur Behandlung von
ADHS zur Verfügung. Atomoxetin (Handelsname Strattera®) ist nach 50 Jahren
die erste Substanz, die nicht zur Gruppe der Psychostimulanzien gehört, nicht
dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt und daher mit einem normalen Rezept
verschrieben werden kann. Als unerwünschte Wirkungen wurden in erster Linie
Müdigkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und verminderter Appetit
beobachtet.
Begleiterkrankungen und Prognose
Zwei von drei Kindern und Jugendlichen mit ADHS leiden neben ihrer
Aufmerksamkeitsstörung mit oder ohne Hyperaktivität zusätzlich unter
verschiedenen Begleiterstörungen. So zeigt mehr als jeder zweite Betroffene
neben der ADHS Verhaltensauffälligkeiten in Form von oppositionellem
Trotzverhalten oder eine Störung des Sozialverhaltens. Mehr als ein Drittel der
Kinder und Jugendliche zeigen depressive Verstimmungen oder
Angststörungen. Bei jedem zehnten Betroffenen treten Tics auf. Unter Therapie
verbessern sich nicht nur die Kernsymptome der ADHS, sondern auch ihre
Begleitkrankheiten. Auch Legasthenie (Lese-/Rechtschreibstörung) und
Dyskalkulie (Rechenstörung) treten bei Kindern und Jugendlichen deutlich
häufiger auf als bei Nichtbetroffenen.
ADHS wächst sich nicht aus
ADHS bleibt bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen auch im Erwachsenenalter
wenigstens mit einer Teilsymptomatik bestehen. Am meisten sind Kinder und
Jugendliche durch Aufmerksamkeitsstörungen beeinträchtigt, solange sie in der
Schule mit relativ starren Anforderungen konfrontiert sind. Außerhalb der
Schule ist es eher möglich, dafür zu sorgen, dass man leichter mit den
Schwierigkeiten umgehen kann. Durch eine entsprechende Berufswahl und
geeignete Freizeitgestaltung können Konfrontationen zum Teil vermieden
werden.
"Wenn ich etwa sehe, wer alles vor und hinter der Kamera herumspringt, dann
denke ich manchmal: Willkommen im ADHS-Club!" Dr. Sabine Dörning
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Nicht allen gelingt es aber einen Platz im Leben zu finden, an dem die
besonderen Eigenschaften von ADHS (Kreativität, Phantasie, Schnelligkeit)
positiv zum Tragen kommen. Etwa ein Drittel der Betroffenen hat auch noch im
Erwachsenenalter massive Probleme und muss zum Teil sogar weiter
behandelt werden. Das Thema ADHS im Erwachsenenalter wird derzeit
intensiv erforscht, und es gibt erste Selbsthilfegruppen speziell für Erwachsene
mit dieser Störung.
ADHS bei Erwachsenen
Experte:
Prof. Dr. Michael Rösler, Professor für Psychiatrie, Sprecher des
Neurozentrums der Universität des Saarlandes, Homburg / Saar und Direktor
des Institutes für Gerichtliche Psychologie und Psychiatrie am Neurozentrum
der Universitätskliniken des Saarlandes
Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach
Dass Kinder und Jugendliche an ADHS (Aufmerksamkeits-Defizits-
Hyperaktivitäts-Störung) erkranken können, ist mittlerweile hinlänglich bekannt.
Ungefähr 60 Prozent der Kinder mit ADHS sind aber auch noch im
Erwachsenenalter betroffen. Im Unterschied zu Kindern und Jugendlichen
können Erwachsene allerdings auf Grund ihrer Lebenserfahrung einschätzen,
wann kritische Situationen auftreten, die ihnen Probleme bereiten könnten.
Krankheitsbild: Definition und Diagnose
Unter ADHS versteht man eine chronische Erkrankung des Gehirns, die
mittlerweile gut behandelbar ist. ADHS-Betroffene leiden unter
Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.
„Daneben haben die Betroffenen häufig Schwierigkeiten mit ihrer Emotionsregelung und mit dem Temperament. Es bestehen vielfach
Stimmungsschwankungen, die von einem Augenblick zum nächsten auftreten
können. In vielen Fällen sind diese Symptome aber heute gut behandelbar."
Prof. Dr. Michael Rösler, Professor für Psychiatrie und Sprecher des
Neurozentrums der Universität des Saarlandes
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Was ist AHDS eigentlich?
