Ärztewoche
Gasotransmitter:
flüchtige Überträgerstoffe
Stickoxid, Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff fungieren als Botenstoffe und sind
physiologisch wirksam. Von o.Univ. Prof. Dr. Anton Hermann, Univ. Prof. Dr. Guzel F. Sitdikova und ao.Univ. Prof. Dr. Thomas M. Weiger
Gase wie Stickoxid, Kohlenmono-
damit eine Konformations- und
Therapien zu entwickeln. Besonderen
unter gleichzeitiger Hemmung des
ternen ATP in den geschlossenen –
xid oder Schwefelwasserstoff sind
Funktionsänderung am Protein aus-
Bekanntheitsgrad hat hier der Wirk-
cAMP-Abbaus stattfindet. Andere For-
und durch Erniedrigung des ATP –
als umweltbelastende und extrem
lösen kann.
stoff Sildenafil (Viagra®) erlangt.
scher fanden, dass HO-Blocker die
in den offenen Zustand über und
giftige Substanzen bekannt. Wis-
NO ist bei vielen lebenswichtigen
Langzeitpotenzierung (LTP) im Hip-
treiben damit das Membranpoten-
senschaftler haben nun aber ge-
Vorgängen im Körper beteiligt, wie
pocampus hemmen. CO wirkt dabei
zial in negative Richtung (also weg
funden, dass diese Moleküle als
z. B. bei der Vasoregulation, bei der
ähnlich wie NO als retrograder Boten-
von der Erregungsschwelle), und
universale Botenstoffe in allen Or-
Freisetzung von Transmittern und
stoff, der in der Präsynapse die Trans-
dies führt zur Relaxation der glatten
ganismen – von Bakterien bis zum
Hormonen oder im Gehirn bei der
Muskelzellen in den Blutgefäßen.
Menschen – vorkommen, in deren
synaptischen Übertragung. Im Ge-
Unsere Forschergruppe an der Uni-
Zellen produziert werden, physio-
hirn wirkt NO als „retrograder Boten-
Kohlenmonoxid
versität Salzburg hat nun gefunden,
logisch wirksam sind und damit
stoff", d. h. von der postsynaptischen
dass H2S auch auf BK-Kanäle wirkt.
wichtige Funktionen erfüllen.
auf die präsynaptische Seite zurück
BK-Kanäle sind ubiquitär zu finden
und kann dort in äußerst geringen
und an mannigfaltigen physiologi-
In der Antike bedeutete Pneuma so
Konzentrationen (pikoMol) wirken.
schen und pathophysiologischen
viel wie der „Hauch des Lebens", ein
NO ist auch beteiligt an der Regulati-
Prozessen beteiligt. Sie steuern die
„animalischer Geist", der den Körper
on der Hormonausschüttung, an der
• Kohlenmonoxid (CO) ist bekannt
elektrische Aktivität vieler erregba-
durchdringt und seinen Sitz vor allem
sensorischen Verarbeitung, an der
als Stoffwechselendprodukt, das eine
rer Zellen, indem sie die Dauer der
im Herzen oder im Gehirn hat. Die
Steuerung der synaptischen Ver-
hohe Affinität zum Blutfarbstoff Hä-
Aktionspotenziale oder das oszilla-
Forschung der letzten Jahre hat nun
schaltung während der Entwicklung
moglobin aufweist und damit den
torische Entladungsverhalten von
gezeigt, dass ein „Pneuma" in Form
des Nervensystems.