Bei ADHS-Patienten sind Hirnregionen beeinträchtigt, die für
Aufmerksamkeitsleistungen, exekutive Funktionen und die Verhaltenssteuerung
verantwortlich sind. Dabei lassen sich Fehlregulationen im Bereich
verschiedener Hirnbotenstoff-Systeme nachweisen.
Botenstoffe bauen sich ab Zur Übermittlung von Informationen und Befehlen braucht das Gehirn
sogenannte Neurotransmitter (Botenstoffe), wie z.B. Dopamin, Noradrenalin
und Serotonin. Der Stoffwechsel dieser Botenstoffe ist bei Betroffenen mit
ADHS beeinträchtigt. Die Folgen sind Aufmerksamkeitsschwäche, Impulsivität
und oftmals Hyperaktivität. Außerdem können Patienten oft wichtige Reize nicht
von unwichtigen unterscheiden, das führt zu Konzentrationsschwierigkeiten,
Vergesslichkeit und leichter Ablenkbarkeit.
Ständig vorhandene Symptome
Vielen erwachsenen ADHS-Patienten fällt es auch schwer, sich im Lebensalltag
zu organisieren: Sie haben zum Beispiel Schwierigkeiten, sich ihre Zeit und
Arbeit vernünftig einzuteilen. Und sie reagieren oft heftig und impulsiv. Das
Besondere ist: Die jeweiligen Symptome sind ständig und in allen
Lebenssituationen vorhanden, also z.B. am Arbeitsplatz, zu Hause, im Urlaub,
im Straßenverkehr.
Diagnose absichern
Um ADHS bei Erwachsenen zu diagnostizieren, schließt der Arzt andere
medizinische und psychische Erkrankungen aus und er stellt fest, ob die
international vorgeschriebenen diagnostischen Kriterien nachweisbar sind.
Wichtig ist auch die Suche nach typischen Begleiterkrankungen, wie z.B.
Depression, Angstzuständen, Ess- und Schlafstörungen und
Suchterkrankungen.
„Wissenschaftler vertreten die Hypothese, dass es zwischen diesen
Krankheiten und ADHS Gemeinsamkeiten im genetischen Code gibt. Bei
bestimmten Risiko-Genen steht nämlich nicht ein für alle Mal fest, in welche
Richtung die Effekte gehen. Es scheint demnach Gene zu geben, die sowohl
bei der Entwicklung einer Depression als auch für ADHS eine Rolle spielen
können." Prof. Dr. Michael Rösler, Sprecher des Neurozentrums der Universität
des Saarlandes
Ein Gespräch bringt Klarheit
In einem ausführlichen Gespräch zur Vorgeschichte klärt der behandelnde Arzt
ab, wie hoch der persönliche Leidensdruck ist, welche Behinderungen im Alltag
womöglich schon seit Kindheit bestehen und ob andere Familienmitglieder
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ähnliche Probleme haben. Außerdem kann der Arzt einen Intelligenztest
machen, einen Leistungs- und Konzentrationstest, und er kann gegebenenfalls
neurobiologische Untersuchungen durchführen, um andere Erkrankungen
auszuschließen.
Unterformen von ADHS
Generell kennt man bei erwachsenen ADHS-Patienten drei Unterformen mit
unterschiedlich stark ausgeprägtem Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität.
Der kombinierte Typ
Die meisten ADHS-Patienten im Erwachsenenalter zählen zur Gruppe des
sogenannten kombinierten Typs. Sie haben
- Lernprobleme, - Schwierigkeiten durchzuhalten, - ein bestimmtes Ziel anzusteuern und - das dann auch konsequent zu verfolgen.
Betroffene sind sehr impulsiv, hyperaktiv und sie tun sich schwer mit der
Aufmerksamkeit. Viele haben auch Schwierigkeiten in ihren sozialen
Beziehungen und sie sind einem drei- bis viermal höheren Unfall- und
Verletzungsrisiko als Nicht-ADHS-Betroffene ausgesetzt.
Patienten mit überwiegender Aufmerksamkeitsproblematik
Betroffene haben im Vergleich zu ersten Gruppe
- weniger soziale Schwierigkeiten und Partnerschaftsprobleme, - weniger Konflikte am Arbeitsplatz und auch - weniger Probleme mit sozialen Regeln.
Patienten dieser Gruppe leiden oft an Lernstörungen und sind oft eher
verträumt, doch viele fallen in ihrer Umgebung nicht weiter auf, denn sie können
ihre Aufmerksamkeitsstörung kompensieren und zufrieden leben.
Ausschließlich hyperaktive ADHS-Patienten
Erwachsene, die zu dieser vergleichsweise kleinen Untergruppe zählen,
werden von ihrer Umgebung oft und anhaltend als Belastung empfunden, so
dass niemand gerne etwas mit ihnen zu tun haben möchte. Sie tun sich schwer,
Freunde zu finden und stabile Bindungen aufrecht zu halten. Und sie nehmen
es mit den Regeln z.B. am Arbeitsplatz nicht sehr genau. Typisch ist auch:
Hyperaktive ADHS-Patienten fallen anderen immer wieder ins Wort und
versuchen sich oft in den Vordergrund zu drängeln.
„Ganz allgemein kennt jeder die eine oder andere Schwierigkeit von ADHS-
Patienten. Jeder hat z.B. schon einmal Aufmerksamkeitsprobleme durch
Übermüdung oder nach einer mehrstündigen Autofahrt illusionäre
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Verkennungen erlebt, wenn er die Schatten der Bäume am Straßenrand für
etwas anderes hält. Bei ADHS-Patienten sind die Aufmerksamkeitsprobleme
aber ständig in ausgeprägter Form vorhanden." Prof. Dr. Michael Rösler,
Professor für Psychiatrie und Sprecher des Neurozentrums der Universität des
Saarlandes
Ursachen der chronischen Erkrankung
Wissenschaftler haben mittlerweile erkannt, dass bei ADHS-Patienten generell
einige Hirnregionen nicht so gut aktiviert sind wie bei Gesunden.
Warum das so ist, weiß man noch nicht genau. Genetische Faktoren spielen im
Zusammenhang mit sozialen Risikosituationen sicher eine wichtige Rolle.
Regel: Ein ganzes Ursachenbündel aus biologischen, psychischen und
sozialen Faktoren löst ADHS aus.
Der genetische Faktor
In manchen Familien kommt AHDS gehäuft vor, als Ursache haben
Wissenschaftler hundert oder mehr Risiko-Gene ausgemacht, die in
unterschiedlichen Kombinationen letztendlich die Störung verursachen können.
Allerdings erklärt jedes Gen für sich genommen nur einen kleinen Effekt, alle
zusammen aber die Krankheit.
„Man zieht insofern die Konsequenz, als vielerorts Kinder- und
Jugendpsychiater bzw. Erwachsenenpsychiater gemeinsam Sprechstunden
betreiben. Denn wenn man ein Kind mit ADHS hat, dann ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auch bei den Eltern oder Großeltern
Betroffene gibt – und umgekehrt." Prof. Dr. Michael Rösler, Professor für
Psychiatrie und Sprecher des Neurozentrums der Universität des Saarlandes
Reizübertragung im Gehirn
Ganz allgemein wird ADHS verursacht, weil das Gehirn Reize nicht problemlos
aufnehmen, adäquat verarbeiten und weitergeben kann. Ursächlich dafür ist,
dass die nötigen Botenstoffe zu schnell abgebaut werden. Auffällig ist auch,
dass im Vergleich zu Gesunden etwas geringere Volumen des Gehirns bei
ADHS-Patienten und dass das Gehirn strukturelle Auffälligkeiten zeigt.
Im Frontalhirn
Das Frontalhirn (der vordere Bereich des Gehirns) ist zuständig für
strategisches Planen, Verhaltenssteuerung, Unterdrückung von
Verhaltensimpulsen und für die Vorausschau. Wissenschaftler haben
herausgefunden, dass es bei ADHS-Betroffenen im Frontalhirn weniger
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Aktivierungen gibt als bei Gesunden. Das kann auch dazu führen, dass eine
impulsive Reaktion, wie z.B. in die Luft zu springen, was Gesunde bei Bedarf
unterdrücken können, von ADHS-Patienten nur schwer kontrolliert werden
kann.