Sauerstofftransport im Blut hemmen
Nervenzellen, Sinneszellen (Haar-
von Gasen als Signalmoleküle tatsäch-
Neben diesen physiologischen
kann. CO ist aber nicht nur ein zellu-
• Schwefelwasserstoff (H2
S) kommt
zellen im Innenohr) oder von Tag-
lich eine wichtige Rolle ubiquitär in
Funktionen kann NO auch toxische
läres Abfallprodukt, sondern auch
in der Natur in vulkanischen Gasen
Nacht-Rhythmen beeinflussen. Sie
Organismen spielt. Die Gase Stickoxid
Wirkung entfalten, da es Mikroorga-
ein wichtiges Signalmolekül. CO wird
vor und ist im Erdöl und in manchen
spielen eine wichtige Rolle als Sau-
(NO), Kohlenmonoxid (CO) und
nismen (Bakterien, Pilze) oder auch
enzymatisch aus dem Blutfarbstoff
Quellgewässern gelöst. In Quellwas-
erstoffsensoren, bei der Hormonse-
Schwefelwasserstoff (H2S) werden auf-
Parasiten (Einzeller, Würmer) sowie
Häm mittels Hämoxygenasen (HO-1
ser gelöstes H2S wird in Kurbädern zu
kretion sowie bei der Vasoregulati-
grund ihrer Signalwirkung heute als
Tumorzellen zerstören kann. Diesen
und HO-2) und verschiedenen Ko-
Therapiezwecken verwendet. Das
on. Mutierte Kanäle können auch
„Gaskrieg" übernehmen Makropha-
Faktoren produziert. HO-1 ist eine
Gas kann leicht über die Haut ein-
Ursache verschiedener Krankhei-
gen im Körper oder die Mikroglia im
durch Stressoren (Zytokine, Endoto-
dringen und dann eine positive Wir-
ten, sogenannter Channelopathien,
Gehirn. Diese NO-Attacke kann
xine, Hyopoxie etc.) induzierbare
kung bei Hautkrankheiten oder bei
wie z. B. Epilepsie oder paroxysma-
auch gesunde Zellen schädigen und
Form vor allem in der Milz und in der
Gelenkbeschwerden entfalten.
ler Bewegungsstörungen, sein. Eine
Entzündungen oder z. B. Zucker-
Leber. HO-2 hingegen ist eine konsti-
Das Gas ist farblos und bekannt
Aktivierung dieser Kanäle bewirkt
krankheit durch Schädigung der
tutive Form, die ständig exprimiert
aufgrund seines Geruchs nach faulen
generell eine Dämpfung der elektri-
β-Zellen in der Bauchspeicheldrüse
wird und vor allem im Gehirn und in
Eiern. Wir können H2S in sehr niedri-
schen Aktivität und damit eine re-
NO auslösen. Daher kann man beob- den Testis vorkommt. CO kann eben- ger Konzentration – in 100.000-facher duzierte Transmitterfreisetzung an
achten, dass bei Entzündungen ver-
so wie NO leicht Membranen passie-
Verdünnung – riechen. In höheren
Synapsen. Zum Mechanismus der
mehrt Nitrit und Nitrat (Abbaupro-
ren. Es ist beteiligt an der Vasodilata-
Konzentrationen wirkt H2S stark giftig
H2S-Wirkung wissen wir bisher,
dukte von NO) im Körper auftreten.
tion, es hat anti-entzündliche Wir-
und kann nach wenigen Atemzügen in
dass es die Kanalproteine über ei-
Aufgrund seines krankmachen Po-
kung, es wirkt auf die Geruchswahr-
Sekunden zu Koma und Tod führen,
nen Redoxprozess beeinflusst.
tenzials ist NO an vielen pathophy-
nehmung und ist an der Regulation
wobei es vor allem auf das zentrale
In weiteren wissenschaftlichen
siologischen Prozessen beteiligt,
des circadianen Rhythmus beteiligt.
Nervensystem und auf die Lunge wirkt.