Experiment zur Impulsivität
Mit Hilfe eines Experiments erhalten Mediziner Hinweise darauf, ob jemand von
ADHS betroffen sein kann. Dabei bekommt der Patient eine Reihe von
Buchstaben gezeigt und soll eine Taste drücken, wenn auf den Buchstaben „X"
ein „O" folgt. Impulsive ADHS-Patienten drücken auch dann diese Taste, wenn
auf das „X" ein anderer Buchstabe folgt, denn sie können die vorbereitete
Handlung nur eingeschränkt unterdrücken.
„In so einem Fall untersucht der Arzt dann, wie die Aktivierung in den
Hirnregionen ist, die normalerweise dafür da sind, dass man diesen Fehler nicht
macht." Prof. Dr. Michael Rösler, Professor für Psychiatrie und Sprecher des
Neurozentrums der Universität des Saarlandes
Kleinhirn und Stammganglien
Das Kleinhirn ist neben seinen bekannten motorischen Funktionen auch an der
Entwicklung kognitiver Funktionen und an der sozialen Verhaltenssteuerung
beteiligt - es ist vor allem zuständig für die Koordination und
Verhaltensorganisation. Das heißt z.B., dass man verschiedene Dinge in
Einklang bringt, die im selben Augenblick eine Rolle spielen, man harmonisiert
also sein Verhalten. Auch hier kann es bei ADHS-Patienten zu Auffälligkeiten
kommen.
Von den Stammganglien aus wird das Frontalhirn mit Informationen versorgt.
Dieses System kontrolliert motorische Funktionen, ist aber auch in die
Antriebssteuerung und Willensentwicklung eingebunden. ADHS-Betroffene
können auch hier Auffälligkeiten zeigen.
Zusammenspiel der Transmittersysteme
Generell werden im Gehirn von ADHS-Betroffenen die Botenstoffe zu rasch
abtransportiert - ihr Zusammenspiel ist gestört. Wissenschaftler sprechen von
einer „Imbalance verschiedener Transmittersysteme."
„Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie messen wir die
Hirnaktivität und können bei ADHS-Patienten feststellen, dass verschiedene
Gehirnregionen nicht so funktionieren wie bei Gesunden." Prof. Dr. Michael
Rösler, Professor für Psychiatrie und Sprecher des Neurozentrums der
Universität des Saarlandes
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Diverse Therapiemöglichkeiten
Ob ADHS heilbar ist oder nicht, darüber sind sich Wissenschaftler derzeit
uneins. Klar ist aber, dass die Schwierigkeiten von 80 bis 85 Prozent der
Patienten mit Hilfe von Medikamenten und Psychotherapie verbessert werden
können. Aber: Einem kleinen Rest von erwachsenen ADHS-Patienten kann nur
unzureichend geholfen werden.
Medikamente sind hilfreich
Für die Therapie von ADHS gibt es mittlerweile weltweit anerkannte,
evidenzbasierte Leitlinien. Darin wird bei der pharmakologischen Therapie der
Wirkstoff Methylphenidat als Mittel der ersten Wahl bezeichnet.
Der Wirkstoff Methylphenidat
Der Wirkstoff unterdrückt schwerpunktmäßig, dass der Botenstoff Dopamin zu
rasch abtransportiert wird, er regt also das Gehirn von ADHS-Patienten an. Die
Folge: Sie können sich besser konzentrieren und organisieren, sind weniger
impulsiv und die Hyperaktivität geht zurück.
Nebenwirkungen:
Als mögliche Nebenwirkungen sind bekannt:
- Leichte Zunahme der Herzschlagfrequenz
- Blutdrucksteigung
- manchmal Kopfschmerzen oder
- Einschlafprobleme.
Mittlerweile ist Methylphenidat in Deutschland auch für Erwachsene
verschreibbar.