Arbeiten konnte gezeigt werden, dass
wie an der Entstehung von Schlag-
Neue Ergebnisse zeigen, dass ein Bei-
H2S ist daher toxischer als Kohlenmo-
aus Knoblauchinhaltsstoffen im Kör-
anfällen, bei Migräne, bei epilepti-
produkt der zellulären CO-Synthese,
noxid oder sogar als Cyanid. H2S hat
per H2S freigesetzt wird und dieses
• Stickstoffmonoxid (NO) ist ein
schen Anfällen oder an der Auslö-
das Bilirubin (reduzierte Form des
die Eigenschaft, dass es leicht durch
konzentrationsabhängig die Muskel-
evolutiv sehr ursprüngliches und
sung neuro-degenerativer Krank-
Biliverdins), eine wichtige Rolle als
biologische Membranen diffundieren
relaxation erhöht. Auf diese Weise
sehr weit verbreitetes Signalmolekül.
Antioxidans und damit als Schutzfak-
kann, da es ähnlich wie NO oder CO
erweitern sich die Blutgefäße, und
Chemisch gesehen ist es ein Radikal
Die Wirkmechanismen hinter
tor für Zellen spielt.
wasser- und lipidlöslich ist. H2S ist auf-
Bluthochdruck kann damit gesenkt
und daher sehr kurzlebig. Es kann
diesen Prozessen sind mannigfaltig.
Bis vor kurzem war die Identität
grund seiner chemischen Eigenschaf-
werden. H2S spielt nach neuesten
aber auch, an Proteine gebunden,
Bakteriengifte, die eine massive NO-
der Sauerstoffsensoren, die sich in
ten ein Reduktionsmittel und kann
Forschungen auch eine Rolle bei der
stabil bleiben und im Körper ver-
Bildung auslösen, können zu einer
den Carotidkörpern der Halsschlag-
damit gefährlichen Oxidationsprozes-
penilen Erektion. Es wurde gefunden,
frachtet werden. NO kann sich, nach-
drastischen Erweiterung der Blutge-
adern befinden unbekannt. Wissen-
sen in Zellen entgegenwirken.
dass die Enzyme zur Herstellung von
dem es elektrisch neutral und daher
fäße führen und einen anaphylakti-
schaftler konnten nun zeigen, dass
H2S wird in Zellen aus der Amino-
H2S (CBS und CSE) im penilen Gewe-
wasser- sowie fettlöslich ist, leicht in-
schen Schock verursachen. NO kann
HO-2 als O2-Sensor fungiert. Unter
säure L-Cystein hergestellt. Dazu sind
be vorkommen, dass H2S dort auch
nerhalb von Zellen bewegen, aber
auch in den Zellen Apoptose auslö-
normalen Bedingungen bindet O2 an
die Enzyme Cystathion γ-Lyase (CSE)
tatsächlich freigesetzt wird, und dass
auch durch die hydrophobe Zell-
sen. NO wirkt auch toxisch, indem es
HO-2, das dann CO produziert, und
und/oder Cystathionin β-Synthase
H2S relaxierend auf das Corpus ca-
membran nach außen diffundieren
wichtige Enzyme blockiert, es kann
dieses CO aktiviert sogenannte BK-
(CBS) erforderlich. Die Enzyme zur
vernosum einwirkt und damit zur
und auf andere Zellen einwirken. Da-
direkt die Lipidschicht der Zellmemb-
Kanäle (BK = big K; durch Calcium
H2S-Produktion wurden in verschie-
Blutfüllung des Penis führt.
her kann NO auch nicht wie die klas-
ran durch Lipidperoxidation oder
und Spannung aktivierte Kaliumka-
denen Geweben lokalisiert – in Blut-
Die künftige Forschung muss nun
sischen Transmitter in Vesikel ge-
Membran-integrale Proteine zerstö-
näle/K+-Kanäle). Das Öffnen dieser
gefäßen, in der Leber, in den Nieren
weitere Funktionen und Details zu
speichert werden.
ren oder auch die Desoxyribonuklein-
K+-Kanäle führt zu einer Hyperpolari-
und vor allem auch im Gehirn. Dort
den Wirkungsmechanismen von Ga-
NO wird enzymatisch mittels ver-
säure (DNS) im Zellkern schädigen.
sation des Membranpotenzials der
wurden sogar die höchsten H2S-Kon-
sotransmittern und ihren Implikatio-
schiedener NO-Synthasen (NOS) aus
Ein besonders interessantes Bei-
Glomus-Zellen und damit bleiben
zentrationen gefunden. Neben NO
nen für die Medizin erarbeiten.
der Aminosäure L-Arginin herge-
spiel der Wirkung von NO, das zu
die Zellen elektrisch stumm. Bei Hy-
und CO wurde H2S nun als dritter Ga-
stellt. Da NO aufgrund seiner Reakti-
pharmakologischen Entwicklungen
poxie wird kein CO produziert, und
sotransmitter etabliert. H2S bewirkt
o. Univ. Prof. Dr. Hermann und
onsfreudigkeit für Zellen gefährlich
geführt hat, ist seine Rolle bei der Steu-
die K+-Kanäle werden nicht aktiviert.
bei Nervenzellen im Hippocampus –
ao. Univ. Prof. Dr. Weiger sind am
werden kann, ist eine präzise Regula-
erung von Erektionsprozessen. Durch
Dies führt zur Depolarisation der Zel-
zuständig für Lernen und Gedächtnis
Institut für Zellbiologie der Universi-
tion der NO-Produktion erforderlich.
nervöse Aktivierung werden von den
len und schließlich zur Genese von
– eine Langzeit-Potenzierung, d. h.
tät Salzburg tätig. Univ. Prof. Dr.
Inzwischen wurden zwei wesentliche
Endothelzellen der Blutgefäße im Pe-
Aktionspotenzialen. Die Aktionspo-
einige Minuten bis Stunden andau-
Sitdikova ist an der russischen Kazan
Prinzipien zum NO-Wirkmechanis-
nis oder der Klitoris NO und andere
tenziale werden ins Gehirn weiterge-
ernde erhöhte synaptische Transmis-
State University, Abteilung für
Botenstoffe freigesetzt. NO bewirkt in
leitet und führen dort zur Erregung
sion, die als eine zelluläre Form des
Physiologie von Mensch und Tier in
wirkt auf Metallionen im Zent-
der Folge eine Relaxation der arteriel-
von Nervenzellen, die für eine erhöh-
Lernens betrachtet wird.
Kazan, Russland, tätig.
rum von Proteinen, z. B. von Enzy-
len glatten Muskulatur. Damit füllen
te Atemfrequenz zuständig sind.
H2S führt zur Erweiterung von
men, und erhöht oder vermindert
sich die Schwellkörper mit Blut und
HO-2 wird auch im zentralen und
Blutgefäßen, und zwar über einen
Zu diesem Thema publizierten die
somit deren Aktivität,
der durch die Schwellung verursachte
peripheren Nervensystem exprimiert.
Mechanismus, der eine Aktivierung
Autoren den Übersichtsartikel:
• O bewirkt eine sogenannte Pro-
Druck auf die Venen führt zu einem
CO erhöht an der neuro-muskulären
sogenannter ATP (Adenosin-Tri-
Hermann, A. et al.: Gase als zelluläre
tein-Nitrosylierung, bei der NO an
Blutstau und zur Erektion. Durch
Synapse die Acetylcholinfreisetzung,
Phosphat)-gesteuerter
Signalstoffe. Gasotransmitter.
–SH- oder –S–CH3-Gruppen an das
Kenntnisse der erektilen Signalkaska-
wobei diese Wirkung über Aktivierung
nenkanäle (KATP) auslöst. KATP-Kanä-
Biologie in unserer Zeit
2010; 40:
Schwefelatom gebunden wird und
de war es möglich, pharmakologische
einer intrazellulären cAMP-Kaskade
le gehen durch Erhöhung des zellin-
21. Oktober 2010
Source: https://www.uni-salzburg.at/fileadmin/oracle_file_imports/1539258.PDF
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