„Gerade Erwachsene, die vielleicht bereits Bluthochdruck haben, müssen
vorsichtig sein und sollten sich sorgfältig überwachen lassen, damit sie nicht in
den kritischen Bereich kommen." Prof. Dr. Michael Rösler, Professor für
Psychiatrie und Sprecher des Neurozentrums der Universität des Saarlandes
Erfahrungsberichte zu Methylphenidat
„Ich fühle mich überhaupt nicht gedämpft oder aufgeputscht. Ich fühle mich klar
und wach und gelassen. Also ich kann besser starten, kann mich auch
konzentrieren. Und ich bewahre vor allem die Ruhe, das ist der entscheidende
Punkt." ADHS-Betroffene
„Bin ich noch ich? Ja. Bin ich noch der Selbe? Hoffentlich nein, sonst bräuchte
ich die Tabletten nicht nehmen. Es hilft mir in der Arbeit konzentrierter an einer
Sache dran zu bleiben. Mehr Gas zu geben ohne mich abzulenken." ADHS-
Betroffener
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Studie zur Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter
Die Wirkung von Methylphenidat bei Erwachsenen wurde kürzlich in der
weltweit bisher größten Studie untersucht. Mehr als 400 ADHS-Patienten im
Durchschnittsalter von 30 Jahren wurden über ein Jahr behandelt und
untersucht. Verglichen wurde eine psychologische Gruppentherapie und eine
Individuelle Beratung. Beides einmal mit und einmal ohne die zusätzliche
Behandlung mit Methylphenidat. Klar konnte gezeigt werden, dass in beiden
Fällen mit Methylphenidat ein besseres Therapie-Ergebnis erzielt wurde. Die
Studie zeigt, dass die hier angewandten psychologischen Behandlungen nicht
ausreichend erfolgreich sind, um eine Medikation zu ersetzen. Die Studie wurde
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und von der
Firma Medice unterstützt.
Verhaltenstherapie eröffnet neue Wege
Erwachsene ADHS-Betroffene lernen im Rahmen dieser Therapie als erstes
ihre Störung genau kennen, und anschließend, wie sie damit umgehen müssen,
um negative Auswirkungen zu vermeiden. Das heißt, im Rahmen einer
Verhaltenstherapie absolvieren Patienten über einen langen Zeitraum immer
wieder bestimmte Distanzierungs- und Achtsamkeitsübungen, um z.B. nicht
mehr so überschießend zu reagieren wie bisher. Außerdem üben sie
systematisch, ihr Verhalten im Alltag rational zu steuern.
Individuelles Coaching
Weil jeder erwachsene ADHS-Betroffene auch von seiner ganz individuellen
Geschichte geprägt ist, bekommt er im Coaching genau dafür die
entsprechende Unterstützung. Er erhält Tipps, wie er z.B. seinem Chaos
gegensteuern kann, indem er einen speziellen Kalender für seine Termine führt
und sich so an seine Verpflichtungen erinnert. Oder er lernt, wie er effizient
seinen Alltag organisieren kann.
Mit ADHS leben
Erwachsene mit ADHS sollten wissen, dass sie nicht an einer vorübergehenden
„Spinnerei" leiden, sondern ernsthaft erkrankt sind. Doch mittlerweile sind sie
gut behandelbar und können ein normales Leben führen. Außerdem können sie
sich einer AD(H)S-Selbsthilfegruppe anschließen.
ADHS-Selbsthilfegruppen für Erwachsene
„Ich wünsche mir, unter Gleichgesinnten zu sein, um nicht mehr der Alien zu
sein, der ich unter Normalos bin. Im Alltag bin ich gerne alleine in meinen vier
Wänden. Wenn ich raus gehe stoße ich oft gegen Widerstände" Teilnehmerin
einer ADHS-Selbsthilfegruppe
„Es ist sehr entspannend. Man macht neue Erfahrungen und lernt Menschen
kennen. Hier kann man einfach man selbst sein, ohne es zu verstecken. Weil
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ich es im Leben schon noch in den meisten Bereichen verstecke." Teilnehmerin einer ADHS-Selbsthilfegruppe
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Guía clínica sobre el tratamiento conservador de los SVUI masculinos no neurógenos M. Oelke (presidente), A. Bachmann, A. Descazeaud, M. Emberton, S. Gravas, M.C. Michel, J. N'Dow, J. Nordling, J.J. de la Rosette © European Association of Urology 2010 ÍNDICE PÁGINA 1. INTRODUCCIÓN . 4 Bibliografía . 5 2. TRATAMIENTO CONSERVADOR DE LOS SVUI MASCULINOS . 5
Revista de Ciencias J. D. Yakobi-Hancock, L. A. Ladino and J. P. D. Abbatt [84] Weingartner, E., Burtscher, H. and Baltensperger, U. (1997). Hygroscopic properites of carbon and diesel soot particles, Atmospheric Environment Atmospheric Environment, 31(15), 2311–2327. Facultad de Ciencias Naturales y Exactas Universidad del Valle [85] Yakobi-Hancock, J. D., L. Ladino, and J. Abbatt (2013). Feldspar minerals as